OGH 9ObA93/18v

OGH9ObA93/18v27.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Bernhard Kirchl und Karl Schmid als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** M*****, vertreten durch Mag. Boris Knirsch ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt Wien, *****, vertreten durch Mag. Dieter Kieslinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Juni 2018, GZ 10 Ra 130/17m‑23, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 6. September 2017, GZ 28 Cga 138/16t‑18, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00093.18V.0927.000

 

Spruch:

Die Rekurse der klagenden und der beklagten Partei werden zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist seit 1. 8. 2005 bei der Beklagten als Vertragsbedienstete, und zwar laut Dienstvertrag in der Bedienstetengruppe der „Überwachungsorgane für den ruhenden Verkehr“ (nunmehr „Überwachungsorgane für Kurzparkzonen und den ruhenden Verkehr“) beschäftigt. Zeitgleich mit ihrer Aufnahme wurde die Klägerin mit ihrer Zustimmung zur Dienstleistung bei der Landespolizeidirektion Wien (LPD Wien) abgeordnet.

Im Rahmen der Parkraumüberwachung war die Klägerin zunächst im Außendienst mit der Kontrolle von Parkscheinen und dem Ausstellen von Organstrafverfügungen tätig. Im Zuge der Zusammenlegung der Parkraumüberwachungsgruppen der MA 67 und der Landespolizeidirektion Wien im Jahr 2012 wechselte die Klägerin ab dem 1. 10. 2012 mit ihrer Zustimmung in den Innendienst. Hier war die Klägerin vor allem für das Service-Telefon, die Datenerfassung im Zusammenhang mit dem Anlegen und Abnehmen von Radklammern, die Abwicklung von Abschleppmaßnahmen mit der MA 48 und den Parteienverkehr im Zusammenhang mit dem Bezahlen von Parkstrafen nach dem Anlegen von Radklammern zuständig. Das zwischen den Parteien bestandene Dienstverhältnis blieb auch nach dem Wechsel in den Innendienst unverändert aufrecht, die Klägerin blieb auch weiterhin der Bedienstetengruppe „Überwachungsorgane für Kurzparkzonen und den ruhenden Verkehr“ zugeordnet. Der Klägerin wurde weder schriftlich noch mündlich zugesagt, dass sie ab nun ausschließlich Innendienst verrichten könne.

Aufgrund verschiedener interner Konflikte zwischen den Mitarbeitern im Innendienst entschied die LPD Wien, dass die Klägerin ab 1. 9. 2016 wieder im Außendienst tätig sein sollte. Dazu kam es allerdings nicht, weil sich die Klägerin aufgrund eines Arbeitsunfalls vom 30. 8. 2016 bislang im Krankenstand befindet.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die ausgesprochene Versetzung rechtsunwirksam sei, sodass sie zur Arbeit am neuen Arbeitsplatz im Außendienst nicht verpflichtet sei. Außerdem sei sie auch gesundheitlich nicht in der Lage, Außendienst zu verrichten.

Die Beklagte bestritt und wandte ein, dass es keine eigene „Innendienstplanstelle“ gebe und die Klägerin keinen Rechtsanspruch auf Innendienst habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.Die Klägerin sei als Vertragsbedienstete nach § 4 Abs 2 VBO 1995 verpflichtet, alle Geschäfte, die sich aus dem Geschäftskreis der Bedienstetengruppe „Überwachungsorgane für Kurzparkzonen und den ruhenden Verkehr“ ergeben, durchzuführen. Der allgemeine Geschäftskreis dieser Bedienstetengruppe sei weder auf den Außendienst noch auf den Innendienst eingeschränkt. Nur weil faktisch eine gewisse Zeit der Außendienst- oder der Innendienstanteil einer Tätigkeit überwiege, sei damit noch keine Verwendungsänderung verbunden.

Das Berufungsgericht gab der gegen die Entscheidung des Erstgerichts gerichteten Berufung der Klägerin Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Die mit Einverständnis der Klägerin vorgenommene Abordnung an die LPD Wien habe an dem zwischen den Parteien im Dienstvertrag durch Festlegung der bestimmten Bedienstetengruppe vereinbarten Tätigkeitsinhalt nichts geändert. Da der Geschäftskreis der Bedienstetengruppe „Überwachungsorgane für Kurzparkzonen und den ruhenden Verkehr“ aber sowohl den Innen- als auch den Außendienst umfasse, sei die Klägerin nach § 4 Abs 2 VBO 1995 auch zum Außendienst im Rahmen dieses Geschäftskreises verpflichtet. Durch die bloß längere Verwendung der Klägerin im Innendienst habe sich der im Dienstvertrag vereinbarte Aufgabenkreis der Klägerin nicht geändert. Eine Versetzung liege nach § 10 Abs 1 VBO 1995 nur dann vor, wenn der Vertragsbedienstete dauerhaft einer anderen Dienststelle zur Dienstleistung zugewiesen werde. Dies sei aber hier nicht der Fall, weil die Klägerin durch Verrichtung der Außendiensttätigkeiten im Rahmen des Geschäftskreises ihrer Bedienstetengruppe nicht einer anderen Dienststelle als der MA 67 zugewiesen worden sei.

Eine Anwendung des § 101 ArbVG sei im vorliegenden Fall durch § 33 Abs 2 Z 2 ArbVG ausdrücklich ausgeschlossen. Für eine analoge Anwendung des § 101 ArbVG bleibe nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs aus kompetenzrechtlichen Überlegungen kein Raum.

Dennoch sei mit einer Aufhebung des Ersturteils vorzugehen, weil das Erstgericht zu den Behauptungen der Klägerin, sie sei aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht in der Lage, Außendiensttätigkeiten zu verrichten, weder Beweise aufgenommen noch Feststellungen getroffen habe. Aufgrund der die Dienstgeberin treffenden Fürsorgepflicht müsse diese die Klägerin allenfalls weiter im Innendienst einsetzen.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu der über den Einzelfall hinausgehenden Frage der Zulässigkeit der Änderung einer Diensteinteilung eines gemäß § 14 Abs 1 Z 1 VBO 1995 abgeordneten Dienstnehmers zu.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet sich der (unrichtig als „Revisionsrekurs“ bezeichnete) Rekurs der Klägerin und der Rekurs der Beklagten. Die Klägerin macht den Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt mit ihrem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzugeben. Hilfsweise wird beantragt, die Berufungsentscheidung aufzuheben und das Verfahren an das Erstgericht, in eventu an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt unter Geltendmachung der Rekursgründe der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Bestätigung der klagsabweisenden Entscheidung des Erstgerichts.

Rechtliche Beurteilung

I. Aufgrund eines Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO wird ein Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschluss grundsätzlich für beide Parteien anfechtbar. Das Berufungsgericht darf die Zulässigkeit des Rekurses aber nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 ZPO (§ 519 Abs 2 ZPO) aussprechen. Der Zweck des zulässigen Rekurses besteht in der Überprüfung der Rechtsansicht des Berufungsgerichts durch den Obersten Gerichtshof. Demnach muss im Rekurs gegen einen Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschluss eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend gemacht werden. Der Oberste Gerichtshof ist an den Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht gebunden. Ist – wie hier – keine erhebliche Rechtsfrage zu lösen, so ist der Rekurs zurückzuweisen (§ 526 Abs 2 ZPO).

Die Zurückweisung eines Rekurses mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO; RIS‑Justiz RS0043691).

II.  Zum Rekurs der Klägerin:

1.  Die unrichtige Benennung des Rechtsmittels der Klägerin als „Revisionsrekurs“ hindert nicht dessen Behandlung in einer dem Gesetz entsprechenden Weise (RIS‑Justiz RS0036258).

2.  Auf das zwischen den Streitteilen bestehende Dienstverhältnis kommt unstrittig die Wiener Vertragsbedienstetenordnung 1995 (VBO 1995) zur Anwendung (§ 1 Abs 1 Z 1 VBO 1995 idF LGBl Nr 2017/33 iVm § 1 Abs 1 VBO 1995 idF LGBl 1995/50). Die im Einverständnis mit der Klägerin von der Beklagten (unbefristet) vorgenommene Abordnung der Klägerin zur Dienstleistung an die LPD Wien gemäß § 14 Abs 1 Z 1, Abs 2 VBO 1995 hat daran nichts geändert. Der Beklagten blieb als Dienstgeberin die direktionale Gewalt über die Klägerin. Lediglich die Fachaufsicht sowie Teile der Dienstaufsicht werden von der LPD Wien wahrgenommen (vgl Art 5 Abs 2–4 der Vereinbarung gemäß Art 15a B‑VG über die Parkraumüberwachung in Wien, BGBl II 2013/66; LGBl für Wien 2013/15; Nedbal‑Bures , Ruhender Verkehr – Parkraumbewirtschaftung neu, ZVR 2012/244 [473]).

3.  Gemäß § 4 Abs 2 VBO 1995 ist der Vertragsbedienstete grundsätzlich nur zur Durchführung jener Geschäfte verpflichtet, die sich aus dem allgemeinen Geschäftskreis der Bedienstetengruppe ergeben, der er angehört. Wenn es der Dienst jedoch erfordert, kann er nach Maßgabe seiner Eignung vorübergehend auch zur Besorgung anderer Geschäfte herangezogen werden.

Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Geschäftskreises der Bedienstetengruppe „Überwachungsorgane für Kurzparkzonen und den ruhenden Verkehr“, der die Klägerin dienstvertraglich zugehörig ist, wonach dieser sowohl die festgestellten Innen- als auch Außendiensttätigkeiten umfasst, ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Klägerin wurde auch nicht durch die langjährige Verwendung der Klägerin im Innendienst „faktisch“ und mit konkludenter Zustimmung der Beklagten ein zweiter Geschäftskreis „Innendienst“ dieser Bedienstetengruppe geschaffen (vgl RIS‑Justiz RS0029509; 9 ObA 37/17g). Die im Rekurs der Klägerin zur Untermauerung ihres gegenteiligen Rechtsstandpunkts herangezogene Judikatur zur Einstufung eines Vertragsbediensteten (RIS‑Justiz RS0082007) ist hier nicht einschlägig.

Eine Versetzung der Klägerin erfolgte durch die Anordnung zur Leistung von Außendienst nicht, weil die Klägerin nicht einer anderen Dienststelle zur Dienstleistung zugewiesen wurde (vgl § 10 Abs 1 VBO 1995; 9 ObA 311/99x).

4.  Die im Rekurs der Klägerin behauptete Regelungslücke im Falle einer längeren Dienstzuteilung bzw Dienstzuweisung eines Vertragsbediensteten liegt nicht vor. Die Klägerin unterliegt gemäß § 1 Abs 2 Z 1 dem Wiener Personalvertretungsgesetz – W‑PVG. Die Bestimmung des § 101 ArbVG ist nach § 33 Abs 2 Z 2 ArbVG auf das gegenständliche Vertragsbedienstetenverhältnis nicht anzuwenden. Eine analoge Anwendung kommt schon aus kompetenzrechtlichen Überlegungen nicht in Betracht (vgl 9 ObA 151/08h; RIS‑Justiz RS0125258). Dem für das Dienstrecht zuständigen Gesetzgeber steht es auch zu, die Voraussetzungen für und die Verpflichtung zur Versetzung so zu regeln, dass ein weiterer Spielraum für Mitwirkungsrechte des Betriebsrats nicht besteht. Dagegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (8 ObA 78/07i). Die Schaffung unterschiedlicher Ordnungssysteme liegt grundsätzlich im Gestaltungsspielraum des jeweils zuständigen Gesetzgebers (9 ObA 110/10g).

III.  Zum Rekurs der Beklagten:

Mit der im Rechtsmittel geltend gemachten Aktenwidrigkeit und unrichtigen rechtlichen Beurteilung zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Klägerin hat im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht, aufgrund ihrer körperlichen Einschränkungen ausschließlich Innendiensttätigkeiten verrichten zu können. Feststellungen dazu hat das Erstgericht aufgrund seiner rechtlichen Beurteilung nicht getroffen. Zu dieser Frage hat das Erstgericht auch die von der Klägerin beantragten Beweise nicht aufgenommen. Aufgrund der insofern zutreffenden rechtlichen Beurteilung zur Fürsorgepflicht des Dienstgebers durch das Berufungsgericht – dies wird von der Klägerin nicht bekämpft – fehlen für die abschließende rechtliche Beurteilung entscheidende Feststellungen (vgl RIS‑Justiz RS0053317). Die Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht iSd § 496 Abs 3 ZPO ist nicht zu beanstanden (vgl RIS‑Justiz RS0044905).

Da die Entscheidung des Berufungsgerichts somit nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 1 ZPO abhängt, waren beide Rekurse zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Beide Parteien haben auf die Unzulässigkeit des Rekurses des Gegners in ihrer Rekursbeantwortung hingewiesen (RIS‑Justiz RS0123222 [T8]).

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