OGH 4Ob86/19d

OGH4Ob86/19d5.7.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden unddie Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. H***** B*****, geboren am ***** 2011, 2. N***** B*****, geboren am ***** 2015, beide in Pflege und Erziehung bei der Mutter A***** B*****, vertreten durch Mag. Andrea Rinderer, Rechtsanwältin in Bludenz-Bürs, wegen Kontaktrecht, über den Revisionsrekurs der väterlichen Großmutter U***** B*****, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 7. Februar 2019, GZ 3 R 25/19b, 3 R 26/19z-36, womit ua der Beschluss des Bezirksgerichts Bludenz vom 23. November 2018, GZ 28 Ps 34/17k-29, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00086.19D.0705.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Eltern der Minderjährigen haben im Scheidungsvergleich die gemeinsame Obsorge und den hauptsächlichen Aufenthalt der Kinder im Haushalt der Mutter vereinbart.

Die väterliche Großmutter beantragte im Jänner 2018 die Einräumung eines Kontaktrechts; die Mutter sprach sich dagegen aus.

Im Juni 2018 fand beim Erstgericht eine Verhandlung statt, in welcher die Parteien vereinbarten, dass die Kontakte zunächst telefonisch erfolgen sollen. Das Erstgericht verkündete den Beschluss, dass das Verfahren hinsichtlich des Antrags auf Einräumung eines Kontaktrechts bis zum 5. 9. 2018 innegehalten werde. Eine Ausfertigung und Zustellung des Beschlusses erfolgte nicht.

Mit Beschluss vom 9. 8. 2018 hob das Erstgericht die Innehaltung auf und übermittelte den Akt der Familiengerichtshilfe mit dem Ersuchen, eine fachliche Stellungnahme abzugeben, ob der beantragte Kontakt dem Kindeswohl dienen würde.

In der Verhandlung vom 23. 11. 2018 beantragte die Großmutter ein einstweiliges Kontaktrecht; die Mutter sprach sich wieder dagegen aus. Das Erstgericht fasste in dieser Verhandlung den – den Parteien am 18. 12. 2018 zugestellten – Beschluss, wonach der väterlichen Großmutter und der Mutter gemäß § 107 Abs 3 Z 1 AußStrG der Besuch einer Familienberatung von jeweils zumindest sechs Stunden für die Dauer von insgesamt sechs Monaten aufgetragen wird und das Verfahren im Hinblick auf die Kontaktrechtsanträge der väterlichen Großmutter für die Dauer von sechs Monaten innegehalten wird.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss mit der Maßgabe, dass der Besuch einer Familienberatung von zumindest sechs Stunden innert der Frist von sechs Monaten aufgetragen wurde. Die Anordnung der Innehaltung sei gemäß § 29 Abs 4 AußStrG nicht anfechtbar, zumal sie nicht die Dauer von sechs Monaten überschreite. Der Innehaltungsbeschluss vom 7. 6. 2018 sei einer neuerlichen Innehaltung für die Dauer von sechs Monaten nicht entgegengestanden, weil der Beschluss nicht ausgefertigt und seine Wirkungen daher nicht eingetreten seien. Zur Auslegung der Rechtsmittelbeschränkung des § 29 Abs 4 AußStrG sei der ordentliche Revisionsrekurs zulässig.

Der – von der Gegenseite nicht beantwortete – Revisionsrekurs der väterlichen Großmutter richtet sich gegen die Innehaltung des Verfahrens. Sie beantragt, dem Erstgericht eine zügige Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen, in eventu die Dauer der Innehaltung mit höchstens zwei Monaten und 28 Tagen anzuordnen, gerechnet ab dem 23. 11. 2018.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

1.1. Nach § 29 Abs 2 AußStrG darf das Innehalten während des Verfahrens über eine Sache nur für einen Zeitraum von höchstens sechs Monaten angeordnet werden. Während des Innehaltens hat das Gericht nur dringend gebotene Verfahrenshandlungen vorzunehmen.

1.2. Gemäß § 29 Abs 4 AußStrG ist ein Beschluss auf Innehalten, der gegen Abs 2 verstößt, selbstständig anfechtbar.

2.1. Aus den Materialien zu § 29 AußStrG ergibt sich, dass die Regelung des § 223 Abs 3 AußStrG idF RGBl Nr 208/1854 als Vorbild diente. Entsprechend dieser Vorbildbestimmung soll jede Anordnung eines Innehaltens unanfechtbar sein, es sei denn, die zwingenden Grenzen des § 29 Abs 2 AußStrG würden nicht eingehalten, also ein Innehalten über mehr als sechs Monate verfügt (ErläuRV 2003 BlgNR 224. GP  22, 40).

2.2. Auch die Literatur geht überwiegend davon aus, dass Innehaltungsbeschlüsse nur bei Überschreiten der Sechs-Monats-Frist anfechtbar sind (vgl Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 29 Rz 31; Klicka/Oberhammer/Domej, AußStrG5 § 29 Rz 138; Feil, AußStrG3 § 29 Rz 5; Mayr/Fucik, Verfahren außer Streitsachen Rz 181; Schneider in Schneider/Verweijen, AußStrG § 29 Rz 31 f).

2.3. Rechberger (AußStrG² § 29 Rz 7 f) erscheint es bedenklich, dass ein Beschluss nur dann selbstständig anfechtbar sein soll, wenn er das Innehalten für einen längeren Zeitraum als sechs Monate anordnet. Damit werde die selbstständige Anfechtbarkeit von Beschlüssen ausgeschlossen, die ein Innehalten anordnen, obwohl die Voraussetzungen des § 29 Abs 1 AußStrG nicht vorlägen. Werde die Fortsetzung des Verfahrens verweigert, so wäre dies zwar ein Beschluss auf Innehalten, der aber nicht selbstständig angefochten werden könnte, wenn noch nicht sechs Monate vergangen seien. Im Extremfall könne sich das Gericht veranlasst sehen, einen Beschluss auf Innehalten für die Dauer von sechs Monaten zu fassen, welcher selbst bei Widerspruch aller Parteien und besonderer Dringlichkeit des Falls zu einem sechsmonatigen Stillstand führe. Gerade beim Stillstand eines Verfahrens könne ein Rechtsmittelverfahren aber nichts beeinträchtigen. In vergleichbaren Fällen lasse das Gesetz aus diesem Grund eine selbstständige Anfechtbarkeit zu und schließe sie nur dort aus, wo das Verfahren durch ein Rechtsmittel beeinträchtigt bzw blockiert werden könne. Es sei daher eine korrigierende Gesetzesauslegung geboten.

2.4. Gitschthaler (Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 29 Rz 32) stimmt der Kritik von Rechberger zwar zu, weist aber darauf hin, dass die von ihm gewünschte Gesetzesauslegung nicht vom Wortlaut des Gesetzes gedeckt sei und die Korrektur von als unbefriedigend anzusehenden Gesetzen nicht Aufgabe der Rechtsprechung sei.

2.5. Dem ist zuzustimmen. Aufgrund des klaren Gesetzeswortlauts des § 29 Abs 4 AußStrG sind Innehaltungsbeschlüsse nur anfechtbar, wenn die Höchstdauer von sechs Monaten überschritten wird. In den von Rechberger genannten Fällen steht den Parteien der Fristsetzungsantrag nach § 91 GOG offen.

3.1. Im vorliegenden Fall liegt keine Überschreitung von sechs Monaten vor. Das Erstgericht hat mit dem hier gegenständlichen Beschluss eine Innehaltung von sechs Monaten ausgesprochen. Sein davor gefasster mündlicher Beschluss ist mangels Zustellung an die Parteien nicht in Rechtswirksamkeit erwachsen (vgl Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 29 Rz 22; Rechberger in Rechberger, AußStrG2 § 29 Rz 4; Schneider in Schneider/Verweijen, AußStrG § 29 Rz 18), sodass dieser nicht zu berücksichtigen ist.

3.2. Ist somit von einem unanfechtbaren Innehaltungsbeschluss des Erstgerichts auszugehen, so begann die gesetzte Sechs-Monats-Frist mit Zustellung an die Parteien am 18. 12. 2018 zu laufen (in diesem Sinn Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 29 Rz 22). Die Innehaltungsfrist ist daher zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Revisionsrekurs bereits abgelaufen. Dem Rechtsmittel fehlt es somit an der Beschwer, die auch im Außerstreitverfahren Zulässigkeitsvoraussetzung eines Rechtsmittels ist (vgl RIS‑Justiz RS0006598).

Der Revisionsrekurs ist somit zurückzuweisen.

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