European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00121.18B.1211.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hassan J***** – entgegen der (auch) auf die Qualifikationen nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG (I) und § 28 Abs 2 SMG (II) gerichteten Anklage (ON 44) – des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall SMG (I) sowie des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 dritter Fall SMG (II) schuldig erkannt.
Danach hat er am 31. Dezember 2017 in A***** vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar zumindest 4.037,70 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt, welcher zusammengerechnet einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) um das 13,62‑fache übersteigenden Menge an Delta-9-THC und THCA entspricht,
I) von Italien nach Österreich eingeführt;
II) mit dem Vorsatz befördert, dass der überwiegende Teil hievon in Verkehr gesetzt werde.
Ershad B***** wurde unter einem gemäß § 259 Z 3 StPO vom Vorwurf freigesprochen, er habe die oben angeführten Taten, bezogen auf eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) um das 25‑fache übersteigenden Menge von zumindest 4.061,6 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 12,92 % bis 14,32 % (553,66 Gramm an Delta‑9‑THC) im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Angeklagten J***** begangen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die hinsichtlich des Angeklagten J***** aus Z 5 und in Bezug auf den Angeklagten B***** aus Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der keine Berechtigung zukommt.
Entgegen dem – erkennbar in Bezug auf beide Schuldsprüche des Angeklagten J***** erhobenen –Vorwurf von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) haben die Tatrichter sämtliche relevanten Aspekte des (mehrfach ergänzten und in der Hauptverhandlung erörterten) Gutachtens des dem Verfahren beigezogenen Sachverständigen ao. Univ.‑Prof. Dr. Martin S***** (ON 15, 59, 83, 87 S 3 ff), so auch das Ergebnis der bis zum 14. Jänner 2018 mittels Gaschromatographie durchgeführten Analyse des sichergestellten Cannabiskrauts (ON 15; US 11), in ihre beweiswürdigenden Überlegungen zur Reinsubstanz des tatverfangenen Suchtgifts einbezogen.
Welche weiteren „beweisergebnisbasierenden Parameter“ dabei „übergangen“ worden sein sollen, sagt die Mängelrüge nicht.
Die Ableitung der Feststellungen zum Wirkstoffgehalt aus der Gesamtheit der Ausführungen des Experten, insbesonders dessen Erläuterungen in der Hauptverhandlung, nach denen unter Zugrundelegung der für den Angeklagten günstigsten Prämissen mit Verlässlichkeit nur bestätigt werden könne, dass das sichergestellte Cannabiskraut zum (alleine relevanten; vgl 14 Os 33/18m, 15 Os 24/18d, 15 Os 62/18h) Tatzeitpunkt eine dem 13,62‑fachen der Grenzmenge des § 28b SMG entsprechende Reinsubstanz an THCA und Delta‑9‑THC enthielt, konkrete Aussagen zur exakten Quantität jedoch mangels bekannter Rückrechnungsmethoden nicht möglich seien (ON 87 S 5 ff; US 11 ff), entspricht – dem weiteren Beschwerdeeinwand zuwider – den
Kriterien logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen und ist daher unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0118317).
Indem die Rüge einzelne (nach dem Vorgesagten ohnehin berücksichtigte) Details des Gutachtens hervorhebt, auf Basis dazu angestellter urteilsfremder Beweiserwägungen behauptet, die Berechnungsmethode der Tatrichter führe zu einem „geradezu denkunmöglichen Ergebnis“ und schließlich auf der Grundlage eigener Berechnungen zum Schluss kommt, zum – „dem Tatzeitpunkt nur neun Tage nachgelagerten“ – Untersuchungszeitpunkt am 9. Jänner 2018 hätten sich „in der sichergestellten Menge von rund 4 Kilogramm Cannabiskraut die 14,43‑fache Grenzmenge THCA und die 2,21‑fache Grenzmenge Delta‑9‑THC, sohin die 16,64‑fache Grenzmenge an Delta‑9‑THC und THCA befunden“, zeigt sie keinen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 auf. Das Vorbringen erschöpft sich vielmehr einerseits in einem unzulässigen Angriff auf die Beweiswürdigung des Erstgerichts und andererseits der Sache nach im Versuch,
erhebliche Bedenken im Sinn der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO gegen die bekämpften Urteilsannahmen zu erwecken. Dieser Nichtigkeitsgrund kann jedoch zum Nachteil eines Angeklagten nicht geltend gemacht werden (§ 281 Abs 2 StPO).
Bleibt mit Blick auf das – von der Beschwerdeführerin nicht relevierte – Fehlen von (für die angestrebten Subsumtionen nach § 28a Abs 2 Z 3 SMG und § 28 Abs 2 SMG indes erforderlichen) Feststellungen zu einer auf ein Überschreiten der 15‑fachen Grenzmenge bezogenen Täterintention (vgl erneut 14 Os 33/18m) der Vollständigkeit halber anzumerken, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für den Erfolg einer gegen einen Freispruch oder (wie hier) die Nichtannahme einer Qualifikation erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde – neben der (zutreffenden) Geltendmachung von Begründungsmängeln zu (sämtlichen) verneinten oder der begehrten rechtlichen Beurteilung entgegenstehenden Tatbestandselementen – auch der (erfolgreichen) Reklamation von Feststellungsmängeln (vgl dazu RIS‑Justiz RS0118580) zu jenen Tatbestandsmerkmalen bedarf, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält (Z 9 lit a; vgl RIS‑Justiz RS0127315).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) strebt eine Verurteilung des Angeklagten B***** wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 fünfter und sechster Fall SMG an.
Während mangelhafte Urteilsannahmen nur Gegenstand der Mängelrüge (Z 5) sind, bildet die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Konstatierungen den Bezugspunkt von Rechts- oder Subsumtionsrüge (Z 9 und 10; RIS‑Justiz RS0099810).
Diese Anfechtungskriterien verkennt die Beschwerde, indem sie auf die Feststellungen zum objektiven Geschehen verweist (nach denen der Angeklagte noch in Österreich eine geringe Menge Cannabis erwarb und in der Beifahrertür seines PKWs verstaute, in der Folge mit diesem Fahrzeug nach Italien fuhr und den Angeklagten J***** sodann von dort nach Österreich beförderte; US 5) und unter Berufung auf das solcherart konstatierte Täterverhalten und „Erfahrungen des täglichen Lebens“ einen Feststellungsmangel zur subjektiven Tatseite geltend macht. Sie lässt dabei nämlich die – der angestrebten rechtlichen Beurteilung in subjektiver Hinsicht entgegenstehenden, aus Z 5 nicht in Zweifel gezogenen – Urteilsannahmen außer Acht, wonach der Genannte bei Antritt der Fahrt nach Italien auf das im Auto verborgene Suchtgift „vergaß“ (erneut US 5, vgl auch US 10).
Zu einem von der Staatsanwaltschaft „aufgrund der im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde ausgeführten Problematik im Zusammenhang mit der gutachterlichen Bestimmung sowohl des Delta‑9‑THC als auch des THC Gehalts“ angeregten Vorgehen nach § 89 Abs 2 B‑VG (vgl dazu auch RIS‑Justiz RS0130514) sah sich der Oberste Gerichtshof nicht
veranlasst.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die (den Angeklagten J***** betreffende) Berufung folgt (§ 285i StPO).
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