OGH 7Ob6/19m

OGH7Ob6/19m30.1.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache der betroffenen Person A* F*, geboren am * 1982, *, vertreten durch den gerichtlichen Erwachsenenvertreter Dr. Wolf Dietrich Mazakarini, Rechtsanwalt in Mödling, wegen Umbestellung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter der betroffenen Person V* F*, vertreten durch Mag. Gerald Gerstacker, Rechtsanwalt in Mödling, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 12. November 2018, GZ 16 R 328/18a‑62, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124832

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Mutter der betroffenen Person – als Angehörige iSd § 127 Abs 1 AußStrG – steht gegen den Beschluss über die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters (nur) im Hinblick auf die Person des gerichtlichen Erwachsenenvertreters der Rekurs zu (§ 127 Abs 3 AußStrG).

2. Bei der Auswahl des gerichtlichen Erwachsenenvertreters ist nach § 273 Abs 1 ABGB idFd 2. ErwSchG, BGBl I 2017/59, auf die Bedürfnisse der volljährigen Person und deren Wünsche, die Eignung des Erwachsenenvertreters und auf die zu besorgenden Angelegenheiten Bedacht zu nehmen.

Zum Erwachsenenvertreter ist nach § 274 Abs 1 ABGB idFd 2. ErwSchG vorrangig mit deren Zustimmung die Person zu bestellen, die aus einer Vorsorgevollmacht, einer Vereinbarung einer gewählten Erwachsenenvertretung oder einer Erwachsenenvertreter-Verfügung hervorgeht. Ist eine solche Person nicht verfügbar oder geeignet, so ist nach Abs 2 leg cit mit deren Zustimmung eine der volljährigen Person nahestehende und für die Aufgabe geeignete Person zu bestellen. Kommt auch eine solche Person nicht in Betracht, so ist nach Abs 3 leg cit ein Erwachsenenschutzverein – mit seiner Zustimmung – zu bestellen. Ist auch die Bestellung eines solchen nicht möglich, so ist nach Abs 4 leg cit ein Notar (Notariatskandidat) oder Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) oder mit deren Zustimmung eine andere geeignete Person zu bestellen.

Ein Notar (Notariatskandidat) oder Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) ist nach § 274 Abs 5 ABGB vor allem dann zu bestellen, wenn die Besorgung der Angelegenheiten vorwiegend Rechtskenntnisse erfordert, ein Erwachsenenschutzverein vor allem dann, wenn sonst besondere Anforderungen mit der Erwachsenenvertretung verbunden sind.

3. Auch im Außerstreitverfahren ist der Oberste Gerichtshof nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz (RIS‑Justiz RS0006737, RS0007236); Fragen der Beweiswürdigung können daher nicht mehr überprüft werden (RIS‑Justiz RS0007236 [T4]; RS0069246; 7 Ob 9/18a mwN).

Die Mutter beantragt, selbst zur Erwachsenenvertreterin bestellt zu werden. Nach den bindenden erstgerichtlichen Feststellungen würde dies aber zu einer weiteren Familiendynamik und zu einer Destabilisierung des psychopathologischen Krankheitsbildes der an paranoider Schizophrenie leidenden betroffenen Person führen.

Von diesen Feststellungen ausgehend sahen die Vorinstanzen – im Hinblick auf das im Mittelpunkt der Entscheidung über die Auswahl des Erwachsenenvertreters stehende Wohl der betroffenen Person (RIS Justiz RS0123297) – die Mutter nicht als geeignet an, zur Erwachsenenvertreterin bestellt zu werden. Darin liegt keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung.

4. Die Frage, ob anstelle eines Rechtsanwalts eine andere Person zum Erwachsenenvertreter zu bestellen gewesen wäre, ist regelmäßig von den besonderen Umständen des Einzelfalls, insbesondere den Bedürfnissen der betroffenen Person sowie der Art der zu erledigenden Angelegenheiten abhängig; bei der Beurteilung, ob Angelegenheiten zu besorgen sind, für die vorwiegend Rechtskenntnisse erforderlich sind, kommt dem Gericht stets ein Ermessensspielraum zu (RIS‑Justiz RS0117452). Auch bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Umbestellung eines Erwachsenenvertreters kommt es nur auf das Wohl der betroffenen Person an; dies ist nur auf den Einzelfall bezogen und betrifft grundsätzlich keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0117813 [insbes T1, T2]), woran sich auch durch das 2. ErwSchG nichts geändert hat (RIS‑Justiz RS0117813 [T12]).

Der Revisionsrekurs zeigt nicht auf, warum die Einschätzung der Vorinstanzen, aus der aktuellen Aktenlage ergebe sich derzeit keine Notwendigkeit der Umbestellung, nicht im Rahmen des den Gerichten hier eingeräumten Beurteilungsspielraums liegen sollte.

5. Es steht fest, dass keine Kapazitäten eines Erwachsenenschutzvereins zur Übernahme der Erwachsenenvertretung vorlagen. Die Mutter vermochte keine andere zur Übernahme der Erwachsenenvertretung geeignete und bereite Person zu nennen.

6. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs nicht zulässig und daher ohne weitergehende Begründung zurückzuweisen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Stichworte