OGH 12Os26/18t

OGH12Os26/18t13.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. September 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ertl, LL.M., als Schriftführer in der Strafsache gegen Abdel Hakeem K***** wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 24. Oktober 2017, GZ 6 Hv 76/17a‑47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00026.18T.0913.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Abdel Hakeem K***** der Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (I./) und der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in G***** von Mitte April 2016 bis 20. Juni 2016

I./ sich als Mitglied an der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat (IS) in dem Wissen beteiligt (§ 278 Abs 3 StGB), dass er dadurch diese in deren Ziel, im Irak, in Syrien, im Libanon, in Jordanien, Palästina und in Europa einen radikal‑islamischen Gottesstaat (Kalifat) zu errichten, und deren strafbare Handlungen, nämlich die zur Erreichung dieses Ziels als erforderlich angesehenen terroristischen Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB fördert, indem er in der Justizanstalt G***** Mithäftlinge für die Mitgliedschaft an der terroristischen Vereinigung bzw kriminellen Organisation (IS) anzuwerben versuchte, ihnen gegenüber Nachrichten über terroristische Anschläge des IS wohlwollend kommentierte, diese Kommentierungen durch Beten verstärkte, Mithäftlinge animierte, seinem Beispiel zu folgen und seine Bereitschaft zur Ausführung von Vereinigungstaten durch die Äußerung, er werde Österreich bombadieren, bekundete;

II./ durch die zu Punkt I./ angeführten Handlungen sich an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, nämlich der international agierenden terroristischen Vereinigung Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) bzw Islamischer Staat (IS), als Mitglied in dem Wissen beteiligt (§ 278 Abs 3 StGB), dass er dadurch die Vereinigung in ihrem Ziel, im Irak, in Syrien, im Libanon, in Jordanien, Palästina und in Europa einen radikal‑islamischen Gottesstaat (Kalifat) zu errichten, und deren strafbare Handlungen, nämlich die zur Erreichung dieses Ziels als erforderlich angesehenen terroristischen Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB fördert, die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, und schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen und des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln ausgerichtet ist, indem sie seit Sommer 2011 insbesondere in Syrien und im Irak unter Anwendung besonderer Grausamkeit durch terroristische Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB durch ihre Kämpfer die Zerstörung des syrischen und irakischen Staates betreibt, in den eroberten Gebieten in Syrien und im Irak die sich nicht ihren Zielen unterordnende Zivilbevölkerung tötet oder vertreibt, sich deren Vermögen aneignet, durch Geiselnahme große Geldsummen erpresst, die vorgefundenen Kunstschätze veräußert und Bodenschätze, insbesondere Erdöl und Phosphat zu ihrer Bereicherung ausbeutet, die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang anstrebt und die andere durch angedrohte und ausgeführte Terroranschläge insbesondere in Syrien und im Irak, aber auch in Europa einschüchtert und sich auf besondere Weise, nämlich durch Geheimhaltung ihres Aufbaus, ihrer Finanzstruktur, der personellen Zusammensetzung der Organisation und der internen Kommunikation, gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

§ 281 Abs 1 Z 5a StPO als

Tatsachenrüge will nur unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

Indem die Rüge darauf verweist, Usama M***** sei nie vernommen worden, übergeht sie, dass dessen Angaben, wenngleich von Aureole T***** übersetzt, von Justizwachebeamten in der Meldung vom 20. Juni 2016 festgehalten wurden (ON 2; vgl auch ON 12 S 2 f, ON 14 S 2), und verkennt mit ihrem weiteren Einwand, Aureole T***** sei lediglich Zeuge vom Hörensagen, dass eine derartige Beweisaufnahme keineswegs unzulässig ist (RIS‑Justiz RS0053564 [insbesondere T3, T4 und T13]).

Mit dem auf eigenständigen Beweiswerterwägungen basierenden Vorbringen, aus den Aussagen des Aureole T*****, dem Vorleben und dem Verhalten des Angeklagten sowie aus den Angaben von Mithäftlingen, von denen, wie von der Beschwerde behauptet, keineswegs alle – außer Edwin H***** – angaben, den Rechtsmittelwerber erst nach der Anzeige am 20. Juni 2016 kennen gelernt zu haben (vgl ON 19 S 75 ff, S 85 f, S 103 ff, S 123 ff, ON 24 S 13), und Bediensteten der sozialen Gerichtshilfe seien für den Beschwerdeführer günstigere Schlussfolgerungen zu ziehen als jene des Erstgerichts, wird die dem geltend gemachten Nichtigkeitsgrund immanente Erheblichkeitsschwelle nicht überschritten. Die Tatrichter sind nämlich weder zu einer logisch zwingenden Begründung noch dazu verhalten, von mehreren möglichen Versionen die für den Beschwerdeführer günstigere zu wählen (

RIS‑Justiz

RS0099674,

RS0119583 [T6]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 488 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO) – bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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