European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00019.19X.0529.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christopher B***** – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – des Verbrechens der Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB (I) sowie des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (II) schuldig erkannt.
Danach hat er in W***** Mag. Harald H*****
(I) am 6. Februar 2018 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung an der Ehre zu einer Handlung, die den Genannten am Vermögen schädigen sollte, nämlich zur Zahlung von 2.000 Euro, zu nötigen versucht, indem er ihm schriftlich ankündigte, andernfalls über verschiedene Medien und gegenüber Behörden (wahrheitswidrig) „publik“ zu machen, Mag. H***** sei „seinen anwaltlichen Pflichten als Verfahrenshilfeverteidiger nicht nachgekommen“, wobei es infolge Weigerung des Opfers beim Versuch blieb, und
(II) am 14. März 2018 dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er ihn der Verletzung einer Standespflicht (§ 9 Abs 1 RAO) falsch verdächtigte, obwohl er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigung falsch war, indem er in einem an die Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer gerichteten Schreiben den Vorwurf erhob, der Genannte sei (in einem gegen den Angeklagten geführten Ermittlungsverfahren) „seinen anwaltlichen Verpflichtungen als Verteidiger im Rahmen der Verfahrenshilfe nicht ordnungsgemäß nachgekommen“.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 [lit] a und 9 [lit] b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Mit der Behauptung, sie seien „im Urteil offenkundig nicht (ausreichend) berücksichtigt“ worden, gibt das Rechtsmittel den Inhalt einer Vielzahl von Beweisergebnissen zusammenhanglos wieder. Welcher Feststellung über welche entscheidende Tatsache sie aus welchem Grund erörterungsbedürftig entgegenstehen (Z 5 zweiter Fall) sollten, bleibt damit offen.
Mit dem Argument, das Erstgericht hätte „zumindest im Zweifel“ „die objektive und subjektive (!) Tatseite“ (zu I und II) verneinen müssen, wenn es „sämtliche (oben zitierten) aktenkundigen Begleitumstände“ „vollständig und richtig berücksichtigt“ hätte, wird – wie auch sonst mit immer wiederkehrender Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (§ 14 zweiter Halbsatz StPO) – Nichtigkeit weder aus Z 5 noch aus Z 5a geltend gemacht (RIS-Justiz RS0102162; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 454).
Auch das weitere, undifferenziert auf Z 5 und 5a gestützte (und auch aus diesem Grund nicht am Verfahrensrecht orientierte [RIS-Justiz RS0099108, RS0116733]) Beschwerdevorbringen verliert sich darin, Verfahrensergebnisse eigenständig zu bewerten und daraus von jenen des Erstgerichts abweichende Schlussfolgerungen einzufordern. Damit wird bloß die dem Schöffengericht vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§ 283 Abs 1 StPO) bekämpft.
Soweit konkrete Sachverhalte behauptet werden, die einem Nichtigkeitsgrund zugeordnet werden können, sei erwidert:
Dem (erkennbar) gegen die Schuldspruch I betreffenden Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz (US 4) gerichteten Vorbringen zuwider haben die Tatrichter „das E‑Mail vom 14. 2. 2018“ – dessen Inhalt den erwähnten Konstatierungen nach Ansicht des Beschwerdeführers erörterungsbedürftig entgegenstehe (Z 5 zweiter Fall) – in Befolgung des Gebots zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) gar wohl berücksichtigt (US 13). Dass sie daraus nicht die von ihm gewünschten Schlüsse zogen, stellt keinen Begründungsmangel her (RIS-Justiz RS0099455).
Indem die Rüge jeweils einzelne Elemente der (die erwähnten Konstatierungen begründenden) tatrichterlichen Argumentationskette (US 12 f) isoliert herausgreift und diese als „unschlüssig“, „in sich widersprüchlich“ (vgl Z 5 dritter Fall) oder „allgemeinen Gesetzen der Logik“ (vgl Z 5 vierter Fall) widersprechend bezeichnet, ohne an ihrer Gesamtheit Maß zu nehmen, verlässt sie den Anfechtungsrahmen (RIS-Justiz RS0119370, RS0118780 [T1]).
Die Feststellungen zur Wissentlichkeit (§ 5 Abs 3 StGB) in Bezug auf die Fälschlichkeit der Verdächtigung (Schuldspruch II – US 10) folgerte das Erstgericht (zusammengefasst) aus einer „Gesamtschau der Handlungen des Angeklagten in diesem Verfahren“ und (im Einzelnen) daraus abgeleiteten Wahrscheinlichkeitsschlüssen (US 14).
Mit dem Einwand, sie seien „praktisch überhaupt nicht“ oder „lediglich damit“ begründet worden, „dass die subjektive Tatseite auch zu Faktum II [gemeint Schuldspruch I] bejaht wurde, bei dem bedingter Vorsatz genügt“ (Z 5 vierter Fall), versäumt es die Rüge somit abermals, die Gesamtheit der diesbezüglichen Urteilserwägungen in den Blick zu nehmen (RIS-Justiz RS0119370).
Gestützt auf „Z 9 (insb 9a)“ ficht der Beschwerdeführer die Schuldsprüche I und II mit der Behauptung an, der jeweilige Tatbestand sei („insbesondere in subjektiver Hinsicht“) nicht erfüllt.
Indem er dabei die – beide Schuldsprüche tragenden, mit Mängel- und mit Tatsachenrüge erfolglos bekämpften – Feststellungen des Schöffengerichts (US 4 ff) teils (unter ausdrücklichem Hinweis auf seine aus „Z 5 und 5a gemachten Ausführungen“ [siehe aber RIS-Justiz RS0115902]) neuerlich beweiswürdigend bestreitet, teils überhaupt negiert („nicht festgestellt“), verfehlt er den – im Urteilssachverhalt gelegenen – Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).
Gleiches gilt für den (Schuldspruch I betreffenden) Einwand („Z 9b“), das „Nichtvorliegen“ des „Rechtfertigungsgrund[es] bzw. Schuldausschließungsgrund[es]“ nach § 144 Abs 2 StGB sei „überhaupt nicht begründet“ worden (RIS-Justiz RS0100877).
Soweit die Annahme dieses (richtig) Rechtfertigungsgrundes mit dem Argument eingefordert wird, die vom Beschwerdeführer angedrohten Schritte seien „jedenfalls nicht illegal“ gewesen, entbehrt die Beschwerde der methodengerechten Ableitung aus dem Gesetz, weshalb eine Drohung mit per se zulässigen Verhaltensweisen zum Zweck des Erwirkens einer (wie hier nach dem Urteilssachverhalt) unrechtmäßigen Bereicherung – entgegen der Judikatur des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0131920) – nicht den guten Sitten widerstreiten sollte (siehe aber RIS-Justiz RS0116565).
Ebenso wenig macht die Beschwerde (zu Schuldspruch I) klar, weshalb die Eignung einer Drohung, dem Bedrohten begründete Besorgnisse einzuflößen (§ 74 Abs 1 Z 5 StGB; dazu Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 74 Rz 33 f), jedenfalls zu verneinen sein sollte, wenn – wie sie abseits des Urteilssachverhalts (vgl US 14) beweiswürdigend mutmaßt (abermals RIS-Justiz RS0099810) – „der Betroffene selbst überhaupt nicht in Furcht und Unruhe versetzt war“ (abermals RIS-Justiz RS0116565).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen und der Beschwerden folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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