European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00051.19M.1216.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Über das Vermögen des Schuldners wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 5. 10. 2011 das Abschöpfungsverfahren eingeleitet. Im Laufe des Verfahrens erreichte der Schuldner eine Quote von rund 6,5 % der Insolvenzforderungen.
Nach Ablauf der Abtretungserklärung forderte das Erstgericht den Schuldner mit Beschluss vom 6. 11. 2018 auf, binnen drei Wochen einen Antrag gemäß § 213 Abs 2 IO oder § 280 IO zu stellen, andernfalls werde das Abschöpfungsverfahren ohne Restschuldbefreiung beendet. Der Schuldner reagierte auf diesen ihm am 9. 11. 2018 eigenhändig zugestellten Beschluss nicht.
Nach Ablauf der gesetzten Frist erklärte das Erstgericht mit Beschluss vom 17. 12. 2019 das Abschöpfungsverfahren für beendet und sprach aus, dass dem Schuldner eine Restschuldbefreiung nicht erteilt werde. Mangels Erfüllung der Mindestquote komme für den Schuldner nur eine Restschuldbefreiung nach § 213 Abs 2 IO aF bzw nach § 280 IO in Frage, die aber jeweils nur über Antrag zu gewähren seien.
Verbunden mit seinem Rekurs gegen diesen Beschluss stellte der Schuldner den Antrag, ihm gemäß § 280 IO die Restschuldbefreiung zu erteilen.
Das Rekursgericht gab seinem Rechtsmittel Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass es die Restschuldbefreiung aussprach.
In seiner Begründung führte das Rekursgericht aus, dass sowohl § 213 Abs 2 bis 4 IO aF als auch § 280 IO zwar einen Antrag des Schuldners als Entscheidungsvoraussetzung nennen, aber nicht geregelt sei, was zu geschehen habe, wenn kein Antrag gestellt werde.
Nach den Materialien zum IRÄG 2017 solle durch den neu geschaffenen § 280 IO eine Restschuldbefreiung nicht mehr von Billigkeitserwägungen gemacht werden. Es sei davon auszugehen, dass die Varianten des § 213 Abs 2 bis 4 IO bei Unterschreiten der Mindestquote überhaupt nicht mehr anzuwenden seien, sondern nur die Übergangsbestimmung des § 280 IO. Das darin ausdrücklich enthaltene Erfordernis eines Antrags könne in historisch-teleologischer Interpretation auf die Verkürzung des Abschöpfungsverfahrens nach § 280 2. Fall IO reduziert werden.
Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil zur Frage einer amtswegigen Restschuldbefreiung nach § 280 IO noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss erhobene Revisionsrekurs eines Insolvenzgläubigers ist aus dem vom Rekursgericht dargelegten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Der mit dem IRÄG 2017, BGBl I 122/2017, neu geschaffene § 280 IO mit dem Titel „Anhängige Abschöpfungsverfahren“ lautet wörtlich:
„Nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung ist auf Antrag des Schuldners das Abschöpfungsverfahren zu beenden, wenn die Abtretungserklärung abgelaufen ist oder seit dem 1. November 2017 fünf Jahre der Abtretungserklärung abgelaufen sind. § 213 Abs 1 zweiter bis vierter Satz in der vor dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2017 vorgesehenen Fassung sind anzuwenden . “
Nach § 279 Abs 3 IO ist § 213 idF des IRÄG 2017 anzuwenden, wenn der Antrag auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens nach dem 31. 10. 2017 bei Gericht einlangt. Für die Beendigung bereits anhängiger Abschöpfungsverfahren und die Erteilung der Restschuldbefreiung gelten weiterhin die früheren Bestimmungen. Hinzugetreten ist aber in diesen Verfahren die Option eines Antrags gemäß § 280 IO, mit dem nach Maßgabe der Übergangsfrist die Gesamtdauer des Abschöpfungsverfahrens sukzessive verkürzt und die Restschuldbefreiung ohne Mindestquote ermöglicht wird.
Der Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass die Varianten des § 213 Abs 2 bis 4 IO ab der Anwendbarkeit des § 280 IO idF IRÄG 2017 nicht mehr anzuwenden seien, ist mit der Maßgabe beizutreten, dass ihnen – im Unterschied zu § 213 Abs 1 Z 1 und 2 IO aF (vgl 8 Ob 99/18v) – nur mehr theoretische Bedeutung zukommt. Bei einem Schuldner, der seine Restschuldbefreiung nach § 280 IO nun auch bei Nichterreichen der 10%igen Quote ohne Nachweis von Billigkeitsgründen sofort erreichen kann, ist ein Interesse an einer Antragstellung nach § 213 Abs 2 bis 4 IO praktisch kaum denkbar.
Sowohl nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des IRÄG 2017 als auch nach § 213 Abs 1 IO idgF waren und sind aber die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und die Restschuldbefreiung bei Eintreten der gesetzlichen Voraussetzungen von Amts wegen auszusprechen.
Das vormalige Quotenerfordernis ist nach § 280 IO auch in den bei Inkrafttreten der Novelle anhängigen, noch nicht beendeten Abschöpfungsverfahren weggefallen. Dem Rekursgericht ist daher zuzustimmen, dass – wenn, wie hier, eine auf sieben Jahre befristete Abtretungserklärung abgelaufen ist und der Schuldner keine vorzeitige Beendigung im Sinn des ersten Satzes des § 280 IO anstrebt – kein erkennbarer Gesetzeszweck für die Notwendigkeit einer Antragstellung auf Restschuldbefreiung nach § 280 IO spricht. Ein solcher Antrag wäre nur ein redundanter Formalakt, weil er ohnehin keiner Begründung bedürfte und das bereits mit dem Antrag auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens nach § 199 Abs 1 IO erklärte Verfahrensziel, die Restschuldbefreiung zu erlangen, lediglich wiederholt würde.
Der auf den ersten Blick insoweit unklare Wortlaut des § 280 IO steht diesem Interpretationsergebnis nicht entgegen. Das Erfordernis der Antragstellung durch den Schuldner bezieht sich, wie schon das Rekursgericht dargelegt hat, grammatikalisch auf die im selben Satz enthaltenen Regelungen zur Verfahrensbeendigung. Ein eindeutiger Zusammenhang mit dem zweiten Satz des § 280 IO in dem Sinn, dass auch die Anwendung allein dieser Übergangsbestimmung in den anhängigen Verfahren eines Antrags bedürfte, besteht nicht.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Schuldner mit dem Ablauf der siebenjährigen Abtretungserklärung die in § 280 IO normierten Voraussetzungen für eine Restschuldbefreiung erfüllt hatte. Es lag auch kein offener Einstellungsantrag eines Gläubigers vor. Die Restschuldbefreiung war in diesem Fall von Amts wegen zu erteilen.
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