OGH 1Ob171/19g

OGH1Ob171/19g16.12.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Parzmayr und Dr. Faber als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj F* V*, geboren am * 2004, vertreten durch das Land Oberösterreich als Kinder‑ und Jugendhilfeträger (Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen, *), wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 22. Mai 2019, GZ 21 R 56/19p‑31, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Grieskirchen vom 28. Jänner 2019, GZ 1 Pu 124/18w‑27, teils aufgehoben und teils abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127278

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Das 15‑jährige Kind steht in Obsorge seiner Mutter und wird von dieser betreut. Der geldunterhaltspflichtige Vater war bisher aufgrund der vor dem Kinder‑ und Jugendhilfeträger geschlossenen Vereinbarung vom 18. 4. 2016 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von zuletzt 340 EUR verpflichtet.

Der Vater verdient derzeit 1.516 EUR netto im Monatsdurchschnitt. Sein vorheriges Dienstverhältnis wurde durch den Arbeitgeber aus wirtschaftlichen Gründen beendet. Er ist verheiratet und hat noch für einen (im Juni 2016 geborenen) weiteren Sohn zu sorgen. Seine Ehefrau verfügt über ein monatliches Einkommen von 600 EUR.

Das Rechtsmittelverfahren betrifft nur die Unterhaltsbeiträge des Vaters ab 1. 2. 2019.

Der Vater beantragte die Herabsetzung seiner monatlichen Unterhaltsverpflichtung ab 1. 1. 2019 auf 265 EUR. Sein letztes Dienstverhältnis sei vom Arbeitgeber aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt worden. Danach sei er fast acht Monate arbeitslos gewesen. Er habe zwar wieder eine Beschäftigung gefunden, verdiene aber weniger als früher. Außerdem habe er geheiratet und habe für seinen zweieinhalb Jahre alten Sohn zu sorgen. Seine Ehefrau betreue den gemeinsamen Sohn und arbeite nur geringfügig, wobei sie rund 600 EUR verdiene. Er sei daher auch für sie teilweise sorgepflichtig. Sein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen betrage 1.516 EUR, sodass sein Sohn nach teilweiser Anrechnung der Transferleistungen einen Unterhaltsanspruch von 265 EUR habe.

Das Kind trat – vertreten durch den Kinder- und Jugendhilfeträger – dem Herabsetzungsantrag entgegen. Seine Mutter beziehe nur eine Pension von 864 EUR monatlich. Der Vater habe ab 1. 1. 2019 Anspruch auf den Familienbonus Plus, wobei er zumindest die Hälfte des Familienbonus Plus in Anspruch nehmen könne. Dadurch müsste es ihm möglich sein, einen höheren Unterhalt als 265 EUR monatlich zu leisten.

Das Erstgericht setzte den vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhalt antragsgemäß ab 1. 1. 2019 auf 265 EUR herab. Seit der letzten Unterhaltsvereinbarung seien zwei Sorgepflichten des Vaters – die für seinen zweieinhalb Jahre alten Sohn und seine Ehefrau – dazugekommen. Für beide sei nach der Prozentmethode vom Prozentsatz für das Kind von 20 % je ein Prozentpunkt abzuziehen. Es habe daher Anspruch auf Unterhalt in Höhe von 18 % der Bemessungsgrundlage von 1.516 EUR, somit rund 273 EUR. Nach Berücksichtigung der Transferleistungen (Familienbeihilfe und Unterhaltsabsetzbetrag) verringere sich der dem Kind zustehende Unterhalt auf 265 EUR. Die Schwelle, ab der wegen des Familienbonus Plus eine Anrechnung überhaupt in Frage komme, liege bei minderjährigen Kindern bei einem Unterhalt von 500 EUR im Monat.

Das Rekursgericht hob aus Anlass des Rekurses des Kindes den erstinstanzlichen Beschluss, soweit er die Unterhaltspflicht des Vaters für Jänner 2019 betreffe, ersatzlos auf und erklärte das Verfahren über den Antrag des Vaters für diesen Zeitraum infolge der am 16. 1. 2019 erfolgten Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über dessen Vermögen für unterbrochen. Im Übrigen gab es dem Rekurs des Kindes teilweise Folge, setzte die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab 1. 2. 2019 auf 273 EUR herab und wies das Mehrbegehren des Vaters ab. Rechtlich führte es – soweit für das Revisionsrekursverfahren von Relevanz – aus, es schließe sich der von Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht9, 158 ff vertretenen Auffassung an, wonach der Familienbonus Plus wie der Unterhaltsabsetzbetrag und der Kinderfreibetrag das Ausmaß, in dem der Unterhaltspflichtige die Kürzung des Unterhalts durch Anrechnung der Transferleistungen verlangen könne, vermindere, und dass aufgrund der Anspannungsobliegenheit der Familienbonus Plus bei der Anrechnung zumindest mit dem halben Betrag auch dann zu berücksichtigen sei, wenn der Unterhaltsschuldner diesen Absetzbetrag trotz Vorliegens der Voraussetzungen nicht beantrage. Teile der betreuende Elternteil dem Geldunterhaltspflichtigen mit, seine Hälfte des Familienbonus Plus ihm zu überlassen, oder habe der Geldunterhaltspflichtige sichere Anhaltspunkte dafür, dass der betreuende Elternteil seinen Familienbonus Plus nicht in Anspruch nehmen werde, müsse er den vollen Betrag geltend machen. Tue er dies nicht, sei bei der Anrechnung im Weg der Anspannung der volle Betrag anzusetzen. Da der Vater als unselbständig Erwerbstätiger den Familienbonus Plus ab Jänner 2019 auch laufend im Rahmen der Lohnverrechnung berücksichtigen lassen könne (§ 129 EStG), müsse er aus unterhaltsrechtlicher Sicht den Weg über die Lohnverrechnung wählen, profitiere dann sofort vom Entlastungseffekt und müsse sich diesen Vorteil bei der Unterhaltsberechnung auch anrechnen lassen. Die durch den Familienbonus Plus eintretende Steuerersparnis erhöhe nicht die Unterhaltsbemessungsgrundlage.

Im vorliegenden Fall unterliege der nach der Prozentmethode zu bemessende Unterhalt für das Kind keiner weiteren Kürzung. 10 bis 15 Jahre alte Kinder hätten nach der Prozentmethode Anspruch auf Unterhalt in Höhe von 20 % der Bemessungsgrundlage, wobei dieser Prozentsatz bei einer weiteren Sorgepflicht für ein bis 10 Jahre altes Kind um einen Prozentpunkt und einer Sorgepflicht für eine Ehegattin je nach deren Eigeneinkommen um null bis drei Prozentpunkte zu kürzen sei. Aufgrund der teilweisen Unterhaltspflicht des Vaters für seine Ehefrau sei diese weitere Sorgepflicht mit einem Abzug von einem Prozentpunkt zu berücksichtigen, die weitere Sorgepflicht für seinen (im Juni 2016 geborenen) Sohn führe zu einem Abzug eines Prozentpunkts. Der Unterhaltsanspruch seines Kindes mache daher 18 % der Bemessungsgrundlage von 1.516 EUR aus, das seien 273 EUR. Unter Berücksichtigung des Grenzsteuersatzes von 35 % ergebe sich unter Heranziehung der Formel für die Berechnung des allenfalls durch Anrechnung der Transferleistungen zu kürzenden Unterhalts, dass keine Kürzung des Unterhalts durch Anrechnung von Transferleistungen eintrete (273 EUR – [273 EUR x 35 x 0,004] + 29 EUR + 125 EUR). In die Formel sei der auf das Monat umgelegte volle Familienbonus Plus eingesetzt worden, weil die Mutter nur ein monatliches Einkommen von 846 EUR beziehe und daher den Familienbonus Plus nicht in Anspruch nehmen könne. Dies führe aber nicht zu einer Erhöhung des Unterhalts über die nach der Prozentmethode ermittelten 273 EUR hinaus. Falle nämlich das Ergebnis der Berechnung nach dieser Formel höher aus als der Ausgangswert, werde der Unterhaltspflichtige schon durch die steuerlichen Absetzmöglichkeiten ausreichend entlastet. In diesem Fall sei der zivilrechtlich bemessene Unterhalt zuzusprechen. Der Unterhalt erhöhe sich maximal um jenen Betrag, um den er bisher zur Steuerentlastung gekürzt worden wäre. Selbst wenn der Vater aufgrund der Höhe seines Einkommens den Familienbonus Plus nicht in voller Höhe in Anspruch nehmen könne, komme es aufgrund der geringen Kürzung des Unterhalts nach der bisherigen Formel zu keiner Unterhaltskürzung mehr.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil zur Frage der Unterhaltsbemessung im Zusammenhang mit dem Familienbonus Plus noch keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung existiere und in der Lehre dazu sehr unterschiedliche Ansichten vertreten würden.

Nur gegen den abändernden Teil der Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Kindes mit dem Antrag, den monatlichen Unterhaltsbeitrag seines Vaters beginnend ab 1. 2. 2019 lediglich auf 318 EUR herabzusetzen. Nach seiner Ansicht senke der Familienbonus Plus die Steuerlast des Unterhaltspflichtigen und erhöhe damit sein verfügbares Nettoeinkommen. Aus diesem Grund sei der Unterhaltsbemessungsgrundlage der für alle Kinder gewährte Familienbonus Plus hinzuzurechnen. Ausgehend von einer monatlichen Unterhaltsbemessungsgrundlage von 1.766 EUR (1.516 EUR + 125 EUR für das unterhaltsberechtigte Kind + 125 EUR für den weiteren Sohn) und einem Unterhaltsanspruch von 18 % sei nur eine Herabsetzung auf 318 EUR monatlich berechtigt.

Der Vater hat keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst mit ausführlicher Begründung zur Unterhaltsbemessung von Kindern bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres klargestellt (4 Ob 150/19s), dass es sich beim Familienbonus Plus – so wie beim Unterhaltsabsetzbetrag – um einen echten Steuerabsetzbetrag handelt. Der Gesetzgeber habe den Familienbonus Plus mit der Zielsetzung eingeführt, die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung der Geldunterhaltspflichtigen nunmehr durch die steuergesetzlichen Maßnahmen Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag herbeizuführen. Dadurch finde eine Entkoppelung von Unterhalts- und Steuerrecht statt, weshalb es der (teilweisen) Anrechnung der Transferleistungen (zB Familienbeihilfe) auf Geldunterhaltsverpflichtungen nicht mehr bedürfe. Der Familienbonus Plus sei nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, solle er doch nach der Zielrichtung des Steuergesetzgebers in generalisierender Betrachtungsweise dazu dienen, das Einkommen des Geldunterhaltspflichtigen, aus dem der Unterhalt geleistet werde, nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs steuerfrei zu stellen, welches Ziel nur erreicht werden könne, wenn der entsprechende Betrag dem Unterhaltspflichtigen verbleibe. Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag blieben damit unterhaltsrechtlich neutral.

Dieser Rechtsansicht schließt sich der erkennende Senat an.

2. Nach den dargelegten Grundsätzen hat das Rekursgericht den Familienbonus Plus (für das Kind und einen weiteren Sohn des unterhaltspflichtigen Vaters) bei der Unterhaltsbemessung im Ergebnis zu Recht nicht berücksichtigt. Dem Revisionsrekurs des Kindes ist daher der Erfolg zu versagen.

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