OGH 4Ob168/18m

OGH4Ob168/18m20.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch SRG Stock Rafaseder Gruszkiewicz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei M***** L*****, vertreten durch Dr. Lorenz E. Riegler, Rechtsanwalt in Wien, wegen 55.384,40 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. Juni 2018, GZ 16 R 76/18s‑16, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. März 2018, GZ 59 Cg 69/16z‑12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00168.18M.1220.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.

 

Entscheidungsgründe:

Mit Kaufvertrag vom 21. 12. 2015 verkaufte die Beklagte der Klägerin eine Liegenschaft in Wien samt darauf errichtetem Zinshaus zum Kaufpreis von 1.870.000 EUR. Der Kaufvertrag enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:

„I.2

Auf der kaufgegenständlichen Liegenschaft ist ein Zinshaus errichtet. Die aus der der Käuferin schon vor Vertragsunterfertigung übergebenen aktuellen Zinsliste Beilage ./1 ersichtlichen Bestandobjekte sind wie dort ersichtlich vermietet bzw leerstehend (ein Objekt), die Mietverhältnisse unterliegen den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes (MRG). Die Verkäuferin sichert zu, dass diese Zinsliste auch zum Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung inhaltlich unveränderte Gültigkeit hat.

V. Haftungen

1. Die Verkäuferin haftet dafür, dass der Vertragsgegenstand vollkommen frei von bücherlichen und außerbücherlichen Lasten, gleichgültig, ob es sich um solche öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Natur handelt, sowie abgesehen von den bestehenden Mietverhältnissen auch bestandsfrei und frei von jeglichen Nutzungs- und Verfügungsrechten Dritter, gleichgültig ob entgeltlich oder unentgeltlich eingeräumt, in das Eigentum der Käuferin übergeht. Die Verkäuferin erklärt in diesem Zusammenhang, dass ihr keine verdeckten Mängel am Vertragsgegenstand sowie keine Kontaminierungen bzw Altlasten der Liegenschaft sowie keine statischen Probleme des Hauses bekannt sind und sie weder technisch, noch von ihrer Profession in der Lage ist, solche festzustellen.

2. Die Verkäuferin erklärt, dass nach ihrem Wissensstand mit keinem der Mieter über die abgeschlossenen Mietverträge hinaus irgendwelche mündlichen oder schriftlichen Zusatzvereinbarungen sowohl die Mietobjekte selbst als auch die allgemeinen Teile des Hauses betreffend abgeschlossen wurden und den Mietern auch keinerlei Sonderrechte welcher Art immer eingeräumt wurden (insbesondere keine Untermiet-, Leerstehungs-, und Weitergaberechte). Weiters erklärt die Verkäuferin, dass nach ihrem Wissensstand kein Mieter unter Berufung auf durch langjähriges, unwidersprochenes Verhalten bzw ebensolche Duldungen allenfalls entstandenes Gewohnheitsrecht Ansprüche welcher Art und Natur immer für sich ableitet oder ableiten könnte. Festgehalten wird in diesem Zusammenhang auch, dass der Rohdachboden des Hauses gänzlich bestands- und auch sonst lastenfrei ist.

3. Die Käuferin bestätigt weiters, dass keinerlei behördliche (insbesondere baubehördliche) Auflagen oder Aufträge welcher Art immer bestehen und keinerlei behördliche oder gerichtliche Verfahren den Vertragsgegenstand betreffend (insbesondere auch keine Schlichtungsstellenverfahren oder daran anschließende gerichtliche Verfahren) anhängig sind, dies mit Ausnahme eines Aufkündigungsverfahrens vor dem Bezirksgericht *****, das die Verkäuferin als Klägerin gegen den Mieter der Wohnung ***** führt. Die in diesem Verfahren allenfalls auflaufenden Kosten werden von der Verkäuferin zur Gänze übernommen, sie hält die Käuferin diesbezüglich vollkommen schad- und klaglos.

5. Darüber hinaus haftet die Verkäuferin nicht für irgendeine bestimmte Beschaffenheit oder Eigenschaft, einen bestimmten Zustand, Erträgnis, Ausmaß, Eignung und Widmung des Vertragsgegenstandes. Die Käuferin erklärt in diesem Zusammenhang, den Vertragsgegenstand besichtigt zu haben, über dessen Zustand daher informiert zu sein und diesen so zu übernehmen.“

Der Verkauf des Zinshauses wurde von einem Immobilienmakler vermittelt, der dem Geschäftsführer der Klägerin vor Abschluss des Kaufvertrags eine aktuelle Zinsliste übermittelte. Diese Zinsliste und insbesondere die Ausstattungskategorien der Wohnungen waren zwischen den Parteien kein Gesprächsthema.

Mit Kaufvertrag vom 11. 2. 2016 verkaufte die Klägerin die Liegenschaft um 2.400.000 EUR weiter. Anlässlich einer Wohnungsbegehung im April 2016 machten die neuen Käufer geltend, dass einige der Wohnungen nicht der Ausstattungskategorie A entsprachen. In einem von den neuen Käufern eingeholten Kostenvoranschlag wurden die Kosten für die Anhebung der betreffenden Wohnungen auf die Ausstattungskategorie A mit 55.384,40 EUR angegeben. Letztlich vereinbarte die Klägerin mit den neuen Käufern eine Preisminderung in Höhe der erforderlichen Sanierungskosten von 66.461,28 EUR brutto. Die Klägerin zahlte diesen Betrag an die neuen Käufer.

Im vorliegenden Verfahren begehrte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von 55.384,40 EUR sA. Die Übergabe der Zinsliste habe bei ihr einen Irrtum über wertbildende Eigenschaften des Kaufgegenstands verursacht. Eine Verbesserung sei von der Beklagten abgelehnt worden; diese habe jede Korrespondenz verweigert.

Die Beklagte entgegnete, dass die Zinsliste nicht Vertragsgegenstand geworden sei und den Vertragsgegenstand nicht definiere. Außerdem sei im Kaufvertrag die Gewährleistung für einen bestimmten Zustand, für ein bestimmtes Ausmaß und für eine bestimmte Eignung und Widmung ausgeschlossen worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Angabe einer Wohnungskategorie in einer Zinsliste beziehe sich nur auf den Zustand der Wohnung bei Abschluss des Mietvertrags; spätere Änderungen würden nicht berücksichtigt. In Pkt I.2 des Kaufvertrags habe die Beklagte lediglich zugesichert, dass nur die in der Zinsliste als vermietet bezeichneten Objekte in Bestand gegeben seien. Mangels Zusicherung einer bestimmten Wohnungskategorie treffe die Beklagte keine Gewährleistungspflicht.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts habe die Beklagte zugesichert, dass die Zinsliste auch im Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung inhaltlich unverändert Gültigkeit habe. Dies bedeute, dass auch die in der Zinsliste angeführten Ausstattungskategorien eingehalten seien. Es liege daher ein Sachmangel vor. Der Verbesserungsanspruch der Klägerin sei durch die Weiterveräußerung auch nicht untergegangen, weil die Letztkäufer ihrerseits entsprechende Ansprüche gestellt hätten. Der Anspruch auf Ersatz der Verbesserungskosten bestehe aber nur dann, wenn der Übergeber mit der Verbesserung in Verzug sei. Ein Verbesserungsverzug setze jedoch ein Verbesserungsbegehren des Übernehmers voraus. Ein solches habe die Klägerin gegenüber der Beklagten nicht erhoben, weil sie nur eine außergerichtliche finanzielle Abgeltung der Gewährleistungsansprüche der Letztkäufer angestrebt habe. Aus diesem Grund könne auch von keiner Verweigerung der Verbesserung durch die Beklagte ausgegangen werden. Eine voreilige Selbstverbesserung durch die Klägerin liege ebenfalls nicht vor. Die Klägerin habe daher weder Anspruch auf Ersatz der Verbesserungskosten noch auf Preisminderung oder Geldersatz nach § 933a Abs 2 ABGB. Die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Die Beklagte hat trotz Freistellung durch den Obersten Gerichtshof keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, weil dem Berufungsgericht zur Frage des Vorliegens eines Sachmangels ein korrekturbedürftiger Beurteilungsfehler unterlaufen ist. Die Revision der Klägerin ist im Ergebnis aber nicht berechtigt.

1. Die Klägerin erblickt erhebliche Rechtsfragen darin, ob

‑ die Zahlung von veranschlagten Verbesserungskosten (bzw hier einer Preisminderung) durch den Zweitverkäufer an den Letztkäufer einer voreiligen Selbstverbesserung des Zweitverkäufers gegenüber seinem Verkäufer gleichzuhalten sei, und zwar auch dann, wenn tatsächlich keine Verbesserung stattgefunden habe,

‑ aufgrund der Nichtreaktion der Beklagten auf die mehrfache Aufforderung der Klägerin, sich an einer wirtschaftlichen Lösung zu beteiligen, von der Verweigerung der Verbesserung nach § 933a Abs 2 ABGB auszugehen sei und

‑ eine Verbesserung durch die Beklagte für die Klägerin mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden gewesen wäre, weil das Kaufobjekt von der Klägerin bereits weiterverkauft worden sei.

Diese Fragen können sich nur dann zugunsten der Klägerin auf die Entscheidung auswirken, wenn in Bezug auf die Ausstattungskategorien der Wohnungen im verkauften Zinshaus ein Sachmangel vorliegt. Dafür ist vorausgesetzt, dass die Ausstattungskategorien als besondere Eigenschaften des Kaufobjekts in den Kaufvertrag einbezogen wurden.

Dies ist – wie auch die Beklagte in ihrer Berufungsbeantwortung zutreffend aufzeigt – nicht der Fall.

2.1 Eine Leistung ist dann als mangelhaft (vertragswidrig) anzusehen, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem vertraglich Geschuldeten zurückbleibt (RIS‑Justiz RS0018547). Der geschuldete Vertragsgegenstand wird durch die gewöhnlich vorausgesetzten oder die ausdrücklich oder stillschweigend zugesicherten Eigenschaften bestimmt. Ob eine Eigenschaft als zugesichert anzusehen ist, hängt nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern was der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung des Vertragspartners erschließen durfte. Seine berechtigte Erwartung ist an der Verkehrsauffassung zu messen. Der Kaufgegenstand muss auch der Natur des Geschäfts oder der geschlossenen Verabredung entsprechend benützt und verwendet werden können (RIS‑Justiz RS0114333; 9 Ob 50/10h; 1 Ob 239/16b). Die Vertragswidrigkeit eines Leistungsgegenstands ist allerdings nicht abstrakt, sondern immer aufgrund des konkreten Veräußerungsvertrags zu beurteilen. Die Vertragsparteien können eine Sache, die objektiv gesehen mangelhaft ist, durchaus als vertragsgemäß ansehen (9 Ob 50/10h).

2.2 Die Ausstattungskategorien der einzelnen Wohnungen im verkauften Zinshaus waren bei den Verkaufsgesprächen zwischen den Parteien kein Thema. Nach den Feststellungen übermittelte der Immobilienmakler dem Geschäftsführer der Klägerin vor Abschluss des Kaufvertrags eine aktuelle Zinsliste. Diese Liste fand (nur) in Pkt I.2 in den Kaufvertrag Eingang, und zwar mit der Erklärung, dass die nach den Bestimmungen des MRG vermieteten Bestandobjekte wie in der Zinsliste ersichtlich vermietet bzw leerstehend sind. Auf den weiteren Inhalt der Zinsliste wird nicht Bezug genommen; er wurde für einen redlichen Erklärungsempfänger nicht zum Inhalt des Kaufvertrags.

Die sich an obige Erklärung anknüpfende Bestimmung, wonach die Verkäuferin zusichert, dass die Zinsliste auch zum Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung inhaltlich unveränderte Gültigkeit habe, bezieht sich für einen redlichen Erklärungsempfänger nur auf den zuvor behandelten Inhalt, nämlich die Frage, welche Bestandobjekte vermietet sind und welche leerstehen. Eine Einbeziehung der Ausstattungskategorien der einzelnen Wohnungen in den Vertrag lässt sich aus der in Rede stehenden Vertragsbestimmung bei verständiger Würdigung nicht ableiten.

Dieses Ergebnis wird dadurch bekräftigt, dass auch in der Vertragsbestimmung über die „Haftung“ der Verkäuferin (Pkt V. des Kaufvertrags) neben dem Nichtvorhandensein von erkennbaren verdeckten Mängeln, Kontaminierungen und statischen Problemen sowie der Freiheit von bücherlichen und außerbücherlichen Lasten inhaltlich nur darauf abgestellt wird, dass der Vertragsgegenstand (abgesehen von den bestehenden – also in der Zinsliste als vermietet aufgezählten – Mietverhältnissen) frei von Bestand- und sonstigen Nutzungs-, Verfügungs- und Sonderrechten Dritter ist und keine Zusatzvereinbarungen mit den Mietern bestehen. Schließlich wird auch zum Rohdachboden festgehalten, dass dieser bestand- und lastenfrei ist.

2.3 Aus den zugrunde liegenden Vertragsbestimmungen ergibt sich klar, dass es (auch) der Klägerin im Zusammenhang mit der Zinsliste ausschließlich nur um die Frage gegangen ist, ob die einzelnen Wohnungen im verkauften Zinshaus vermietet sind oder nicht. Die Ausstattungskategorien der Wohnungen waren weder ausdrücklich noch stillschweigend zugesichert. Die Klägerin kann sich im Verhältnis zur Beklagten in dieser Hinsicht auf keinen Sachmangel berufen.

2.4 Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der vorliegende Fall durchaus mit jenem zu 1 Ob 207/07h vergleichbar. In diesem Vergleichsfall hat die beklagte Verkäuferin anlässlich der Vertragsverhandlungen eine Zinsliste übergeben, nach der die Wohnungen eine bestimmte Kategorie aufwiesen. Die Vorinstanzen wiesen die auf Gewährleistung gestützte Klage ab. Die angegebene Wohnungskategorie gebe im Regelfall nur über den bei Abschluss des Mietvertrags bestehenden Zustand der Wohnungen Auskunft; spätere Entwicklungen würden nicht berücksichtigt. Der Oberste Gerichtshof wies die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurück. Dazu hielt er in der zitierten Entscheidung fest, dass die Parteien keine ausdrückliche Vereinbarung über bestimmte Ausstattungskategorien der im Kaufgegenstand befindlichen Wohnungen getroffen haben. Die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung, wonach in der Übergabe von Zinslisten weder die Zusicherung des Vorliegens bestimmter Ausstattungsmerkmale einzelner Wohnungen noch die Garantie künftiger Mindestmieterträge der verkauften Liegenschaft liege, sei jedenfalls vertretbar.

3. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Beurteilung des Berufungsgerichts zum Vorliegen eines Sachmangels nicht aufrechterhalten werden kann. Bei verständiger Vertragsauslegung ist der von der Klägerin geltend gemachte Sachmangel nicht gegeben. Da die Vorinstanzen – das Berufungsgericht im Ergebnis – das Klagebegehren aber zutreffend abgewiesen haben, war der Revision der Erfolg zu versagen. Die von der Klägerin in der Revision angesprochenen Rechtsfragen waren mangels Erheblichkeit nicht zu klären.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

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