OGH 12Os49/19a

OGH12Os49/19a27.6.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rathgeb als Schriftführerin in der Strafsache gegen Albijon H***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 10. Dezember 2018, GZ 5 Hv 18/18s‑41, und über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Jugendschöffengerichts vom 6. März 2019 (ON 52) nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, sowie der Verteidiger Mag. Piglmaier und Mag. Vollmann zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00049.19A.0627.000

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in dem den Angeklagten Albijon H***** betreffenden Freispruch A./I./ aufgehoben, insoweit eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Albijon H***** – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – gemäß § 259 Z 3 StPO von der Anklage freigesprochen,

er habe am 15. Jänner 2018 in G***** der Mag. Nadja W***** ein Feuerzeug und einen Grinder im Gesamtwert von 5,90 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, wobei er auf frischer Tat betreten Gewalt gegen eine Person anwendete, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten, indem er der ihn zur Rede stellenden Mag. Nadja W***** einen Schlag mit der flachen Hand in ihr Gesicht versetzte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist berechtigt.

Die Verfahrensrüge (Z 4) bezieht sich auf die Abweisung des Antrags (ON 40 S 23 f) auf Vernehmung des „unbekannten Stammkunden der Trafik W*****, der Mag. Nadja W***** auf den Diebstahl aufmerksam machte, zum Beweis dafür, dass Albijon H***** der Täter des räuberischen Diebstahls war. Dieser Zeuge wird wohl aussagen können, dass er den Diebstahl beobachtet hat und in Zusammenhalt mit den übrigen Zeugenaussagen wird sich damit erweisen, dass Albijon H***** auch der Täter bezogen auf die Gewaltanwendung war. Die Ausforschung des Zeugen wird dahin möglich sein, dass man Erkundigungen bei der Zeugin W***** anstellt, da die Trafik immer wieder von dem Zeugen angeblich aufgesucht wird und die Zeugin bereits angeboten hat, diesen bei einem allfälligen neuerlichen Besuch ihres Geschäftslokales nach dessen Identität zu befragen“.

Die Beschwerdeführerin bringt zutreffend vor, dass ein prozessordnungsgemäß gestellter Beweisantrag nicht schon deshalb abgelehnt werden kann, weil Namen und Anschrift des Zeugen erst ermittelt werden müssen. Erforderlich ist insofern, dass vom Antragsteller konkrete Hinweise gegeben werden, die eine Ausforschung mit Grund erwarten lassen (RIS‑Justiz RS0099498).

Ein derartiger Hinweis lag schon aufgrund der Deposition der Zeugin Mag. W*****, wonach es sich bei dem Tatzeugen um einen „Stammkunden“ handelte (ON 40 S 14), vor. Damit wäre das Erstgericht verpflichtet gewesen, dem Beweisantrag Folge zu geben. Daran ändert auch – wie der Vollständigkeit halber anzumerken bleibt – der Umstand nichts, dass die Staatsanwaltschaft, die bereits im Ermittlungsverfahren von der Existenz dieses Tatzeugen erfahren hatte (vgl ON 2 AS 37), entgegen ihren aus §§ 3 Abs 1, 91 Abs 1 StPO resultierenden Verpflichtungen keine entsprechenden Schritte zur Ausforschung dieser Beweisperson unternahm.

Urteilsaufhebung ist die Folge (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO), ohne dass es eines Eingehens auf das weitere Rechtsmittelvorbringen der Staatsanwaltschaft bedurft hätte (vgl RIS‑Justiz RS0127315 [T5]).

Damit ist auch die Beschwerde gegen die Abweisung des Protokollberichtigungsantrags, der sich auf keine für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde wesentlichen Umstände bezog, erledigt (RIS‑Justiz RS0126057).

Zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des zum Gerichtstag nicht erschienenen Leotrim Z***** waren die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zuzuleiten.

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