European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00038.19H.0411.000
Spruch:
Der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 6. November 2018, GZ 21 Hv 7/18s‑29, verletzt, soweit er die Probezeit der mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 21. Dezember 2017, GZ 19 BE 308/17k‑3, gewährten bedingten Entlassung gemäß § 494a Abs 6 StPO auf fünf Jahre verlängert, § 53 Abs 1 StGB.
Dieser Beschluss wird im Umfang der Verlängerung der Probezeit ersatzlos aufgehoben.
Gründe:
Mit – am 27. Dezember 2017 zugestelltem und in Rechtskraft erwachsenem – Beschluss des Einzelrichters des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 21. Dezember 2017, GZ 19 BE 308/17k‑3, wurde Rachid O***** gemäß § 46 Abs 1 StGB mit Wirksamkeit vom 28. Dezember 2017 aus einer Strafhaft bedingt entlassen.
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 6. November 2018, GZ 21 Hv 7/18s‑29, wurde der Genannte wegen am 21. August 2017 und 21. Dezember 2017 begangener Straftaten neuerlich zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Gleichzeitig wurde mit Beschluss gemäß § 494a Abs 6 StPO die Probezeit der vom Landesgericht für Strafsachen Graz am 21. Dezember 2017, GZ 19 BE 308/17k‑3, gewährten bedingten Entlassung auf fünf Jahre verlängert.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht dieser Beschluss mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Die Entscheidung darüber, ob eine (hier:) bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe widerrufen (§ 494a Abs 1 StPO) oder im Fall des Absehens vom Widerruf die Probezeit verlängert (§ 494a Abs 6 StPO) wird, setzt nach § 53 Abs 1 erster Satz StGB eine während der Probezeit begangene strafbare Handlung voraus. Die Probezeit beginnt im Regelfall mit der Rechtskraft der Entscheidung, mit der die bedingte Nachsicht oder Entlassung ausgesprochen worden ist (§ 49 erster Satz StGB). Allerdings steht eine strafbare Handlung, die der Rechtsbrecher in der Zeit zwischen der Entscheidung erster Instanz und der Rechtskraft der Entscheidung über die Gewährung der bedingten Entlassung begangen hat, einer in der Probezeit verübten strafbaren Handlung gleich (§ 53 Abs 1 letzter Satz StGB; Jerabek in WK2 StGB § 53 Rz 4). Das Gesetz unterscheidet auch nicht, ob der bedingt zu Entlassende bei der neuerlichen Tatbegehung von der erstinstanzlichen Entscheidung über die bedingte Entlassung bereits in Kenntnis war oder erst durch die Zustellung des Beschlusses Kenntnis erlangt hat.
Der Beschluss auf bedingte Entlassung wurde zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt am 21. Dezember 2017 gefasst. Am selben Tag hat Rachid O***** eine der Taten begangen, die im Verfahren AZ 21 Hv 7/18s des Landesgerichts für Strafsachen Graz zur Verlängerung der Probezeit führten, wobei Feststellungen zur genauen Tatzeit (laut ON 7 in ON 2 S 19 ff zwischen 14:12 Uhr und 15:40 Uhr) unterblieben. Ist aber eine sichere Aussage, ob die Tat vor oder nach der Beschlussfassung über die bedingte Entlassung begangen wurde, nicht möglich, kommt ein Widerruf (und demzufolge auch eine Verlängerung der Probezeit) nicht in Betracht (Jerabek in WK2 StGB § 53 Rz 6).
Da die aufgezeigte Gesetzesverletzung zum Nachteil des Verurteilten wirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
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