OGH 8Ob79/19d

OGH8Ob79/19d29.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* S*, vertreten durch Dr. Christian Függer, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagten Parteien 1. M* E*, 2. J* E*, beide *, beide vertreten durch Dr. Gerhard Taufner, Mag. Johann Huber, Dr. Melanie Haberer, Rechtsanwälte in Melk, wegen Leistungen (Revisionsinteresse 11.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 24. April 2019, GZ 21 R 239/18g‑96, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 18. September 2018, GZ 7 C 306/15i‑84, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E126187

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit 946,39 EUR (darin 157,73 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Kläger, bei dem es sich um den Vater der Erstbeklagten und den Schwiegervater des Zweitbeklagten handelt, hat aufgrund eines Übergabsvertrags vom 28. 5. 2010 ein verbüchertes Wohnungsgebrauchsrecht sowie ein verbüchertes „Ausgedinge“ ob der im Hälfteeigentum der Beklagten stehenden Liegenschaft. Auch die Beklagten leben in einer separaten Wohnung an der gleichen Adresse. Insbesondere seit dem Tod der Gattin des Klägers im Jahre 2013 gibt es massive Streitigkeiten und Zerwürfnisse innerhalb der Familie.

Das „Ausgedinge“ des Klägers umfasst laut Vertragstext die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger eine bestimmte Wohnung unentgeltlich zur Verfügung zu stellen und die benützte Wohnung in stets gut bewohnbarem Zustand zu erhalten. Der Kläger ist aufgrund des Vertrags auch berechtigt, den Garten und die Hauswasserleitung zu benützen, die das Wohnungsrecht betreffenden Räumlichkeiten frei und ungehindert zu betreten, sich auf dem gesamten Vertragsobjekt frei zu bewegen und jederzeit Besuche zu empfangen und auch vorübergehend zu beherbergen.

Die Wasserversorgung der Liegenschaft erfolgt durch eine Quelle auf Eigengrund. Das Quellwasser wird in ein Wasserreservoir mit 4.000 l Fassungsvermögen geleitet, zusätzlich bestehen zwei weitere Wasserbehälter mit je 2.000 l Inhalt. Zu dem vom Kläger bewohnten Teil des Objekts gibt es eine eigene Wasserleitung, die man unabhängig von der Wasserleitung, die der Versorgung der Beklagten dient, absperren kann.

Ab 2013 bis Juni oder Juli 2015 kam es vier- bis fünfmal vor, dass der Kläger während der berufsbedingten Abwesenheit der Beklagten das Wasserreservoir ausrinnen ließ und Wasser mit einer Pumpe aus dem Reservoir abpumpte und im Schotterbereich daneben versickern ließ. Die Beklagten hatten dann kein Wasser mehr zur Verfügung. Die Beklagten sprachen den Kläger darauf an und forderten ihn auf, dieses Verhalten zu unterlassen, aber ohne Erfolg. Die Beklagten drehten daher im Juni oder Juli 2015 den Hauptwasserhahn für die Wasserleitung des Klägers ab und versperrten die Tür zu dem Raum, in dem sich das Wasserreservoir und der Hauptwasserhahn für die Leitung des Klägers befinden, sodass er die Wasserleitung auch nicht mehr aufdrehen konnte. Seit dieser Zeit hat der Kläger keine Möglichkeit mehr, auf der streitgegenständlichen Liegenschaft Wasser zu beziehen.

In dem vom Kläger bewohnten Gebäudeteil stehen seit dem Winter 2015 mehrere Fenster zum Teil offen, obwohl die Wasserleitung an der Außenmauer des Gebäudes verläuft, sodass er in Kauf nahm, dass dadurch auch Leitungen auffrieren.

Der Kläger sammelte bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabsvertrags Gerümpel aller Art und lagerte es unter anderem auf dem Dachboden des Hauses, der über eine Außentreppe zugänglich ist. Der Kläger hat einen Hang dazu, auch völlig wertlose Sachen zu sammeln und aufzuheben. Er rauchte auf dem Dachboden, warf die Zigarettenstummel teilweise auch auf den Holzboden und in unmittelbare Nähe von brennbaren Gegenständen wie Kartons, Stoffen, alten Matratzen und anderen. Die Beklagten forderten den Kläger mehrmals persönlich und auch im Korrespondenzweg zwischen den Parteienvertretern auf, den Müll vom Dachboden zu entsorgen. Der Kläger kam diesen Aufforderungen nicht nach. Die Beklagten sperrten daher, insbesondere auch wegen der erhöhten Brandgefahr, das Tor, durch das man zur Dachbodentreppe gelangt, ab, sodass der Kläger den Dachboden seither nicht mehr betreten kann.

Der Rauchfang im vom Kläger bewohnten Gebäudeteil ist versottet, weil er im Heizkessel unter anderem Müll und Dieselöl verheizt hat. Der Kläger wurde von den Beklagten mehrfach auf sein falsches Heizverhalten hingewiesen und aufgefordert, dieses zu unterlassen. Der Kläger wurde nach Beanstandung durch den Rauchfangkehrer von der Marktgemeinde aufgefordert, die Versottung des Rauchfangs zu beseitigen. Wenige Tage vor Ablauf der dafür gesetzten Frist meldete der Kläger den Kamin beim Rauchfangkehrer mit der Begründung ab, dass er die meiste Zeit bei einer anderen Tochter wohne und in der streitgegenständlichen Wohnung elektrisch heizen könne.

Der Kläger begehrte, die Beklagten schuldig zu erkennen, ihm die Benützung der Hauswasserleitung, den freien Zugang zum Wasserreservoir und den freien Zugang zum Dachboden über die Holztreppe zu ermöglichen, weiters den Kamin mit dem dazugehörigen Heizungsrohr instand zu setzen und instand zu halten.

Die Beklagten wandten ein, das Begehren des Klägers sei rechtsmissbräuchlich. Er habe wiederholt durch das Auslassen des Wassers und das Auffrierenlassen der Wasserleitungen mutwillig Schaden verursacht. Die Lagerung von Müll auf dem Dachboden sei aus Gründen des Brandschutzes verboten. Eine Nutzung des Dachbodens sei vom Ausgedinge überhaupt nicht umfasst. Die Gewährung der eingeklagten Rechte sei den Beklagten wegen des Verhaltens des Klägers unzumutbar geworden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagten hätten durch den Entzug der eingeklagten Leistungen schlüssig die zumindest teilweise Auflösung des Dauerschuldverhältnisses erklärt. Diese Auflösung sei auch gerechtfertigt, weil ihnen die Aufrechterhaltung des Wasserbezugs und die Gewährung des Dachbodenzugangs aufgrund des Verhaltens des Klägers nicht mehr zumutbar wäre. Die Reparatur von Schäden, die der Kläger durch das beharrliche Verbrennen von dazu ungeeigneten Materialien verursacht habe, sei nicht von der vertraglichen Instandhaltungspflicht umfasst.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers keine Folge. Es billigte die Beurteilung des Erstgerichts, erklärte jedoch die ordentliche Revision für zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage vorliege, inwieweit bei Einstellung einzelner aufgrund eines Übergabsvertrags zu erbringender Leistungen durch die beklagten Übernehmer der auf die Weitergewährung klagende Übergeber dieser Einstellung die Möglichkeit gelinderer Mittel entgegenhalten könne.

Rechtliche Beurteilung

Die von den Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, nicht zulässig.

Dauerschuldverhältnisse können durch einseitige Erklärung aufgelöst werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für einen der Vertragsteile unzumutbar erscheinen lässt, insbesondere wenn die einem Dauerschuldverhältnis zugrundeliegende Vertrauensbasis weggefallen ist (RIS‑Justiz RS0027780 [T3, T7]). Die Frage der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für einen der Vertragspartner kann nur nach einer umfassenden Sicht aller dafür und dagegen sprechenden Gegebenheiten des Einzelfalls beantwortet werden (RS0027780 [T23, T41]). Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine unvertretbare Fehlbeurteilung unterlaufen, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Die Revision stellt nicht mehr in Frage, dass die Beklagten durch ihre Handlungsweise den Ausgedingsvertrag schlüssig beendet haben (vgl RS0009052; zur Unzulässigkeit einer Teilauflösung vgl RS0027780 [T6]).

Davon ausgehend entspricht aber die Begründung der angefochtenen Entscheidung den dargestellten Grundsätzen der Rechtsprechung zur vorzeitigen Auflösung von Dauerschuldverhältnissen. Die vom Berufungsgericht in seinem Zulassungssausspruch für wesentlich erachtete Frage, ob der andere Vertragsteil der Einstellung der vertraglichen Leistungen die Möglichkeit gelinderer Mittel entgegenhalten könne, betrifft nur eines von vielen im Einzelfall zu berücksichtigenden Elementen der Zumutbarkeitsprüfung.

Im vorliegenden Fall fehlt es aber für eine Abwägung alternativer gelinderer Mittel jedenfalls hinsichtlich der Gefahr des Einfrierens der Leitungen wegen der jahrelang geöffneten Fenster bereits an einem dazu geeigneten Vorbringen.

Der Einbau von zeitgesteuerten Wasserhähnen war weder Gegenstand des Klagebegehrens, noch wäre eine solche Maßnahme geeignet, mutwillige Schädigungen und das Auffrieren der Wasserleitungen im Winter wegen offengelassener Fenster zu verhindern.

Soweit die Revision dagegen mit einem dringenden Wohnbedürfnis des Klägers argumentiert, setzt sie sich über die bindende Feststellung hinweg, dass er selbst schon im Jahre 2014 – also vor der Sperre der Wasserleitung – die Abmeldung des Kamins damit begründet hat, dass er die meiste Zeit bei seiner anderen Tochter wohne.

Die Gewährung begleiteter Besuche des Klägers auf dem Dachboden war nicht Gegenstand des Klagebegehrens. Er hat in erster Instanz nicht einmal behauptet, dass ihm ein solches Ansinnen von den Beklagten verwehrt worden wäre, umso mehr als sie ihn wiederholt vergeblich zur Entfernung des von ihm gelagerten Mülls aufgefordert haben. Woraus der Kläger einen Anspruch herleiten möchte, dass die Beklagten den Dachboden ihres Hauses selbst nicht mehr ohne ihn betreten könnten, worauf die in der Revision vorgeschlagene Anbringung getrennter Dachbodenschlösser hinauslaufen würde, ist überhaupt nicht nachvollziehbar.

Auf die Abweisung des Klagemehrbegehrens, die Beklagten zur Sanierung des Kamins zu verpflichten, kommt die Revision – entgegen der formal den gesamten Spruch umfassenden Anfechtungserklärung – nicht mehr zurück.

Insgesamt zeigt das Rechtsmittel daher keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO beschriebenen Qualität auf.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision mit ausführlicher Begründung hingewiesen.

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