OGH 3Ob162/18x

OGH3Ob162/18x21.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei U***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger, Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die verpflichtete Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen § 353 EO (Streitwert 5.000 EUR), über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 5. Juli 2018, GZ 53 R 113/18a‑14, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 27. April 2018, GZ 8 E 5588/17h‑6, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00162.18X.0921.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung von 20.000 EUR zu entfallen hat.

Die betreibende Partei ist schuldig, der verpflichteten Partei die mit 501,91 EUR (hierin enthalten 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Mit Beschluss vom 19. Dezember 2017 bewilligte das Erstgericht der Betreibenden gegen die Verpflichtete aufgrund eines vollstreckbaren Urteils des Erstgerichts (soweit in dritter Instanz relevant) die Exekution durch zwangsweise Entfernung von Antennen, Spiegeln, Funkanlagenteilen ua samt dazugehöriger Verkabelung, die an der Außenseite der Bergstation der Seilbahn der Betreibenden montiert (und im Titel näher beschrieben) sind, auf Kosten der Verpflichteten.

Die Verpflichtete erhob daraufhin beim Erstgericht eine Oppositionsklage und beantragte die Aufschiebung der anhängigen Exekution bis zur rechtskräftigen Erledigung dieses Verfahrens. Ihr sei mit (nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Titelverfahren erlassenem) Bescheid der Telekom-Control-Kommission (TKK) vom 18. Dezember 2017 ein Mitbenutzungsrecht iSd §§ 8 ff TKG 2003 (ua) am Stationsgebäude der Bergstation der Betreibenden für die Errichtung und den Betrieb von Kommunikationsanlagen eingeräumt worden. Der genannte Bescheid sei zwar noch nicht rechtskräftig, aber seit dem 22. Dezember 2017 rechtswirksam und in Geltung; das Bundesverwaltungsgericht habe dem Antrag der Beklagten (Betreibenden), ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht stattgegeben. Der betriebene Anspruch sei deshalb gehemmt „oder derzeit bis auf weiteres aufgehoben und beseitigt“.

Zu ihrem Aufschiebungsantrag brachte die Verpflichtete vor, für das Funktionieren ihrer Telekommunikationsdienste sei der gegenständliche Sendestandort aufgrund seiner topografischen Lage unverzichtbar. Sie versorge über ihre von der Exekution betroffene Telekommunikationsanlage rund 100 Kunden mit Breitbandinternet, Telefonie, Notrufdienst etc. Im Fall der exekutiven Entfernung würden alle ihre Telekommunikationskunden ihre Verträge auflösen und hätten überdies die Möglichkeit, Schadenersatz zu fordern. Die Verpflichtete lukriere aus den mit ihren Kunden vertraglich vereinbarten Entgelten für die von der Station bereitgestellten Telekommunikationsdienste monatlich ein Entgelt von rund 4.000 bis 5.000 EUR. Diese Einnahmen würden zur Gänze entfallen, wenn die Anlage nicht mehr betrieben werden könnte. Darüber hinaus drohe ihr ein enormer Imageverlust. Demgegenüber sei ein der Betreibenden aus einem (vorläufigen) Aufrechtbleiben der Anlagen drohender Nachteil nicht erkennbar.

Die Betreibende sprach sich gegen die Aufschiebung der Exekution aus. Wenn überhaupt, komme eine Aufschiebung nur bei Erlag einer Sicherheitsleistung in Höhe von mehreren hunderttausend Euro in Betracht.

Das Erstgericht wies den Aufschiebungsantrag ab. Ein Vermögensnachteil iSd § 44 Abs 1 EO liege grundsätzlich nur dann vor, wenn der Aufschiebungswerber aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, also insbesondere wegen mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des allenfalls Ersatzpflichtigen nicht damit rechnen könne, Ersatz für seinen aus der allenfalls unbegründeten Exekutionsführung resultierenden Schaden erlangen zu können. Solches habe die Verpflichtete nicht einmal behauptet.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Verpflichteten (teilweise) Folge und schob die Exekution auf Entfernung gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von 20.000 EUR bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die anhängige Oppositionsklage auf. Die vorliegende Exekution weise – wie bereits der Rechtsmittelsenat des Rekursgerichts zu 22 R 168/18m im Verfahren über die Aufschiebung der Räumungsexekution zutreffend ausgeführt habe – die Besonderheit auf, dass ihr Vollzug zwangsläufig das Nichtfunktionieren der von der Verpflichteten im öffentlichen Interesse betriebenen Wireless-Lan-Funkanlage zur Folge hätte und daher auch in die zahlreichen Rechtsverhältnisse der Verpflichteten mit ihren Vertragspartnern über das Zurverfügungstellen von Telekommunikationsdiensten eingegriffen werde. Abgesehen von Vermögensnachteilen, die darin lägen, dass die Verpflichtete bei Nichtfunktionieren der Sendeanlage von ihren Kunden kein Entgelt mehr einfordern könne, sei auch ein Imageverlust durch die Nichtbedienung der Kunden offensichtlich. Durch die Entscheidung in Form eines Bescheids der Telekom-Control-Kommission vom 18. Dezember 2017 sei ferner auch bescheinigt, dass dringende Geschäftsinteressen der Verpflichteten in Erfüllung ihrer vertraglichen, dem öffentlichen Interesse dienenden Verpflichtungen gegenüber den Telekommunikations‑ leistungsbeziehern beeinträchtigt würden. Dies begründe die Offenkundigkeit der Gefahr iSd § 44 Abs 1 EO. Es entspreche der Rechtsprechung, dass auch die Aufschiebung einer Exekution gemäß § 353 EO grundsätzlich möglich sei. Eine Gefährdung des Seilbahnbetriebs der Betreibenden sei nicht konkret behauptet; durch die genannte Entscheidung der Kommission werde lediglich ein Zustand fortgeschrieben, wie er bereits langjährig den Betrieb der Seilbahn begleite; daran ändere sich auch nichts, wenn den Parteien des Verwaltungsverfahrens die Umgestaltung des Provisoriums in Form eines dauerhaften Betriebs aufgetragen werde.

Nach § 44 Abs 2 Z 1 EO sei allerdings der Verpflichteten der Erlag einer Sicherheitsleistung aufzutragen und die Höhe – wie in der Entscheidung des Senats in der Räumungsexekution – ebenfalls mit 20.000 EUR festzulegen, weil mit dem Gesamtbetrag auch ein allfälliger Verzögerungsschaden aus der Aufschiebung der Exekutionen abgedeckt werden könne und ein solcher Betrag auch der finanziellen Leistungsfähigkeit der Verpflichteten entspreche.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil auch im Fall der Aufschiebung der Exekution nach § 353 EO die Rechtsfrage der Offenkundigkeit der Gefahr bei der Berührung dringender Geschäftsinteressen der Verpflichteten eine erhebliche Rechtsfrage darstelle.

Mit ihrem Revisionsrekurs wendet sich die Verpflichtete gegen die Auferlegung der Sicherheitsleistung dem Grunde und der Höhe nach.

Die Betreibende beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

1. Dem Exekutionstitel liegt zugrunde, dass die Betreibende jenen Vertrag, aufgrund dessen die Verpflichtete ihre Anlage an und in der Bergstation errichtet hat, wirksam aufgekündigt und damit dessen automatische Verlängerung verhindert hat. Mit dem erwähnten Bescheid der TKK wurde die sinngemäße Wiederanwendung der maßgeblichen Bestimmungen der seinerzeitigen Vereinbarung der Parteien angeordnet und die Mitbenutzung (unter anderem) von Antennenträgern sowie der dafür erforderlichen Zuleitungen am Stationsgebäude der Bergstation der Betreibenden festgelegt.

2. Da der Bescheid der TKK vorläufig rechtswirksam (wenngleich auch noch nicht rechtskräftig) ist, bewirkt die in ihm (vorläufig rechtswirksam) angeordnete Wiederanwendung jenes Vertrags, aufgrund dessen die Verpflichtete die Bergstation für ihre Anlage nutzen durfte, zwar (noch) nicht den Wegfall, wohl aber – im Sinn des Oppositionsklagebegehrens – die Hemmung des titulierten Räumungsanspruchs wie auch des hier gegenständlichen Entfernungsanspruchs.

3. Gemäß § 44 Abs 2 EO ist die Aufschiebung der Exekution ua dann von einer entsprechenden Sicherheitsleistung abhängig zu machen, wenn die Tatsachen, auf die sich die Einwendungen gegen den Anspruch oder gegen die Exekutionsbewilligung (§§ 35 und 36 EO) stützen, nicht durch unbedenkliche Urkunden dargetan sind (Z 1), oder wenn die Aufschiebung der Exekution die Befriedigung des betreibenden Gläubigers zu gefährden geeignet ist (Z 3).

4. Dass der vorgelegte Bescheid noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, hindert angesichts seiner vorläufigen Rechtswirksamkeit nicht seine Qualifikation als unbedenkliche Urkunde iSd § 44 Abs 2 Z 1 EO. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang vielmehr, dass der (vorläufig) rechtswirksame Bescheid die Wiederanwendung des seinerzeitigen Vertrags anordnet, aufgrund dessen die Verpflichtete (auch) die nun vom Exekutionstitel erfassten, nun zu entfernenden Außenanlagen nutzte. § 44 Abs 2 Z 1 EO ist deshalb im vorliegenden Fall keine taugliche Grundlage für die Auferlegung einer Sicherheitsleistung.

5. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob trotz Vorlage unbedenklicher Urkunden iSd § 44 Abs 2 Z 1 EO die Aufschiebung der Exekution unter Umständen – nämlich bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 44 Abs 2 Z 3 EO – dennoch vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden kann (so 3 Ob 139/78; 3 Ob 102/06f; Jakusch in Angst/Oberhammer 3 § 44 EO Rz 21; ggt 3 Ob 177/06k), weil das Rekursgericht ohnehin zutreffend davon ausgegangen ist, dass die Aufschiebung der Exekution hier nicht geeignet ist, die Befriedigung der Betreibenden zu gefährden.

6. Der angefochtene Beschluss ist deshalb wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO iVm §§ 41, 50 ZPO. Die Verpflichtete hat im Zwischenstreit über die Auferlegung der Sicherheitsleistung obsiegt.

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