OGH 14Os116/19v

OGH14Os116/19v3.12.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Dezember 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Jäger in der Strafsache gegen Daniel W***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Geschworenengericht vom 18. Juli 2019, GZ 17 Hv 41/19h‑85, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00116.19V.1203.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Daniel W***** der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (1) und des Mordes nach § 75 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er in L***** M***** P*****

1) am 10. September 2018 durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Handlung, nämlich zum Hinsetzen und zur Abstandnahme von Hilferufen genötigt, indem er ein Küchenmesser schwang, während er auf sie zuging, sie dabei wiederholt aufforderte, sich hinzusetzen und schließlich ankündigte, widrigenfalls ihre Söhne R***** und Ma***** umzubringen, wobei er mit dem Messer in die Richtung ihres Sohnes R***** lief, der sich in seinem Zimmer befand;

2) am 7. Oktober 2018 vorsätzlich getötet, indem er ihr mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 9 cm zumindest 25 Stiche gegen ihren Oberkörper, ihren Bauchraum und ihren Rücken versetzte.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 345 Abs 1 Z 6 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Gesetzeskonforme Geltendmachung des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes verlangt vom Beschwerdeführer nicht nur die deutliche und bestimmte Bezeichnung der vermissten Fragen, sondern auch jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen, vorliegend somit eines die begehrten Eventualfragen indizierenden Tatsachensubstrats (RIS-Justiz RS0117447; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23). Diesen Anfechtungskriterien wird die Beschwerde nicht gerecht.

Indem sie zur Hauptfrage 1 aus einer Passage der – insoweit gänzlich leugnenden – Verantwortung des Beschwerdeführers (wonach das Tatopfer „nach dem Vorfall“ – wahrheitswidrig – geschrien habe: „der will uns alle umbringen, er hat ein Messer in der Hand“; ON 14 S 9 ff) und aus den Angaben der Zeugen Martin S***** und Ma***** P*****, die – ohne Tatzeugen zu sein – über Äußerungen der M***** P***** (bloß) zu einer Bedrohung mit einem Messer berichteten (ON 14 [richtig:] S 15 ff; ON 84 S 7 f und 9 f), den Schluss zieht, aus keiner dieser Aussagen ließe sich ableiten, dass das Opfer zu einer Handlung oder Unterlassung genötigt wurde oder werden sollte (vgl im Übrigen die Depositionen des Tatopfers anlässlich dessen polizeilicher Vernehmung; ON 14 S 25 ff), und auf dieser Basis die Stellung einer Eventualfrage in Richtung des Vergehens der gefährlichen Drohung nach „§ 107 StGB“ reklamiert, spricht sie kein die begehrte Frage nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung ernsthaft indizierendes Sachverhaltssubstrat an.

Soweit die Rüge weiters Eventualfragen zu den Hauptfragen 1 und 2 nach Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller

Berauschung (§ 287 Abs 1 StGB) einfordert, dazu aber bloß auf die „Persönlichkeitsstruktur“ und den „Charakter“ des Beschwerdeführers, (zu 1) auf eine angebliche Bestätigung eines zum Tatzeitpunkt vorgelegenen Zustands „der Alkoholisierung bzw Berauschung“ durch „sämtliche Zeugen und alle Sachverständigen“ und (zu 2) auf „die vorliegenden Beweisergebnisse“ und die „Angaben der beigezogenen Sachverständigen“ zu einer Alkoholisierung und einer Beeinträchtigung des Angeklagten durch Rizinsamen (vgl im Übrigen die – eine „volle alkoholische oder Drogenberauschung“ verneinende – Expertise des Sachverständigen Univ.‑Doz. Dr. Peter H*****, ON 57 S 35; ON 62 S 53; vgl auch ON 84 S 14) verweist, ohne– durch genaue Angabe der Fundstelle (§§ 344 zweiter Satz, 285 Abs 1 zweiter Satz StPO) – einen aktenmäßigen Bezug zu in der Hauptverhandlung vorgekommenen konkreten Verfahrensergebnissen herzustellen, verfehlt sie gleichfalls die prozessordnungskonforme Darstellung des Nichtigkeitsgrundes der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO (

RIS-Justiz

RS0124172

; RS0119417 [insb T2 und T3]).

Bleibt anzumerken, dass der Tatbestand des § 287 StGB Zurechnungsunfähigkeit voraussetzt (vgl § 287 Abs 1 erster Satz StPO). Daraus folgt, dass für den – hier nicht vorliegenden – Fall einer durch Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 iVm § 302 Abs 1 StPO) indizierten vollen Berauschung des Angeklagten im jeweiligen Tatzeitpunkt im Sinn des Dreifragenschemas zwingend (jeweils) auch eine Zusatzfrage nach dem korrespondierenden Schuldausschließungsgrund (§ 11 StGB) gemäß § 313 StPO zu stellen ist, wobei die Eventualfrage nach dem Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nur bei Bejahung dieser Zusatzfrage zu beantworten ist. Die zur Hauptfrage 2 gestellte Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit haben die Geschworenen aber vorliegend verneint (US 2; vgl zum Ganzen Lässig, WK-StPO § 313 Rz 13, § 317 Rz 13; RIS-Justiz RS0089704, RS0100558).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte