European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00034.19K.0409.000
Spruch:
Der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 19. November 2018, GZ 42 Hv 119/18w‑67, verletzt § 54 Abs 1 und 2 StGB.
Es werden dieser Beschluss aufgehoben und der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der zu AZ 39 Hv 61/12k des Landesgerichts Wiener Neustadt gewährten bedingten Nachsicht der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher abgewiesen.
Gründe:
Günther K*****wurde mit (rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 16. Jänner 2013, AZ 39 Hv 61/12k, gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, wobei die vorbeugende Maßnahme gemäß § 45 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Mit (im zweiten Rechtsgang ergangenem rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 19. November 2018, GZ 42 Hv 119/18w‑67, wurde der Genannte neuerlich – unter bedingter Nachsicht der Maßnahme für eine Probezeit von fünf Jahren sowie unter Erteilung von Weisungen – gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Zugleich fasste das Schöffengericht „gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO iVm § 54 StGB“ den (in Rechtskraft erwachsenen) Beschluss, vom Widerruf der mit dem eingangs bezeichneten Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 16. Jänner 2013 „gewährten bedingten Strafnachsicht der Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher“ abzusehen und die Probezeit auf zehn Jahre zu verlängern.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht dieser Beschluss mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Die Entscheidung darüber, ob eine (hier:) bedingte Nachsicht der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher widerrufen oder (im Fall des Absehens vom Widerruf) die Probezeit verlängert wird, setzt – soweit hier von Relevanz – gemäß § 54 Abs 1 iVm § 53 Abs 1 erster Satz StGB eine während der Probezeit begangene strafbare Handlung voraus (vgl auch § 494a Abs 1 erster Satz StPO). Deliktisches Verhalten im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit – also (wie hier:) die Begehung einer (bloß) mit Strafe bedrohten Handlung – scheidet hingegen als Widerrufsgrund und demnach auch als Voraussetzung für eine Probezeitverlängerung aus (Ratz in WK2 StGB § 54 Rz 8 [mwN]; vgl auch RIS-Justiz RS0090309; Ratz in WK2 StGB § 53 Rz 3).
Die aufgezeigte Gesetzesverletzung wirkt zum Nachteil des Betroffenen. Der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO).
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