European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124769
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Der mittlerweile verstorbene Erstantragsteller war Alleineigentümer der Liegenschaft EZ *, die unter anderem aus dem Grundstück 422/2 besteht.
Die Zweitantragstellerin errichtete unter der Oberfläche des Grundstücks 422/2 einen zweigeschossigen Baukörper. Die Antragsteller vereinbarten, daran selbständiges Kellereigentum iSd § 300 ABGB zu begründen und ersuchten das Erstgericht um Einleitung eines Verfahrens gemäß § 14 AllgGAG zur Anlegung einer Grundbuchseinlage für den neuen Grundbuchskörper hinsichtlich dieses Kellereigentums und Einverleibung von Dienstbarkeiten.
Das Erstgericht lehnte das Ersuchen um Einbücherung als Kellereigentum ab. Das Bauwerk überrage die ursprünglich bestehende Oberfläche des Grundstücks teilweise und die Außenmauern des Kellers bildeten auf drei Seiten die Grundstückseinfriedung des Grundstücks 422/2 sowie das Fundament für den Gartenzaun. Die Voraussetzungen für eine Sonderrechtsfähigkeit des Gebäudes seien somit nicht gegeben.
Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs der Antragsteller als unzulässig zurück. Das Grundbuchsanlegungs‑ und Ergänzungsverfahren sei vom Prinzip der Amtswegigkeit geprägt, nur die in § 62 AllGAG taxaktiv aufgezählten Beschlüsse unterliegen einer Anfechtung. Außer bei öffentlichem Gut bestehe kein durchsetzbarer privatrechtlicher Anspruch auf Wahrnehmung der gerichtlichen Amtspflicht zur Einbücherung von Liegenschaften. Überdies teilte das Rekursgericht auch inhaltlich die Rechtsauffassung des Erstgerichts.
Den Wert des Entscheidungsgegenstands bewertete das Rekursgericht mit 30.000 EUR übersteigend, ließ den ordentlichen Revisionsrekurs aber mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionrekurs der Antragsteller zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1.1. Die Frage der Antrags‑ und Rekurslegitimation von Antragstellern im Einbücherungsverfahren ist durch ausführlich begründete höchstgerichtliche Entscheidungen geklärt, denen die einhellige Lehre gefolgt ist.
1.2. Ist ein Keller, an dem Kellereigentum begründet werden soll – wie hier – erst nach der Grundbuchsanlegung entstanden, ist zum Zweck der Verbücherung das Verfahren zur Richtigstellung des Grundbuchs einzuleiten (RIS‑Justiz RS0009888). Auf dieses Verfahren sind die Bestimmungen des AllGAG anzuwenden. In diesem Verfahren gelten die Grundsätze des allgemeinen Verfahrens Außerstreitsachen (RIS‑Justiz RS0049656). Mehrfach wurde bereits ausgesprochen, dass nur die in § 62 AllGAG angeführten Beschlüsse im Grundbuchsanlegungs- und Ergänzungsverfahren einer Anfechtung unterliegen (RIS‑Justiz RS0049674; 5 Ob 235/97p) und § 62 AllGAG die anfechtbaren Beschlüsse taxaktiv bezeichnet (RIS‑Justiz RS0049674).
1.3. In der ausführlich begründeten Entscheidung 5 Ob 99/09h (NZ 2010/188 [Hoyer]) die einen vergleichbaren Sachverhalt betraf – auch dort wies das Erstgericht das Ansuchen um Einleitung des Verfahrens nach § 16 AllGAG vor der Vorlage des Akts an den Präsidenten des Landesgerichts ab – sprach der Fachsenat aus, dass ein derartiger erstinstanzlicher Beschluss nicht einer anfechtbaren Entscheidung nach § 24 AllGAG gleichgesetzt werden kann, das Erstgericht nicht über den letzten tatsächlichen Besitz iSd § 25 AllGAG entschieden hat und § 31 iVm § 62 AllGAG nur solche Beschlüsse betrifft, mit denen eine neue Einlage eröffnet oder ein Antrag um Aufnahme eines Rechts in den Entwurf der Grundbuchseinlage abgelehnt wird. Wird mit dem erstinstanzlichen Beschluss das amtswegige Einbücherungsverfahren noch vor Verfassung des Entwurfs einer neuen Grundbuchseinlage abgebrochen, fehlt der Antragstellerin die Rechtsmittellegitimation.
1.4. Zu 5 Ob 160/12h (NZ 2014/134) bestätigte der Fachsenat diese Rechtsauffassung. Sofern kein Fall des § 1 Abs 2 AllGAG vorliegt, es sich also nicht um öffentliches Gut oder Gemeindegut handelt, besteht wegen der Amtswegigkeit der Einleitung des Einbücherungsverfahrens (§ 1 Abs 3 AllGAG) kein durchsetzbarer privatrechtlicher Anspruch auf Wahrnehmung der gerichtlichen Amtspflicht zur Einbücherung von Liegenschaften. Ein Antrag auf Einbücherung eines Kellergrundstücks iSd § 300 ABGB ist nur als Anregung iSd § 22 AllGAG zu verstehen. Ein Beschluss, mit dem das Erstgericht die Einbücherung ablehnt, ist somit nicht anfechtbar.
1.5. In der Lehre wird diese Auffassung zustimmend referiert (Kodek in Kodek Grundbuchsrecht² § 1 AllGAG Rz 2 mwN; Helmich in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.04 § 300 Rz 7; Feil/Marent/Preisl Grundbuchsrecht² § 62 AllGAG Rz 3).
1.6. Der Wortlaut des § 62 steht dieser Auslegung nicht entgegen. Dass für die Anfechtung sonstiger Beschlüsse (als der in §§ 24, 25 und 31 leg cit bezeichneten), die nach Eröffnung des neuen Grundbuchs gefasst werden und sich auf die in diesem Gesetz geregelten Angelegenheiten beziehen, die Bestimmungen der §§ 122 ff GBG gelten, bringt nur zum Ausdruck, dass ein Beschluss im Grundbuchsverfahren, der nach der letztgenannten Bestimmung anfechtbar ist, erst dann vorliegt, wenn das Einbücherungsverfahren abgeschlossen wurde (so wohl auch Feil/Marent/Preisl Grundbuchsrecht² § 62 AllGAG Rz 4).
1.7. Der im Revisionsrekurs behauptete Widerspruch zur Entscheidung 5 Ob 162/15g (= NZ 2016/145 = wobl 2016/142) liegt nicht vor. Dort war das Erstgericht der Anregung der Antragsteller auf Einleitung des Einbücherungsverfahrens gefolgt und hatte den Entwurf einer Grundbuchseinlage erstellt, das zuständige Oberlandesgericht wies den Antrag auf Einleitung des Richtigstellungsverfahrens gemäß § 35 AllGAG ab. Der Fachsenat erachtete den nach Verfassung des Entwurfs der Grundbuchseinlage zum Zweck der Einleitung des Richtigstellungsverfahrens und des späteren Rechtserwerbs erhobenen Rekurs gemäß § 62 AllGAG ausdrücklich für zulässig und nahm daher sogar auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung über die Unzulässigkeit eines Rekurses vor diesem Zeitpunkt Bezug. Dass der Senat aussprach, es bestünden keine aktenkundige Hinweise dafür, dass es sich beim betroffenen Grundstück um öffentliches Gut handeln könnte, ist nicht in dem von der Revisionsrekurswerbern referierten Sinn zu verstehen. Dieser Hinweis bezog sich vielmehr auf § 65 Abs 2 AllGAG. Danach kann im Fall, dass die in das Grundbuch neu einzutragende Liegenschaft öffentliches Gut war und aus den gerichtsbekannten oder in glaubwürdiger Weise bescheinigten Umstände hervorgeht, dass dritten Personen keine Rechte auf diese Liegenschaft zustehen, das Oberlandesgericht beschließen, dass das Richtigstellungsverfahren unterbleiben soll. Der Fachsenat, der dem Oberlandesgericht in Stattgebung des Rekurses die Einleitung des Verfahrens zur Richtigstellung des Grundbuchs auftrug, brachte daher nur zum Ausdruck, dass es aktenkundige Hinweise für einen Beschluss auf Unterbleiben des Richtigstellungsverfahrens im Sinn dieser Bestimmung dort nicht gab.
1.8. Die im Revisionsrekurs geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz und den Justizgewährungsanspruch teilt der erkennende Senat nicht. Das AllGAG ist nach § 1 Abs 3 AllGAG grundsätzlich von Amtswegigkeit geprägt, nahm aber in § 1 Abs 2 AllGAG öffentliches Gut und Gemeindegut von dieser amtswegigen Anlegung aus. Insoweit knüpfte der Gesetzgeber die Grundbuchsanlegung an eine Antragstellung der öffentlichen Stelle (oder eines jeden, dem an der Liegenschaft ein Recht zusteht, das in das Grundbuch eingetragen werden kann). Warum diese Differenzierung dem Gleichheitssatz widersprechen sollte, ist nicht zu erkennen. Antrags‑ und Rekursrechte nur in einem nicht von Amtswegigkeit beherrschten Einbücherungsverfahren anzuerkennen ist konsequent und daher verfassungsrechtlich unbedenklich (zu § 14 AllGAG idS bereits 5 Ob 235/97p). Soweit in Bezug auf ein amtswegig einzuleitendes Verfahren überhaupt von einem Justizgewährungsanspruch im Sinn des Art 6 EMRK ausgegangen werden könnte (vgl die ständige Judikatur zum amtswegigen Berichtigungsverfahren nach §§ 130 ff GBG – RIS Justiz RS0060931), würde dieser jedenfalls nicht ein Rechtsmittelverfahren umfassen, dessen Einrichtung auch Art 6 EMRK nicht verlangt (Mayer/Muzak, B-VG5 Art 6 MRK C. II.5 mwN). Dass in einer Instanz ein Gericht entscheidet – wie es hier der Fall war – reicht unter diesem Gesichtspunkt aus (Mayer/Muzak, aaO)
2. Mangels durchsetzbaren privatrechtlichen Anspruchs auf Wahrnehmung gerichtlicher Amtspflichten zur Einbücherung von Liegenschaften ist keine Rechtsgrundlage dafür zu erkennen, anlässlich eines unzulässigen Rekurses dem Erstgericht aufzutragen, seinen Amtspflichten zur amtswegigen Einbücherung nachzukommen.
3. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor.
4. Auf die Frage, ob die inhaltliche „Hilfsbegründung“ des Rekursgerichts zutrifft, ist mangels eines zulässigen Rechtsmittels nicht einzugehen.
5. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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