European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E126459
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Das Rekursgericht hat den Beschluss des Erstgerichts, mit dem die Anträge des Vaters auf Zuerkennung eines (endgültigen) Kontaktrechts, Ausdehnung des Kontaktrechts, Einholung eines psychologisch-kinderpsychologischen Gutachtens und Einholung einer neuerlichen Stellungnahme der Familien- und Jugendgerichtshilfe abgewiesen wurden (Punkt 1.) und das von den Eltern im Vergleich vom 10. 8. 2016 vereinbarte endgültige Kontaktrecht des Vaters sowie das einstweilige Kontaktrecht des Vaters, festgesetzt mit Beschluss vom 20. 9. 2017, ausgesetzt wurde (Punkt 2.), bestätigt. Seiner Entscheidung lagen die Feststellungen zugrunde, dass angesichts der Hochkonflikthaftigkeit der Eltern eine Gefährdung des Kindeswohls bei den ständig eskalierenden Übergabesituationen und den Konflikten zumeist über von den Eltern selbst verursachten Änderungen des Kontaktrechts besteht. Bei einer Fortsetzung der bisher direkten Übergaben würde für den (2014 geborenen) Minderjährigen ein erhebliches Risiko bestehen, in seiner sozio-emotionalen Entwicklung einen Schaden zu nehmen. Nahe Bezugspersonen konnten die Übergabesituation nicht kalmieren. Eine Besuchsmittlung durch die Familiengerichtshilfe scheiterte ebenso wie begleitete Übergaben der Kontakte in einem Besuchscafé. Sonst geeignete oder bereite Stellen oder Personen konnten vom Vater nicht genannt und vom Gericht nicht ausfindig gemacht werden.
Rechtliche Beurteilung
In seinem dagegen gerichteten außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt der Vater keine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG auf.
1. Seinen Erwägungen ist voranzustellen, dass eine Unterbindung des Kontakts zum nicht obsorgeberechtigten Elternteil in Ausnahmefällen aus besonders schwerwiegenden Gründen zulässig ist (RS0047955). Das in § 187 Abs 1 Satz 1 ABGB normierte Recht des Kindes und jedes Elternteils auf regelmäßige und den Bedürfnissen des Kindes entsprechende persönliche Kontakte (Kontaktrecht) ist ein allgemein anzuerkennendes, unter dem Schutz des Art 8 EMRK stehendes Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung (RS0047754 [T19]). Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Mindestmaß persönlicher Beziehungen eines Kindes zu beiden Elternteilen höchst erwünscht und wird im Dienste der gesunden Entwicklung des Kindes auch allgemein gefordert (RS0047754). Das Gericht hat jedoch nötigenfalls gemäß § 187 Abs 2 ABGB persönliche Kontakte einzuschränken oder zu untersagen, soweit dies insbesondere aufgrund der Anwendung von Gewalt gegen das Kind oder eine wichtige Bezugsperson geboten erscheint. Der Kontaktrechtsanspruch eines Elternteils hat daher im Konfliktfall gegenüber dem Kindeswohl stets zurückzutreten (RS0048068). Wenn die tatsächliche Ausübung des Kontaktrechts beim Kind merkbare und nicht bloß vorübergehende, seinem Wohl daher abträgliche Auswirkungen zeitigen sollte, sind die persönlichen Kontakte vorübergehend zu untersagen (RS0047950 [T7]). Eine Besuchsrechtsversagung ist dann zulässig, wenn zuvor alle gelinderen Mittel, die unter Wahrung des Kindeswohls eine Kontaktrechtsausübung ermöglichen sollen, ausgeschöpft wurden, dies etwa durch Einschaltung einer dritten Stelle wie etwa eines Kinderschutzzentrums oder Besuchscafés (5 Ob 219/17t mwN).
2. Der Vater vermisst in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs zunächst die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens. Ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des außerstreitigen Verfahrens erster Instanz bildet jedoch keinen Revisionsrekursgrund (RS0050037), sofern eine Durchbrechung dieses Grundsatzes aus Gründen des Kindeswohls nicht erforderlich ist (RS0050037 [T4]). Ein solches Erfordernis besteht hier nicht.
Richtig ist, dass im Allgemeinen bei gegebenen Anzeichen von schädlichen Auswirkungen der Ausübung des Besuchsrechts eine sorgfältige und fachkundige Untersuchung durch entsprechende Gutachtenseinholung notwendig ist (RS0047777). Dies schließt aber nicht aus, dass im Einzelfall auch eine fachliche Stellungnahme der Familiengerichtshilfe im Zusammenhang mit anderen Beweismitteln eine ausreichende Entscheidungsgrundlage bildet (5 Ob 219/17t ua). Ein genereller Grundsatz dahingehend, dass das Pflegschaftsgericht im Verfahren über die Feststellung des Kontaktrechts stets einen Sachverständigen beizuziehen hätte, besteht nicht (RS0006319 [T7]). Dem Pflegschaftsrichter kommt insoweit ein Beweisaufnahmeermessen zu (5 Ob 219/17t). Wenn das Erstgericht hier vor dem Hintergrund eines mehrjährigen Beobachtungszeitraums unter dem Eindruck der umfassenden Stellungnahme der Familiengerichtshilfe von einer unveränderten, mittlerweile verfestigten destruktiven Kommunikation der Eltern (zu dieser s auch 9 Ob 20/18h) ausging und deshalb kein weiteres Gutachten einholte, so liegt keine Überschreitung des genannten Beweisaufnahmeermessens vor, die das Rekursgericht zugunsten des Kindeswohls aufzugreifen gehabt hätte.
3. Soweit der Vater die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens im Besonderen zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Mutter vermisst, geht schon aus der Entscheidung des Rekursgerichts hervor, dass daraus nicht auf verbesserte Verhältnisse bei der Übergabe des Kindes zu schließen wäre.
4. Der Vater sieht den festgestellten Sachverhalt auch unrichtig rechtlich beurteilt und verweist darauf, dass zunächst gelindere Mittel, insbesondere die Möglichkeit eines Anti-Gewalt-Therapie-Trainings iSd § 107 Abs 3 AußStrG für beide Elternteile, auszuschöpfen gewesen wären. Selbst wenn bei der Anordnung von Maßnahmen iSd § 107 Abs 3 AußStrG an die Erfolgsaussichten keine strengen Anforderungen zu stellen sind (vgl RS0132054 [T1]), lägen jedoch noch keine geänderten Verhältnisse zur aktuellen Übergabesituation vor.
5. Der Vater vermisst auch die Berücksichtigung des Kontaktwunsches des Minderjährigen, zu dem eine Beweisaufnahme erfolgen und Feststellungen zu treffen gewesen wären.
Bei der Regelung des Kontaktrechts stellt der Wille des Kindes ein wichtiges, jedoch nicht allein maßgebliches Kriterium dar, da dieser nicht selten von außen beeinflusst ist und Schwankungen unterliegen kann. Je älter ein bereits einsichts‑ und urteilsfähiges Kind ist, desto eher wird seinem Wunsch zu entsprechen sein. Ein unmündiges Kind ist typischerweise nicht in der Lage, rational zu beurteilen, welche konkrete Ausgestaltung seiner zukünftigen Beziehungen zu den beiden Elternteilen für seine Entwicklung am Günstigsten ist (RS0047937 [T6, T7, T8]). So kann es bei der Regelung des Kontaktrechts auf die Stellungnahme eines unmündigen Kindes nicht entscheidend ankommen; es kann zwar auch einem unmündigen Kind die Fähigkeit, einen eigenen Willen zu bekunden, nicht abgesprochen werden, es fehlt aber die nötige Einsicht für eine Entscheidung, ob und inwieweit eine Besuchsregelung seinem Wohl und seinen Interessen förderlich ist (RS0047937). Die Wünsche Minderjähriger im Kontaktrechtsverfahren sind daher ein im Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren beachtliches Kriterium, von denen aber im Sinn des Kindeswohls abgewichen werden kann (RS0047937; s auch RS0047958). Hier kann den Feststellungen entnommen werden, dass das – nunmehr fünfjährige – Kind der Mutter gegenüber einen Kontaktwunsch äußert (Ersturteil S 5). Dies ändert allerdings nichts an den Feststellungen, dass die massiv konfliktträchtige Übergabesituation das Kindeswohl wie dargelegt gefährdet, sodass es derzeit einer amtswegigen Aussetzung des Kontaktrechts bedarf. Bei einem Kind dieses Alters muss auch keine Einsicht in diesen Umstand erwartet werden.
6. Da der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters damit insgesamt keine Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigt, ist er zurückzuweisen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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