European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00049.19G.1217.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war als Steuerberater und als Beamter berufstätig. Seit 1. 12. 2010 bezieht er eine Alterspension nach dem GSVG, die im Jahr 2017 2.679,38 EUR monatlich betrug. Weiters erhält er seit 1. 9. 2010 monatlich einen Ruhegenuss. Sein Gesamtpensionseinkommen beträgt mehr als 4.980 EUR monatlich.
Mit Bescheid vom 5. 2. 2018 sprach die beklagte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft aus, dass im Jahr 2018 die Alterspension des Klägers nach dem GSVG nicht erhöht (angepasst) werde, weil sein Gesamtpensionseinkommen mehr als 4.980 EUR monatlich betrage.
Der Kläger begehrt die Erhöhung seiner Alterspension nach dem GSVG um den Anpassungsfaktor 1,6 % auf 2.722,25 EUR monatlich ab 1. 1. 2018.
Soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich bringt er vor, er sei durch § 369 Abs 1 GSVG insofern wegen seines Geschlechts als Mann mittelbar diskriminiert, als angeordnet werde, dass die Pensionsanpassung ab einer Pensionshöhe von mehr als 3.355 EUR monatlich nicht mehr in vollem Ausmaß stattfinde und ab einer Pensionshöhe von 4.980 EUR monatlich gänzlich unterbleibe. Da die höheren Pensionen überwiegend von Männern bezogen würden, treffe das Unterbleiben der Pensionsanpassung im Jahr 2018 zu 84,7 % Männer. Frauen seien nur zu einem entsprechend geringeren Anteil (im Ausmaß von nur 15,3 %) betroffen. Darin liege ein Verstoß gegen die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit. Eine sachliche Rechtfertigung für das Unterbleiben der Pensionsanpassung im Jahr 2018 sei nicht gegeben. Die Abweichung von der allgemeinen Pensionsanpassungsregelung sei lediglich wahltaktisch motiviert gewesen, ein tragender sozialpolitischer Grund sei bei damals guter Konjunktur und guten Konjunkturaussichten nicht erkennbar. Der Wunsch, niedrigere Pensionen stärker zu erhöhen, sei keine sachliche Rechtfertigung dafür, im Gegenzug die Kaufkraft höherer Pensionen zu verringern. Zudem werde durch das Abstellen auf ein „Gesamtpensionseinkommen“, welches in § 369 Abs 2 GSVG näher definiert werde, erstmals im Gleichklang mit § 711 ASVG eine spezifische Zusammenrechnung normiert, die an das Sonderpensionenbegrenzungsgesetz anknüpfe, was zu einer willkürlichen Ermittlung des „Gesamtpensionseinkommens“ führe. Um zu gewährleisten, dass die effektive Leistungsfähigkeit den Maßstab darstelle und eine Maßnahme zugunsten sozial Schwächerer von der Gesamtgemeinschaft im Verhältnis der Belastbarkeit ihrer Angehörigen getragen werde, hätte auf ein (jegliche Einkünfte umfassendes) „Gesamteinkommen“ abgestellt werden müssen.
Die beklagte Partei wendet zusammengefasst ein, eine mittelbare Diskriminierung sei unbeachtlich, wenn sie durch objektive Faktoren gerechtfertigt werde. Neben der Erhaltung der Kaufkraft der Pensionen verfolgten Pensionsanpassungen auch eine soziale Komponente, indem in den letzten Jahren zumeist sozial gestaffelte Pensionsanpassungen zu Gunsten niedriger Pensionen vorgenommen worden seien. Nur in den Jahren 2013, 2014, 2015 und 2017 seien Pensionsanpassungen in der Form vorgenommen worden, dass die Pensionen im selben prozentuellen Ausmaß erhöht worden seien. Die Pensionsanpassung 2018 sehe wiederum eine Staffelung vor, indem die niedrigeren Pensionen am meisten erhöht worden seien. Für die höheren Pensionen werde je nach Höhe der Pensionsleistung gestaffelt eine abschmelzende Erhöhung vorgenommen. Die Pensionserhöhung 2018 stelle damit eine Maßnahme dar, die auf dem Solidaritätsgrundsatz beruhe und eine Umverteilung zu Gunsten niedrigerer Pensionen bewirke. Derartige Maßnahmen seien ein anerkanntes Ziel der europäischen Sozialpolitik. Eine überproportionale prozentmäßige Erhöhung niedriger Pensionen verstoße daher nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Ab einem Einkommen über der Höchstbeitragsgrundlage sehe der Gesetzgeber keinen Stützungsbedarf mehr. Der Grund, warum dem oberen Pensionsbereich überproportional viele männliche Leistungsbezieher angehören, liege in der Tatsache, dass Männer deutlich höhere Arbeitsentgelte und damit höhere Beitragsgrundlagen erreichen als Frauen. Hochdotierte Berufspositionen würden häufiger von Männern als Frauen besetzt.
Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass unter den Pensionsbeziehern mit einem Gesamtpensionseinkommen von mehr als 4.980 EUR monatlich die Anzahl der männlichen Pensionsbezieher größer ist als jene der weiblichen Pensionsbezieher. Ebenso ist unstrittig, dass die Anzahl der weiblichen Bezieherinnen einer Alterspension von über 2.700 EUR monatlich wesentlich geringer ist als jene der männlichen Pensionsbezieher (15.237 Frauen gegenüber 82.510 Männern).
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
§ 369 GSVG sei am Diskriminierungsverbot der RL 79/7/EWG zu messen. Da § 369 GSVG unterschiedslos auf Männer und Frauen anwendbar sei, sei keine unmittelbare Diskriminierung gegeben. Allerdings liege eine mittelbare Diskriminierung vor, weil die Pensionsanpassung 2018 in ihrer negativen Auswirkung (dem Unterbleiben der Pensionserhöhung) wesentlich mehr Männer als Frauen treffe. Darin sei ein Verstoß gegen Art 4 der RL 79/7/EWG zu sehen, es sei denn, dass die Maßnahme durch objektive Faktoren gerechtfertigt wäre, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun hätten. Der Wunsch, niedrigere Pensionen zu erhöhen und die Kaufkraft zu stärken, sei zwar legitim, rechtfertige aber nicht, die Kaufkraft höherer Pensionen zu verringern. Für einen Kaufkrafterhalt auch der höheren Pensionen wäre daher eine Pensionsanpassung zumindest in Höhe der Inflationsrate erforderlich gewesen. Da § 369 Abs 1 GSVG dem Art 4 der RL 79/7/EWG widerspreche, habe die Anwendung des § 369 Abs 1 GSVG durch die nationalen Gerichte in dem Umfang zu unterbleiben, in welchem Pensionsbeziehern einer Gesamtpensionsleistung von über 4.980 EUR monatlich eine Anpassung ihrer Pensionsleistung verwehrt werde. Die Pension des Klägers sei daher ab 1. 1. 2018 um 1,6 % zu erhöhen, welcher Wert der von der Bundesregierung angenommenen Teuerung und der für Pensionen der mittleren Höhe von 2.000 bis 3.355 EUR vorgesehenen Pensionserhöhung entspreche.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass die Alterspension des Klägers ab 1. 1. 2018 2.679,38 EUR beträgt und das Klagemehrbegehren, die beklagte Partei habe dem Kläger ab 1. 1. 2018 eine Pension in einem gegenüber dem Vormonat um 1,6 % erhöhten Betrag zu leisten (= mindestens 2.722,25 EUR), abgewiesen wurde. Aus den Gesetzesmaterialien lasse sich die Absicht des Gesetzgebers ableiten, eine soziale Staffelung vorzunehmen, die niedrigere Pensionen prozentuell bevorteile. Diese Absicht finde auch in den Erläuternden Bemerkungen ihren Niederschlag, in denen ausdrücklich darauf hingewiesen werde, dass die vorgeschlagene, nach dem Gesamtpensionseinkommen abgestufte Pensionserhöhung eine soziale Komponente in sich trage. Zwar ergebe sich aus dem Vorblatt der Regierungsvorlage und der Wirkungsbezogenen Folgenabschätzung (WFA) als angestrebtes Ziel die Kaufkrafterhöhung der niedrigeren Pensionen und die Kaufkrafterhaltung höherer Pensionen, doch halte der Gesetzgeber als erkanntes Problem fest, dass bei Menschen mit niedrigeren Einkommen und Pensionen die alltäglichen Kosten (beispielsweise für Lebensmittel und Wohnen) im Vordergrund stehen und diese Kosten in den letzten Monaten stärker gestiegen seien. Gerade kleine und mittlere Pensionen seien von den überdurchschnittlich steigenden Lebensmittelkosten bzw Lebenshaltungskosten im engeren Sinn (Essen, Trinken, Wohnen) betroffen; dies solle berücksichtigt und ausgeglichen werden. Diese Gründe seien geeignet, die Pensionsanpassung 2018 sowohl auf nationaler Ebene als auch unionsrechtlich sachlich zu rechtfertigen. Die Differenzierung unter sozialen Gesichtspunkten rechtfertige auch eine soziale Staffelung bis 0 %, weil die Bezieher höherer Pensionen einen derartigen Eingriff in der Regel leichter verschmerzen könnten als Bezieher niedriger Pensionen, bei denen die gestiegenen alltäglichen Kosten im Vordergrund stehen. Die Gleichstellung von Männern und Frauen in Bezug auf Entgelt und auch Pensionen sei ein langfristiges und wesentliches Ziel des Unionsrechts.
Das Berufungsgericht ließ die Revision nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zu der Frage der sachlichen Rechtfertigung des Unterbleibens der Pensionsanpassung 2018 (BGBl I 2017/151) ab einem Gesamtpensionseinkommen von 4.980 EUR noch nicht Stellung genommen hat.
Die – nach Freistellung der Revisionsbeantwortung – von der beklagten Partei beantwortete Revision ist aber nicht berechtigt.
1. Nach § 50 Abs 1 GSVG sind alle Pensionen aus der Pensionsversicherung, für die der Stichtag vor dem 1. Jänner dieses Jahres liegt, mit dem Anpassungsfaktor (§ 47) zu vervielfachen. Dieser beträgt für das Jahr 2018 unstrittig 1,6 %.
2. § 369 GSVG idF BGBl I 2017/151 („Pensionsanpassung 2018“) sieht vor, dass abweichend von § 50 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 GSVG die Pensionserhöhung für das Kalenderjahr 2018 nicht mit dem Anpassungsfaktor, sondern wie folgt vorzunehmen ist:
Das Gesamtpensionseinkommen ist zu erhöhen
1. wenn es nicht mehr als 1.500 EUR monatlich beträgt, um 2,2 %;
2. wenn es über 1.500 bis zu 2.000 EUR monatlich beträgt, um 33 EUR;
3. wenn es über 2.000 bis zu 3.355 EUR monatlich beträgt, um 1,6 %;
4. wenn es über 3.355 EUR bis zu monatlich 4.980 EUR monatlich beträgt, um einen Prozentsatz, der zwischen den genannten Werten von 1,6 % auf 0 % linear absinkt.
Beträgt das Gesamtpensionseinkommen mehr als 4.980 EUR monatlich, so findet keine Erhöhung statt.
„(2) Das Gesamtpensionseinkommen einer Person ist die Summe aller ihrer Pensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung, … Als Teil des Gesamtpensionseinkommens gelten auch alle Leistungen, die vom Sonderpensionenbegrenzungsgesetz, BGBl I Nr. 46/2014, erfasst sind, wenn die pensionsbeziehende Person am 31. Dezember 2017 darauf Anspruch hat.“
§ 369 GSVG ist im Wesentlichen inhaltsgleich mit § 711 ASVG.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 12. 6. 2019, E 106/2019‑11, die Behandlung einer zu § 41 Abs 4 PG 1965 iVm § 711 Abs 1 ASVG idF des PAG 2018 erhobenen Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg abgelehnt. Der Verfassungsgerichtshof verwies auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und hielt im Hinblick auf das Argument einer mittelbaren Diskriminierung von Männern mit hohem Pensionseinkommen fest, dass das Unionsrecht – mit Ausnahme der Grundrechte-Charta der Europäischen Union – keinen Maßstab für die Normenkontrolle durch den Verfassungsgerichtshof darstelle.
4. Auf den behaupteten Verstoß gegen das Unionsrecht ist im Rahmen des vorliegenden Verfahrens einzugehen:
4.1 Das System der jährlichen Pensionsanpassung nach österreichischem Recht fällt in den Geltungsbereich der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit („RL“). Diese RL ist nach Art 3 Abs 1 lit a auf gesetzliche Systeme anwendbar, die Schutz gegen das Risiko des Alters bieten, aber auch auf das in Österreich geltende System der jährlichen Pensionsanpassung, weshalb die diesbezüglichen Regelungen unter das Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts des Art 4 Abs 1 der RL fallen (EuGH 20. 10. 2011, C‑123/10, Brachner, Rz 53).
4.2 Nicht in Frage steht, dass durch § 369 GSVG keine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gegeben ist, weil der Gesetzgeber nicht danach unterscheidet, ob die Pension einem Mann oder einer Frau gebührt.
4.3 Die Parteien legen ihren Ausführungen übereinstimmend zugrunde, dass § 369 Abs 1 GSVG aber zu einer mittelbaren Diskriminierung des Klägers (wegen seines Geschlechts als Mann) führen kann, weil diese Regelung zwar neutral formuliert ist, tatsächlich aber in einem wesentlich höheren Prozentsatz die Angehörigen eines Geschlechts – die Männer – benachteiligt. Die Frage, ob sich Männer als Angehörige der dominanten Mehrheit bzw der in besserer Position befindlichen Gruppe überhaupt auf mittelbare Benachteiligung berufen können, wenn sie durch Maßnahmen bzw Regelungen betroffen sind, die sich zu ihren Lasten auswirken (dies verneinend BVwG Z W 178 2205461-1/4E), wird hingegen von den Parteien nicht angesprochen, sodass darauf nicht einzugehen war.
5. Mögliche Rechtfertigung
5.1 Nach der Rechtsprechung des EuGH kann der Mitgliedstaat bei mittelbar diskriminierend wirkenden Vorschriften darlegen, dass die von ihm geschaffene Vorschrift einem legitimen Ziel seiner Sozialpolitik dient, dass dieses Ziel nichts mit einer Diskriminierung zu tun hat und dass er vernünftigerweise annehmen durfte, dass die gewählten Mittel zur Verwirklichung dieses Ziels geeignet und erforderlich sind (EuGH 20. 10. 2011, C‑123/10, Brachner, Rz 70 mwN).
5.2 Die Prüfung der Rechtfertigungsgründe ist von den nationalen Gerichten vorzunehmen, die für die Beurteilung des Sachverhalts und der Auslegung des innerstaatlichen Rechts allein zuständig sind.
5.3 Zu den von der beklagten Partei im vorliegenden Fall geltend gemachten Rechtfertigungsgründen ist auszuführen:
5.4 Während vor dem PensionsharmonisierungsG BGBl I 2004/142 die Anpassung der Pensionen zum Erhalt deren inneren Werts die (zu erwartende) Lohnentwicklung widerspiegelte, soll die Pensionsanpassung nunmehr lediglich die Kaufkraft der Pensionen im Hinblick auf die Entwicklung der Verbraucherpreise erhalten, um Kaufkraftverluste der Pensionisten zu verhindern. Der zuständige Bundesminister hat durch Verordnung den Anpassungsfaktor so festzusetzen, dass seine Auswirkungen die Pensionen in dem Ausmaß erhöhen, dass dadurch die durchschnittliche Veränderung der Verbraucherpreise in den letzten 12 Kalendermonaten vor dem Juli des der Anpassung vorangegangenen Jahres ausgeglichen wird. Dieses System wurde in den letzten Jahren durch jeweils befristete Regelungen durchbrochen und für höhere Pensionen nur mehr ein Teil des Kaufkraftverlusts ausgeglichen; für die Jahre 2012 und 2014 wurde der Anpassungsfaktor generell vermindert (vgl Tomandl , Grundriss des österreichischen Sozialrechts 7 [2019] Rz 301).
5.5 Auch nach der Absicht des Gesetzgebers der Pensionsanpassung 2018 sollte für dieses Jahr eine nach dem Gesamtpensionseinkommen abgestufte Pensionserhöhung vorgenommen werden, die eine soziale Komponente in sich trägt (ErläutRV 1767 BlgNR 25. GP 1). Es sollte das Ziel der Kaufkrafterhaltung und auch der Kaufkraftstärkung von Pensionist/inn/en erreicht werden. In den Gesetzesmaterialien wird dazu ausgeführt, dass bei Menschen mit niedrigem Einkommen und Pensionen die alltäglichen Kosten (beispielsweise für Leben und Wohnen) im Vordergrund stehen und diese Kosten in den letzten Monaten stärker gestiegen seien. Gerade kleine und mittlere Pensionen seien von den überdurchschnittlich steigenden Lebensmittel- oder Lebenshaltungskosten im engeren Sinn betroffen; dies solle berücksichtigt und ausgeglichen werden (Vorblatt und Wirkungsorientierte Folgenabschätzung 1767 BlgNR 25. GP 1).
5.6 Dass die Ziele des Kaufkrafterhalts bzw der Kaufkraftstärkung von Beziehern kleiner Pensionen als sachlich und legitim zu qualifizieren sind, wird auch vom Revisionswerber nicht angezweifelt, ebenso wenig, dass die dieses Ziel umsetzenden Vorschriften den – dem nationalen Sozialgesetzgeber offen stehenden – weiten Spielraum nicht überschreiten und auf den ersten Blick nichts mit einer Diskriminierung nach dem Geschlecht zu tun haben. Der Revisionswerber erachtet es aber zur Erreichung dieses Ziels als nicht erforderlich, dass „im Gegenzug“ über der monatlichen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage 2017 liegende Ruhe‑ und Versorgungsgenüsse nicht im Ausmaß der Inflationsrate erhöht werden, wodurch deren Kaufkraft sinkt.
5.7 Der damalige Sozialminister hat sich in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung darauf berufen, dass es keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz der gleichmäßigen Anpassung aller Pensionen gebe und in der Sozialversicherung auch bei Pensionsanpassungen immer die Beachtung sozialer Aspekte zu Tage trete. Diese Aspekte könnten sowohl zu überproportionalen Erhöhungen niedriger Pensionen wie zu keinen Anpassungen bei hohen Pensionen führen (13312/AB BlgNR 25. GP).
5.8 In diese Richtung geht auch das von der beklagten Partei im vorliegenden Verfahren vorgetragene Rechtfertigungsargument, der Gesetzgeber habe bei seiner politischen Entscheidung ab einem Einkommen über der Höchstbeitragsgrundlage keinen Stützungsbedarf mehr gesehen, sodass eine Pensionsanpassung für 4.980 EUR monatlich übersteigende Pensionen unterbleiben habe können.
5.9. Bei der Beurteilung ob diese aus sozialen Aspekten vorgenommene Differenzierung nach verschiedenen Gruppen von Pensionsbeziehern unsachlich ist, ist vor allem zu berücksichtigen, dass die Mitgliedstaaten bei der Wahl geeigneter Maßnahmen zur Verwirklichung ihrer sozial- und beschäftigungspolitischen Ziele über einen weiten Entscheidungsspielraum verfügen. Dieser Entscheidungsspielraum ist nur dadurch begrenzt, dass tragende Grundsätze des Unionsrechts nicht ausgehöhlt werden dürfen (EuGH 9. 2. 1999, C‑167/97, Seymour-Smith und Perez , Slg 1999, I-666, Rz 74, 76; EuGH 20. 10. 2011, C‑123/10, Brachner Rz 74, 75).
5.10 Insbesondere vor dem Hintergrund des relativ weiten Entscheidungsspielraums des Gesetzgebers zur Erreichung seiner sozialpolitischen Ziele ist die sachliche Rechtfertigung der gesetzgeberischen Maßnahme zu bejahen. Würde man der Rechtsansicht des Klägers folgen, würde sich die Kluft des Pensionseinkommens zwischen Männern und Frauen langfristig nicht verringern, sondern vergrößern und damit die mittelbare Diskriminierung fortgeschrieben werden. Die Gleichstellung von Männern und Frauen in Bezug auf das Entgelt und auch die Pensionen als ein langfristiges und wesentliches Ziel des Unionsrechts wäre nicht erreicht.
5.11 Dient das Unterbleiben der Pensionsanpassung für 2018 für 4.980 EUR übersteigende Pensionen einem legitimen Ziel der Sozialpolitik des nationalen Gesetzgebers, hat dieses Ziel nichts mit einer Diskriminierung zu tun. Der Gesetzgeber durfte vernünftigerweise annehmen, dass die gewählten Mittel zur Verwirklichung dieses Ziels geeignet und erforderlich sind. Die behauptete Unionsrechtswidrigkeit ist daher nicht zu erkennen.
6. Soweit der Revisionswerber noch geltend macht, § 369 Abs 2 letzter Satz GSVG stelle deshalb keine sachgerechte Regelung dar, weil infolge der darin enthaltenen Anknüpfung an das Sonderpensionenbegrenzungsgesetz (SpBegrG) nur bestimmte Pensionsleistungen (Sonderpensionen) erfasst werden und andere Pensionsleistungen – seiner Rechtsansicht nach zu Unrecht – unberücksichtigt bleiben, entfernen sich seine Ausführungen vom festgestellten Sachverhalt. Nach diesem bezieht der Revisionswerber zwei gesetzliche Pensionen, die sein Gesamtpensionseinkommen bilden (§ 369 Abs 2 erster Satz GSVG), er erhält aber keine Sonderpension iSd SpBegrG.
7. Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit erforderten, wurden nicht vorgebracht.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)