European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123392
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, ob die Voraussetzungen für eine Obsorgeübertragung erfüllt sind, ist grundsätzlich eine solche des Einzelfalls, der keine Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zukommt, wenn dabei auf das Kindeswohl ausreichend Bedacht genommen wird und leitende Grundsätze der Rechtsprechung nicht verletzt werden (RIS‑Justiz RS0115719). Dies gilt auch für die hier erfolgte Übertragung der Obsorge auf den Jugendwohlfahrtsträger nach § 181 ABGB, weil (auch) diese Beurteilung stets nur aufgrund der Umstände des konkreten Falls vorgenommen werden kann, (RIS‑Justiz RS0007101 [T11]).
2. Eine Gefährdung des Kindeswohls ist dann gegeben, wenn die Obsorgeberechtigten ihre Pflichten objektiv nicht erfüllen oder diese subjektiv gröblich vernachlässigen und durch ihr Verhalten schutzwürdige Interessen des Kindes, wie die physische oder psychische Gesundheit, die altersgemäße Entwicklung und Entfaltungsmöglichkeit, die soziale Integration oder die wirtschaftliche Sphäre des Kindes, konkret gefährden (vgl RIS‑Justiz RS0048633). Die Ansicht der Vorinstanzen, ausgehend von den im vorliegenden Fall getroffenen Feststellungen sei die Gefährdung des Kindeswohls gegeben, weicht von dieser Rechtsprechung nicht ab und stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.
3. Mit ihrem Vorbringen, ein neben der Stellungnahme der Familiengerichtshilfe einzuholendes Gutachten aus dem Bereich der Kinderpsychiatrie hätte erbracht, dass das Wohl der Kinder (doch) nicht gefährdet sei, zeigen die Revisionsrekurswerber keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf. Da der Oberste Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren nur als Rechts- und nicht als Tatsacheninstanz entscheidet (RIS‑Justiz RS0007236 [T3]; RS0108449 [T2]) besteht eine Bindung an die Beweiswürdigung der Vorinstanzen und an deren Feststellungen. Dazu gehört auch die Frage, ob die vorhandenen Beweisergebnisse die Festellungen rechtfertigen. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht die beiden Revisionsrekurswerber und auch die Minderjährigen P* und D* persönlich angehört; außerdem lag die Stellungnahme eines Psychologen der Familiengerichtshilfe vor. Diese ist zwar nicht einem Sachverständigengutachten iSd §§ 351 ff ZPO gleichzusetzen (Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG [2013] § 106a Rz 31), was im Einzelfall aber nicht ausschließt, dass eine derartige Stellungnahme im Zusammenhalt mit den anderen Beweismitteln eine ausreichende Entscheidungsgrundlage darstellt. Die Frage, ob im Einzelfall zusätzlich auch ein Sachverständigengutachten erforderlich ist, stellt eine vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbare Frage der Beweiswürdigung dar.
Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher als unzulässig zurückzuweisen.
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