OGH 1Ob237/18m

OGH1Ob237/18m23.1.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj L* Z*, geboren am * 2007, wegen Obsorge und Kontaktrecht, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter M* A*, und des Stiefvaters (Pflegevaters) T* A*, vertreten durch Mag. Sabine Zambai, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom 17. Oktober 2018, GZ 20 R 126/18f‑167, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Eisenstadt vom 31. Juli 2018, GZ 21 Ps 132/17f‑132, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123895

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs und die Urkundenvorlage vom 30. November 2018 werden zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Im Revisionsrekursverfahren ist nur die Entscheidung über die vorläufige Obsorge des Minderjährigen, die von den Vorinstanzen dem zuständigen Kinder‑ und Jugendhilfeträger übertragen wurde, strittig. Die Revisionsrekurswerber – Mutter und Stief‑/Pflegevater – streben erkennbar die Belassung der alleinigen Obsorge bei der Mutter an.

1. Die Urkundenvorlage vom 30. 11. 2018, mit der (aufgetragenen) Klarstellung, wer tatsächlich Revisionsrekurswerber ist, verstößt im Übrigen gegen den auch im Verfahren außer Streitsachen geltenden Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (RIS‑Justiz RS0007007; RS0041666) und ist daher zurückzuweisen.

2. Die Frage der Beweiskraft eines Sachverständigengutachtens zu den Grundlagen der Beurteilung der Erziehungsfähigkeit der Mutter (sowie weiterer Familienangehöriger) fällt in das Gebiet der Beweiswürdigung und ist daher mit Revisionsrekurs nicht bekämpfbar (vgl RIS‑Justiz RS0043163; RS0043371 [T15]). Der Oberste Gerichtshof ist auch im Außerstreitverfahren nicht berufen, Tatfragen zu lösen (RIS‑Justiz RS0007236 [T2]), womit auch die nunmehr vorgelegte Stellungnahme einer Sachverständigen unbeachtlich bleiben muss.

3. Sachverhaltsänderungen nach dem erstgerichtlichen Beschluss sind von der Rechtsmittelinstanz (auch vom Obersten Gerichtshof) zu berücksichtigen, wenn dies das Interesse des pflegebefohlenen Kindes erfordert (RIS‑Justiz RS0006893). Der Grundsatz der Bedachtnahme auf das Kindeswohl erfordert es daher im Obsorgeverfahren, dass – selbst noch vom Obersten Gerichtshof – alle während des Verfahrens eingetretenen Entwicklungen zu berücksichtigen sind (RIS‑Justiz RS0048056 [T1]). Dies bezieht sich aber nur auf unstrittige und aktenkundige Umstände, die die bisherige Tatsachengrundlage wesentlich verändern (RIS‑Justiz RS0006893 [T16, T18]; RS0048056 [T4, T6, T11]; RS0106312 [T5]). Im Übrigen sind daher neue Tatsachenbehauptungen in einem Rechtsmittel nicht zu berücksichtigen.

Diesen Grundsätzen folgend berücksichtigte das Rekursgericht den unstrittigen und aktenkundigen Umstand, dass die Mutter und der Stiefvater den Minderjährigen nach einem Besuchskontakt nicht wie vereinbart in die Wohngemeinschaft zurückbrachten, sondern ihn an einen unbekannten Aufenthaltsort im Ausland verbrachten. Dazu ist ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen beide Revisionsrekurswerber anhängig. Entgegen ihren Behauptungen liegt in der Berücksichtigung dieser nachträglichen Entwicklung aus Gründen des Kindeswohls keine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens. Demgegenüber handelt es sich bei der erstmals im Rekurs behaupteten „möglichen Frühreife“ des Minderjährigen und den bemängelten Umständen in der Wohngemeinschaft nicht um aktenkundige Tatsachen.

4. Die Frage der Obsorgeübertragung und der Erlassung einer vorläufigen Maßnahme hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG, es sei denn, dass bei dieser Entscheidung das Wohl des Minderjährigen nicht ausreichend bedacht wurde (RIS‑Justiz RS0007101 [T8, T13, T18, T21]; RS0130780 [T3]). Das ist hier nicht der Fall.

5. Das Rekursgericht begründete die vorläufige Entscheidung nach § 107 Abs 2 AußStrG, mit der vom Erstgericht die Obsorge für den Minderjährigen der (allein obsorgeberechtigten) Mutter vorläufig entzogen und dem zuständigen Kinder‑ und Jugendhilfeträger übertragen wurde, damit, dass die widerrechtliche Verbringung des Minderjährigen ins Ausland durch die Revisionsrekurswerber – die von ihnen gar nicht bestritten wird – das Kindeswohl gefährde und dadurch ihre mangelnde Eignung zur Betreuung des Kindes und demnach zur Aufrechterhaltung oder Begründung der Obsorge zum Ausdruck komme. Zudem sei nach den Feststellungen die Erziehungsfähigkeit der Mutter (ebenso wie die des Stiefvaters) sehr beeinträchtigt und eingeschränkt. Auf diese Beurteilung gehen die Revisionsrekurswerber gar nicht näher ein. Insgesamt zeigen sie keine erhebliche Rechtsfrage auf.

6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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