OGH 15Os93/19v

OGH15Os93/19v11.9.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Leitner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sorin D***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster und dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. Mai 2019, GZ 34 Hv 8/19x‑118, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00093.19V.0911.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sorin D***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster und dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in der Nacht vom 24. auf den 25. April 2018 in W***** S***** K***** mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Duldung des Beischlafs und zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich zur Durchführung eines Oralverkehrs an ihm, genötigt, indem er sie einsperrte, ihr Faustschläge ins Gesicht und gegen den Körper sowie Fußtritte und Schläge mit einer Peitsche gegen den Körper versetzte, ihr Bissverletzungen zufügte und ihren Kopf zu seinem Penis drückte und festhielt, wobei die Tat eine an sich schwere Körperverletzung mit einer Gesundheitsschädigung von mehr als 24 Tagen zur Folge hatte, und zwar einen queren Gesichtsschädelbruch auf Höhe der Augenhöhlen beidseits und der Nasenwurzel mit Eröffnung beider Kieferhöhlen, Brüche der Augenhöhlenböden und des Nasengerüstes verbunden mit Blutunterlaufung der Augenlider und Einblutungen unter die Bindehaut, einen Vorfall des Fettgewebes aus der Augenhöhle durch den gebrochenen Augenhöhlenboden rechts in die Kieferhöhle, Einblutungen in die Nasennebenhöhlen mit Blutaustritt aus den Nasenöffnungen sowie frische Rippenbrüche beidseits, einen Hals‑ und Knochenabbruch des 1. Schneidezahnes links oben, Hautabschürfungen im Bereich des Halses, Bissverletzungen im Bereich der rechten Brustkorbseite, des rechten Oberbauches und des rechten Oberschenkels sowie Prellungen und Blutunterlaufungen im Bereich des gesamten Körpers, und S***** K***** durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt worden ist.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Vernehmung des Zeugen Miodrag G***** zum Beweis dafür, dass „Frau K***** an den Tagen vor dem gegenständlichen Vorfall auch Geschlechtsverkehr mit anderen Männern hatte und freiwillig mit Männern in deren Wohnung ging um dort zu übernachten und zu trinken“ (ON 117 S 15), Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Der Beweisantrag ließ nämlich nicht erkennen, weshalb das beantragte Beweismittel geeignet sein sollte, eine erhebliche Tatsache zu beweisen (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO). Zudem machte der Antrag nicht klar, warum der Zeuge – dessen Aussage vor der Polizei (ON 45 S 35 ff) im Übrigen in der Hauptverhandlung einvernehmlich verlesen wurde (ON 117 S 15) – Wahrnehmungen zum Verkehr des Opfers mit anderen Männern haben sollte.

Das nachträgliche Vorbringen im Rechtsmittel ist angesichts der auf Nachprüfung der erstgerichtlichen Vorgangsweise angelegten Konzeption dieses Nichtigkeitsgrundes und des damit für die Prüfung eines Zwischenerkenntnisses verbundenen Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618).

Dass das Erstgericht die Anwesenheit einer weiteren Frau („Kristina“) in der Tatnacht – wie von der Zeugin K***** berichtet – „nicht zweifelsfrei“ feststellen konnte (US 13), betrifft keine entscheidende Tatsache, sodass die Einwände mangelnder Begründung und „aktenwidrigen Widerspruchs“ (Z 5 vierter und fünfter Fall) von vornherein ins Leere gehen.

Der Nichtigkeitsgrund nach Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs‑ und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen (RIS‑Justiz RS0119583).

Mit dem Hinweis auf Divergenzen in den Angaben des Tatopfers sowie auf dessen frühere Verurteilungen wegen Vergehen der Verleumdung (§ 297 Abs 1 StGB) und der falschen Beweisaussage (§ 288 Abs 1 StGB; vgl dazu die Erwägungen der Tatrichter US 9 f) gelingt es der Beschwerde nicht, solche erheblichen Bedenken beim Obersten Gerichtshof zu erwecken.

Soweit die Beschwerde rügt, dass „die Erhebungen des Gerichts rund um diese 'Kristina' durchwegs mangelhaft geblieben sind“, macht sie nicht klar, wodurch der anwaltlich vertretene Angeklagte gehindert gewesen wäre, in der Hauptverhandlung entsprechende Beweisanträge zu stellen (RIS‑Justiz RS0115823; zu den Ausforschungsbemühungen der LPD Wien vgl im Übrigen ON 18 und 55).

Schließlich spricht das Rechtsmittel mit dem Verweis auf eine Aussage des medizinischen Sachverständigen, die Rippenbrüche könnten auch Folge eines Sturzes in oder aus der Dusche sein, im Hinblick auf die anderen festgestellten tatkausalen Verletzungen keinen entscheidenden Umstand an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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