European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00009.18I.1212.000
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
Im Verfahren der Privatanklägerin G***** GmbH & Co OG gegen Martin H***** wegen der Vergehen nach § 11 Abs 2 UWG und nach § 91 Abs 1 und Abs 2a UrhG, AZ 23 Hv 146/14y des Landesgerichts Innsbruck, wurden anlässlich der gerichtlich angeordneten (ON 5) Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumlichkeiten sowie Fahrzeugen des Angeklagten, der E*****-D***** GmbH, der E*****‑M***** GmbH und der E*****-S***** GmbH „gemäß §§ 110, [...] 115 Abs 1 und 2 StPO“ zahlreiche Ordner mit Geschäftsunterlagen sowie Datenträger sichergestellt und beschlagnahmt (ON 15, 41, 42, 72 und 105). Hinsichtlich einzelner dieser Gegenstände wurde die Sicherstellung und Beschlagnahme sodann wieder aufgehoben und deren Ausfolgung angeordnet (ON 16, 30 und 80).
Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 11. Oktober 2016 (ON 113) wurde Martin H***** gemäß § 259 Z 3 StPO vom Vorwurf der Privatanklage freigesprochen, er habe (zusammengefasst) sich als Bediensteter der G***** GmbH & Co OG „während aufrechten Dienstverhältnisses“ von im Urteil näher bezeichneten Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen durch widerrechtliches Kopieren Kenntnis verschafft und „zu Zwecken des Wettbewerbs für sich selbst und [...] im Betrieb der E*****-S***** GmbH“ verwertet (I./) sowie „urheber- und leistungsschutzrechtlich geschütztes Material“, nämlich im Urteilstenor präzisierte elektronisch vorliegende Daten durch Kopieren auf private Speichermedien auf eine der Privatanklägerin vorbehaltene Verwertungsart unbefugt benutzt, um sie „selbst gewerbsmäßig zu verwerten und der E*****-S***** GmbH [...] zur gewerbsmäßigen Verwertung zu überlassen“ (II./).
Einem auf Ausfolgung der (noch) beschlagnahmten Unterlagen und Datenträger, ersatzweise auf gerichtliche Hinterlegung (§ 1425 ABGB) gerichteten Antrag der Privatanklägerin (ON 114) gab das Landesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 21. März 2017 (ON 131) insoweit teilweise Folge, als die Sicherstellung und Beschlagnahme konkret bezeichneter Gegenstände aufgehoben und zum Teil deren Hinterlegung beim Bezirksgericht Innsbruck gemäß § 1425 ABGB (I./), zu einem weiteren Teil jedoch deren Ausfolgung an die Betroffenen – die E*****‑D***** GmbH, die E*****-M***** GmbH sowie an Johann A***** als Liquidator der E*****-S***** GmbH in Liquidation – angeordnet wurde (II./).
Begründend führte das Gericht im Wesentlichen aus, dass sich sämtliche Gegenstände im Zeitpunkt der Sicherstellung in den von der E*****-D***** GmbH, der E*****-M***** GmbH und der E*****-S***** GmbH gemeinsam benutzten Räumlichkeiten befunden hätten, die zu I./ angeführten Gegenstände aber jedenfalls teilweise von der Privatanklägerin stammten, wobei nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand festgestellt werden könne, ob diese rechtmäßig in den Besitz der Unternehmen aus der E*****-Gruppe gelangt wären; es sei aber offensichtlich, dass diese Gesellschaften keine Berechtigung hätten, über diese Gegenstände zu verfügen, sodass sie gemäß § 1425 ABGB zu hinterlegen seien. Bei den zu II./ angeführten Gegenständen sei ein Bezug zur Privatanklägerin nicht erkennbar; diese seien daher an jene Unternehmen auszufolgen, in deren Verfügungsmacht sie sichergestellt wurden (BS 17 f).
Mit Beschluss vom 7. Juli 2017, AZ 6 Bs 113/17v (ON 139), gab das Oberlandesgericht Innsbruck der gegen die Hinterlegung nach § 1425 ABGB (I./) erhobenen gemeinsamen Beschwerde der E*****-D***** GmbH, der E*****-M***** GmbH und der E*****-S***** GmbH nicht, jener der Privatanklägerin gegen die Ausfolgung an die Betroffenen (II./) hingegen teilweise Folge, indem es den angefochtenen Beschluss in den Punkten II./2./ und II./5./ bis 9./ aufhob und die Hinterlegung (§ 1425 ABGB) auch der dort genannten Gegenstände anordnete.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich der von den Betroffenen E*****-D***** GmbH, E*****-M***** GmbH und E*****‑S***** GmbH gemeinsam eingebrachte Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO, mit dem die Erneuerungswerber eine Verletzung „in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Achtung ihres Eigentums iSd Art 1 1. ZPMRK und Art 5 StGG sowie in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf Wahrung bzw Geheimhaltung ihrer Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse iSd § 1 DSG und Art 8 EMRK“ relevieren.
Bei einem – wie hier – nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrags handelt es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf, weshalb alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und Abs 2 MRK sinngemäß auch für einen solchen Antrag gelten (RIS‑Justiz RS0122737).
Da die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter/Pabel, EMRK6 § 13 Rz 16), hat auch ein Erneuerungsantrag nach § 363a StPO deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine (vom Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende) Grundrechtsverletzung iSd § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei. Dabei hat sich der Erneuerungswerber mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS‑Justiz RS0124359) und – soweit er (auf Grundlage der Gesamtheit der Entscheidungsgründe) nicht Begründungsmängel aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen zu erwecken vermag – seine Argumentation auf Basis der Tatsachenannahmen der bekämpften Entscheidung zu entwickeln (RIS‑Justiz RS0125393 [T1]).
Überdies kann der Oberste Gerichtshof erst nach Rechtswegerschöpfung angerufen werden, welchem Erfordernis (nur) dann entsprochen wird, wenn von allen effektiven Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht wurde (vertikale Erschöpfung) und die geltend gemachte Konventionsverletzung zumindest der Sache nach und in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften im Instanzenzug vorgebracht wurde (horizontale Erschöpfung; RIS‑Justiz RS0122737 [T13]).
Diesen Anforderungen wird der Erneuerungsantrag nicht gerecht.
Die erstmals im Erneuerungsantrag (ausdrücklich als solche) monierte Verletzung des Art 8 MRK wurde in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss mit der vollkommen unbegründet gebliebenen Behauptung, eine Hinterlegung würde einen Eingriff in das „Recht auf Wahrung ihrer Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse“ bedeuten (ON 133 S 8), nicht substantiiert vorgetragen, womit es insoweit schon an der Zulässigkeitsvoraussetzung der horizontalen Erschöpfung des Instanzenzugs mangelt.
Der Einwand eines Eingriffs in das Grundrecht auf Schutz des Eigentums – das auch Immaterialgüterrechte umfasst (Grabenwarter/Pabel, EMRK6 § 25 Rz 5; Meyer‑Ladewig/von Raumer, EMRK4 Art 1 1. ZP Rz 21) – lässt wiederum jegliche Argumentation vermissen, weshalb es sich bei der hier vorliegenden Aufhebung der Beschlagnahme und der anschließenden Hinterlegung nach § 1425 ABGB, um die strittigen Eigentumsverhältnisse an den ursprünglich im Strafverfahren sichergestellten Gegenständen durch ein Zivilgericht klären zu lassen, nicht um eine – im Licht der Konvention sogar gebotene (vgl Grabenwarter/Pabel, EMRK6 § 25 Rz 35; Meyer-Ladewig/von Raumer, EMRK4 Art 1 1. ZP Rz 5 und 7) – (bloß vorübergehende) Nutzungsbeschränkung iSd Art 1 Abs 2 1. ZPMRK handeln sollte, die gesetzlich vorgesehen (§§ 114 Abs 2, 115 Abs 6 StPO), (im Allgemeininteresse) erforderlich sowie verhältnismäßig ist (siehe dazu Grabenwarter/Pabel, EMRK6 § 25 Rz 14, 26 f; Meyer-Ladewig/von Raumer, EMRK4 Art 1 1. ZP Rz 48 und 50).
Soweit die Erneuerungswerber im Übrigen die Sachverhaltsbasis der Beschwerdeentscheidung bekämpfen (vgl RIS‑Justiz RS0125393 [T1]), gelingt es ihnen weder Begründungsmängel (Z 5 des § 281 Abs 1 StPO) aufzuzeigen noch erhebliche Bedenken (Z 5a des § 281 Abs 1 StPO) gegen die Richtigkeit der vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen zu wecken.
Den Sachverhaltsannahmen des Oberlandes-gerichts Innsbruck zufolge wurden Johann A***** und Martin D***** (im Parallelverfahren) zu AZ 38 Hv 101/14s des Landesgerichts Innsbruck der Vergehen nach § 11 Abs 2 UWG und § 91 Abs 1 und Abs 3 UrhG im Wesentlichen deshalb schuldig erkannt, weil sie sich Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie urheber- und leistungsschutzrechtlich geschütztes Material der Privatanklägerin durch widerrechtliches Kopieren auf tragbare Speichermedien verschafft hatten, um diese Daten (ab Anfang Juni 2014) der E*****-D***** GmbH, der E*****-M***** GmbH und der E*****-S***** GmbH zur gewerbsmäßigen Verwertung zu überlassen (BS 20 ff).
Das Beschwerdegericht schloss daraus – im Einklang mit den Grundsätzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen –, dass diese Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie das geschützte Material „durch Johann A***** und Martin D***** bereits vor der durchgeführten Hausdurchsuchung den betroffenen Gesellschaften zur Verwendung überlassen und dort teilweise auch verwertet wurden“ (BS 22), und erachtete die Voraussetzungen für eine gerichtliche Hinterlegung der im angefochtenen Beschluss des Landesgerichts Innsbruck zu Punkt I./ angeführten Gegenstände (Datenträger, Ordner usw) deshalb als gegeben, weil sie „schon aufgrund der Bezeichnung 'GEJ' und 'GE'“ (rechtswidrig erlangte) Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der Privatanklägerin beinhalten, an welchen die betroffenen Gesellschaften „offensichtlich nicht berechtigt“ sind. Dies gelte auch für Ersatzteillisten sowie Fertigungszeichnungen und -pläne zu GE‑Motoren aus dem Unternehmen der Privatanklägerin und Blätter mit der Aufschrift „GE und“, in welchen „Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der Privatanklägerin im Sinne einer weiteren Verwertung verwendet wurden“ (BS 22 f).
Mit Blick auf diese (zu Punkt I./ angestellten) Erwägungen ging das Beschwerdegericht auch bei den zu II./2./ und II./5./ bis 9./ erwähnten Gegenständen davon aus, „dass sich auf den bezeichneten Datenträgern und schriftlichen Unterlagen verwertete und daher mit Daten der betroffenen Firmen vermengte Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der Privatanklägerin befinden, an denen die betroffenen Firmen offensichtlich keine Berechtigung haben“ (BS 24 f).
Die Feststellung, ob diese Gegenstände der Privatanklägerin oder den betroffenen Gesellschaften zuzuordnen seien, erfordere deren inhaltliche Trennung, die aufgrund der inhaltlichen Vermengung/Verwertung der Daten nicht durch bloße Inaugenscheinnahme, sondern nur in einem Verfahren mit Beweischarakter unter Beiziehung der Erlagsgegner und allenfalls eines Sachverständigen geklärt werden könne (vgl § 114 Abs 2 StPO).
Diesen Erwägungen des Beschwerdegerichts stellt der Erneuerungsantrag im Wesentlichen bloß eigene Standpunkte gegenüber und verweist auf das eigene Prozessvorbringen. Damit gelingt es ihm nicht, eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) oder einen erheblich bedenklichen Ermessensgebrauch (Z 5a) des Oberlandesgerichts aufzuzeigen (zum Prüfungsmaßstab des EGMR vgl Meyer-Ladewig/von Raumer , EMRK 4 Art 1 1. ZP Rz 34).
Auf die Behauptung eines Verstoßes gegen nicht in der EMRK oder ihren Zusatzprotokollen normierte Rechte (hier: Art 5 StGG und § 1 DSG) kann ein auf § 363a StPO basierender Antrag nicht gestützt werden (verstärkter Senat vom 30. November 2018, 13 Os 49/16d).
Der Erneuerungsantrag war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 363b Abs 2 Z 3 StPO bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen.
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