European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0220DS00002.19T.1106.000
Spruch:
In Stattgebung der Berufung wird das angefochtene Erkenntnis aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an den Disziplinarrat der Tiroler Rechtsanwaltskammer zurückverwiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ***** (richtig) mehrerer Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt schuldig erkannt.
Danach hat sie mit Honorarnoten
(1) vom 4. April 2017, Nr 17/25, für die Errichtung und die grundbücherliche Druchführung eines Kaufvertrags zwischen der Verkäuferin Caroline A***** sowie den Käufern Robert K***** und Margreth S***** entgegen einer verbindlichen Honorarvereinbarung nicht nur 4.350 Euro, sondern darüber hinaus und solcherart sowohl vereinbarungswidrig als auch überhöht zusätzliche Honorarteile in Rechnung gestellt, nämlich „unter dem Titel
a) | 05. 02. 2017 | Namensranganmerkung N 20 netto | EUR 870,50 |
b) | 05. 02. 2017 | Schreiben an Sparkasse wegen Eröffnung Anderkonto TP 5 netto | EUR 87,10 |
c) | 05. 02. 2017 | Namensranganmerkung GB‑Gesuch TP 2 | EUR 539,80 |
d) | 23. 03. 2017 | Grundbuchsgesuch für Pfandbe-stellung RLB TP 2 | EUR 509,80 |
welches Begehren gemeinsam mit dem Begehren um Einverleibung des Eigentumsrechts überreicht wurde“, sowie
(2) vom 6. April 2017 in der zu 1 genannten Kaufvertragssache der Caroline A***** für die Berechnung und die Abführung der Immobilienertragsteuer ein überhöhtes Honorar von 1.922,58 Euro in Rechnung gestellt, indem sie die Abrechnung unter Anwendung der TP 3 des RATG vornahm, obwohl gemäß § 8 Abs 6 AHK bloß die Verrechnung nach TP 1 (211,68 Euro) oder TP 2 (971,64 Euro) des RATG zulässig war.
Rechtliche Beurteilung
Wie die dagegen wegen Vorliegens von Nichtigkeitsgründen und wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung der Beschuldigten im Ergebnis zutreffend aufzeigt, tragen die Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses die vorgenommene Subsumtion nicht (der Sache nach Z 9 lit a):
Zum Schuldspruch 1 stellt der Disziplinarrat fest, dass die Beschuldigte mit dem Immobilienmakler Franz Sc***** (der den in Rede stehenden Kaufvertrag vermittelt hatte) „ausschließlich für die Errichtung und grundbücherliche Durchführung des Vertrages“ ein Nettohonorar von 1,5 % des Kaufpreises vereinbart und „Herrn Sc***** ausdrücklich darauf hingewiesen“ habe, dass „alle weiteren Leistungen, welche dazukämen, von ihr als Einzelleistungen zusätzlich verrechnet“ werden, worauf Herr Sc***** „nicht reagiert“ habe (ES 6 f).
Diese Feststellungen lassen nicht erkennen, welche konkreten Leistungen die Beschuldigte und Franz Sc***** als von dem 1,5%igen Nettohonorar umfasst vereinbarten und tragen solcherart die rechtliche Ableitung vereinbarungswidriger Honorarabrechnung nicht.
Entsprechendes gilt für die Feststellungen zum Schuldspruch 2, die den tatsächlichen Aufwand der Beschuldigten anlässlich der Berechnung und der Abführung der Immobilienertragsteuer nicht darlegen.
Demzufolge war in Stattgebung der Berufung gemäß § 54 Abs 2 DSt das angefochtene Erkenntnis aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an den Disziplinarrat zurückzuverweisen.
Im zweiten Rechtsgang werden zu 1 nach Vernehmung des Franz Sc***** als Zeugen und der Beschuldigten konkrete Feststellungen darüber zu treffen sein, welche Leistungen als vom Pauschalhonorar umfasst vereinbart wurden. Auf dieser Basis wird sodann die allfällige Verwirklichung der objektiven und der subjektiven Tatseite durch entsprechende Feststellungen zu klären sein.
Zu 2 werden nach Vernehmung der Beschuldigten und allenfalls gebotener Beischaffung von Urkunden Feststellungen zum tatsächlichen Aufwand bezüglich der Berechnung und der Abführung der Immobilienertragsteuer zu treffen sein. Sofern diese zu einer nach den Ansätzen des RATG überhöhten Honorarverrechnung führen, wird auch insoweit die allfällige Verwirklichung der objektiven und der subjektiven Tatseite durch Feststellungen zu klären sein.
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