European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00103.19G.1007.000
Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alexandra T***** je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (A/), des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (B/) und des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 dritter Fall, Abs 2 Z 2 SMG (C/) schuldig erkannt.
Danach hat sie in B***** und an anderen Orten
„von Sommer 2016 bis November 2016 teilweise als Beteiligte nach § 12 zweiter und dritter Fall StGB, teilweise als unmittelbare Täterin vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Roland und David Ta*****, Branislav D***** und Samuel Ta***** als Mittäter (§ 12 StGB), als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung
A/ von Juli 2016 bis zumindest 10. November 2016 in vielfachen Angriffen
1./ dadurch, dass Roland Ta***** bei dem abgesondert verfolgten Milan Da*****, welcher unbekannte Täter als Drogenkuriere mit der Lieferung des Suchtgifts von der Slowakei nach Österreich beauftragte, Piko zu einem Grammpreis von 20 Euro kaufte, dazu bestimmt, insgesamt ca 6.000 Gramm brutto Piko mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 42,3 % an Metamphetamin, sohin insgesamt 2.538 Gramm netto Piko, von der Slowakei nach Österreich einzuführen;
2./ von Sommer 2016 bis zumindest 27. Oktober 2016 in wiederholten Angriffen dadurch, dass Roland Ta***** bei dem abgesondert verfolgten Jozef S*****, der wiederum bei dem abgesondert verfolgten Andrej Sc***** in B*****, welcher bislang unbekannte Täter als Drogenkuriere mit der Lieferung des Suchtgifts von der Slowakei nach Österreich beauftragte, Piko zu einem Grammpreis von 20 Euro bestellte und kaufte, dazu bestimmt, insgesamt rund 4.000 Gramm brutto Piko mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 42,3 % an Methamphetamin, sohin insgesamt 1.692 Gramm netto Piko, von der Slowakei nach Österreich einzuführen, wobei Jozef S***** ca 600 Gramm brutto Piko persönlich an Roland Ta***** übergab, ca 3.400 Gramm brutto Piko wurden von den Drogenkurieren in M***** hinterlegt;
B/ von Sommer 2016 bis Mitte November 2016 in B*****, H*****, S***** und W***** in vielfachen Angriffen insgesamt rund 10.000 Gramm brutto Piko mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 42,3 % an Methamphetamin, sohin insgesamt 4.230 Gramm netto Piko zu einem Grammpreis von 25 Euro durch gewinnbringenden Verkauf anderen überlassen, indem Roland Ta***** das Suchtgift teilweise selbst verkaufte, teilweise David und Samuel Ta*****, Branislav D***** und Alexandra T***** dazu bestimmte, die Suchtgiftverkäufe vorzunehmen, und zwar
1./ insgesamt rund 4.000 Gramm brutto Piko mit einem durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von zumindest 42,3 % an Methamphetamin, sohin 1.692 Gramm netto Piko an“ drei im Urteil namentlich genannte Abnehmer;
2./ bis 9./ insgesamt 2.538 Gramm netto Piko in vielfachen Angriffen an im Urteil namentlich genannte und unbekannt gebliebene Abnehmer;
„C/ durch die unter Punkt B/ 2./ bis 7./ und 9./ genannten strafbaren Handlungen der slowakischen Abnehmer einen Beitrag zur Ausfuhr des Suchtgifts von Österreich in die Slowakei gesetzt, indem sie wusste, dass die Abnehmer lediglich zum Zwecke des Suchtgiftankaufs nach Österreich kamen und das Bundesgebiet gleich danach wieder verließen.“
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpft die Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.
Zutreffend macht die Beschwerdeführerin einen Rechtsfehler mangels Feststellungen (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) geltend, weil den Entscheidungsgründen keine hinreichende Sachverhaltsgrundlage für die Subsumtion nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG zu entnehmen ist.
Die rechtliche Annahme der Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung (§ 28a Abs 2 Z 2 SMG) setzt Feststellungen zu sämtlichen der in § 278 Abs 2 StGB genannten Vereinigungsmerkmalen voraus, nämlich zu einem auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung ein oder mehrere Verbrechen (oder andere in § 278 Abs 2 StGB aufgezählte strafbare Handlungen) ausgeführt werden. Vorausgesetzt ist eine Einigung aller Mitglieder im Sinn eines „Gesamtwillens“ (Schwaighofer in WK2 SMG § 27 Rz 79 ff).
Mit den Urteilskonstatierungen, wonach die Angeklagte „zur Durchführung der Suchtgiftabholungen, -auslieferungen und -verkäufe mit Roland Ta*****, David Ta*****, teilweise Samuel Ta***** und Branislav D***** über ca vier Monate als Gruppe arbeitsteilig zusammenarbeitete“ (US 4 letzter Absatz) und sie sich „mit Roland und David Ta***** und Branislav D***** für eine längere Zeit zusammenschließen wollte, um Suchtgifthandel mit Methamphetamin zu betreiben“ (US 6 dritter Absatz), werden keine Feststellungen zum zeitlichen Element getroffen, wonach diese Vereinigung (nicht bloß faktisch, sondern aufgrund ausdrücklicher – zumindest konkludenter – Willensäußerungen) auf längere Zeit angelegt ist (RIS-Justiz RS0125232; Plöchl in WK2 StGB § 278 Rz 5, 8 ff), worauf die Beschwerde zu Recht verweist.
Des Weiteren stellt die Konstatierung des intendierten „Suchtgifthandels mit Methamphetamin“ keine ausreichende Sachverhaltsgrundlage für eine in der Begehung von in § 278 Abs 2 StGB genannten strafbaren Handlungen (hier: von Verbrechen) gelegene kriminelle Zielsetzung der Vereinigung dar (für viele: 14 Os 100/16m).
Demnach reichen die Urteilskonstatierungen für die Annahme der Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG zu den Schuldsprüchen A/ bis C/ nicht aus.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) vom Vorliegen einer weiteren der Angeklagten zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) in Ansehung der Schuldsprüche A/ bis C/.
Soweit fallbezogen von Bedeutung traf das Erstgericht – über die oben angeführten Konstatierungen hinaus – folgende Feststellungen zu den Tathandlungen der Angeklagten (US 4–6):
Von Juli bis 10. November 2016 lieferte Milan Da***** insgesamt 2.538 Gramm netto Methamphetamin aus der Slowakei nach M*****. In der Folge holten es Roland Ta*****, David Ta***** und Branislav D***** in unterschiedlichen Besetzungen ab. Die Geldbeträge für das gelieferte Piko übergaben die Angeklagte, David Ta***** oder Roland Ta***** Milan Da***** persönlich. Dabei bestellten sie die nächste Suchtgiftlieferung und legten den folgenden Übergabezeitpunkt fest. Jozef S***** übergab bzw ließ von unbekannten Drogenkurieren, die das Suchtmittel aus der Slowakei nach Österreich einführten, von Sommer bis November 2016 insgesamt 1.692 Gramm netto Methamphetamin an Roland und David Ta***** und Branislav D***** übergeben. Roland Ta***** fungierte als Kopf der Vereinigung. Er schickte David und Samuel Ta*****, Branislav D***** und bis zur Trennung (US 3 – im Oktober 2016) auch die Angeklagte in seinem Auftrag mit der Ware aus und instruierte sie, wie viel Piko an welchen Abnehmer zu welchem Preis zu übergeben war. Die Auslieferungen, Verkäufe und Einkäufe wurden in unterschiedlichen Zusammensetzungen getätigt. Die Angeklagte unternahm Fahrten für Roland Ta*****. Durchschnittlich verkaufte die Gruppe etwa 40 Gramm brutto Piko täglich an acht bis zehn Abnehmer.
Die Angeklagte bzw Roland und David Ta***** sowie Branislav D***** und Samuel Ta***** verkauften im Sommer 2016 bis zu ihrer Festnahme in mehrfachen Angriffen zumindest 4.230 Gramm netto Methamphetamin an diverse Abnehmer. Nach dem Ankauf verließen die (in den Entscheidungsgründen auf US 5 näher bezeichneten, „extra aus der Slowakei angereisten“) Abnehmer das Bundesgebiet und führten das Suchtmittel damit aus Österreich aus. Die Angeklagte wollte durch ihr bewusstes und gewolltes Zusammenwirken mit den bereits rechtskräftig Verurteilten (Roland und David Ta***** und Branislav D*****) den Milan Da***** und Jozef S***** zur Ausfuhr von Suchtgiften aus der Slowakei nach Österreich bestimmen. Die Angeklagte wollte das Suchtgift durch gewinnbringenden Verkauf anderen überlassen.
§ 12 StGB regelt, dass nicht nur der unmittelbare Täter die strafbare Handlung begeht, sondern jeder, der einen anderen dazu bestimmt, sie auszuführen, oder der sonst zu ihrer Ausführung beiträgt. Unmittelbarer Täter nach § 12 erster Fall StGB ist, wer eine dem Wortlaut des Tatbestands entsprechende Ausführungshandlung setzt. Dies gilt nicht nur für den Alleintäter, sondern auch für im bewussten und gewollten Zusammenwirken handelnde Mittäter, von denen jeder eine tatbildliche Ausführungshandlung setzen muss, um den gesamten – von seinem Vorsatz umfassten – Erfolg zu verantworten (RIS-Justiz RS0117320; Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 24 ff). Bestimmungstäter (§ 12 zweiter Fall StGB) ist, wer einen anderen zur Ausführung einer strafbaren Handlung veranlasst, dh dafür ursächlich wird, dass sich ein anderer zu ihrer Ausführung entschließt, mag er auch schon zur Begehung einer (individuell noch nicht bestimmten) Straftat grundsätzlich bereit gewesen sein (Fabrizy,StGB13 § 12 Rz 9 mwN). Bestimmungstäter, die in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken arbeitsteilig Bestimmungshandlungen zu einer strafbaren Handlung setzen, haften jeder für sich nach § 12 zweiter Fall StGB (RIS-Justiz RS0117320 [T5]; Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 48). Beitragstäterschaft (§ 12 dritter Fall StGB) erfordert ein vor oder während der Ausführung geleistetes und für den Tatablauf kausales Verhalten, das die Ausführung der strafbaren Handlung durch einen anderen ermöglicht, erleichtert, absichert oder in anderer Weise fördert (vgl Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 81 ff; RIS-Justiz RS0090508, RS0090488).
Ausgehend davon haften den Schuldsprüchen A/ bis C/ Rechtsfehler mangels Feststellungen an, da den Entscheidungsgründen ausreichend konkretisierte Tathandlungen der Angeklagten iSd § 28a Abs 1 SMG zur Einfuhr von Suchtgift von der Slowakei nach Österreich (A/), zur Überlassung von Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge (B/) und daraus folgend zu dem in echter (Ideal‑)Konkurrenz verwirklichten Beitrag zur Ausfuhr von Suchtgift (C/ – vgl RIS-Justiz RS0131468 [T1]) nicht zu entnehmen sind.
Denn zu A/ blieb die Annahme einer Bestimmung des Milan Da***** und des Jozef S***** durch die Angeklagte (US 6) ohne hinreichenden Sachverhaltsbezug (RIS-Justiz RS0119090). Zu B/ lassen die Feststellungen nicht erkennen, auf welche konkreten Suchtgiftverkäufe und auf welche Suchtgiftquanten sich die der Angeklagten zurechenbaren Ausführungshandlungen beziehen, zumal die Feststellung eines „arbeitsteiligen Zusammenarbeitens als Gruppe“ für die Annahme der Tatbegehung „im bewussten und gewollten Zusammenwirken“, nicht ausreicht. Nur eine festgestellte Mittäterschaft bewirkt aber eine wechselseitige Haftung aller Mittäter für ihre Mitwirkung bei der Tatausführung, sodass jedem die Beiträge des anderen zugerechnet werden (RIS‑Justiz RS0089808; RS0090006). Aus dem Fehlen von Feststellungen zu B/ folgt überdies, dass auch der die idealkonkurrierende strafbare Handlung betreffende Schuldspruch C/ zu beheben war.
Das Urteil war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung zur Gänze aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).
Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.
Mit ihren Berufungen waren die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)