European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00075.18Y.0823.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Anordnung der Unterbringung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Renate P***** nach § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil sie unter dem Einfluss einer paranoiden Schizophrenie (F 20.0), somit eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, „und einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung im Sinne des § 11 StGB“,
I./ am 29. Juli 2014 in G*****
1./ die einschreitenden Polizeibeamten Anita P***** und Romana V***** mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der geforderten Ausweiskontrolle und in weiterer Folge ihrer Festnahme, zu hindern versuchte, indem sie, um sich ihrer Festnahme zu entziehen, auf diese zulief und durch vehementen Einsatz von Körperkraft gegen das Anlegen von Handfesseln wehrte sowie den einschreitenden Beamten Fußtritte versetzte und Romana V***** in die rechte Hand biss;
2./ durch die in Punkt I./1./ genannte Tat nachgenannte Personen, somit Beamte, während und wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben und Erfüllung ihrer Pflichten vorsätzlich am Körper
a./ verletzte, und zwar Romana V*****, indem sie sie in die rechte Hand biss, wodurch diese eine Rötung am Handrücken erlitt;
b./ zu verletzen versuchte, und zwar Rita Z*****, indem sie ihr einen Fußtritt versetzte, wobei es mangels eines Verletzungserfolgs beim Versuch blieb,
II./ am 24. Mai 2017 in B*****
1./ den Polizeibeamten Markus L***** mit Gewalt am Vollzug der Verhinderung eines neuerlichen Betretens der Fahrbahn sowie am Vollzug der Vorführung nach dem UGB, also einen Beamten an einer Amtshandlung zu hindern versuchte, indem sie zunächst um parkende Kraftfahrzeuge herumlief und, als der Genannte die Hand zu ihrer Ergreifung ausstreckte, ihn in den Finger biss, wodurch dieser eine leicht blutende Bisswunde erlitt;
2./ durch die in Punkt II./1./ genannte Tat einen Beamten während und wegen der Vollziehung seiner Aufgaben und Erfüllung seiner Pflichten vorsätzlich am Körper verletzte,
also Taten begangen hatte, die ihr, wäre sie zu den Tatzeitpunkten zurechnungsfähig gewesen, zu I./1./ und II./1./ jeweils als Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 StGB und zu I./2./ und II./2./ jeweils als Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2, 15 Abs 1 StGB zuzurechnen gewesen wären.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen gerichtete, aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen verfehlt ihr Ziel.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) weist zu I./2./a./ zwar zutreffend darauf hin, dass einer bloß kurzfristig sichtbaren Hautrötung noch nicht die Qualität einer Körperverletzung zukommt (RIS‑Justiz RS0092574 [T5, T6]; Kienapfel/Schroll StudB BT I 4 § 83 Rz 9; Burgstaller/Fabrizy in WK 2 StGB § 83 Rz 8) und dass nähere Feststellungen zur Dauer der Wahrnehmbarkeit des Eingriffs in die körperliche Integrität fehlen. Sie übersieht jedoch, dass auch dann, wenn die Bagatellschwelle nicht überschritten worden sein sollte, nach den Konstatierungen versuchte Tatbegehung anzunehmen wäre, sodass selbst eine verfehlte Beurteilung als vollendete schwere Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB weder für die Subsumtion (RIS‑Justiz RS0122138) noch im vorliegenden Fall – weil § 34 Abs 1 Z 13 StGB bei einem Ausspruch nach § 21 Abs 1 StGB nicht zum Tragen kommen kann – für die Sanktion (RIS‑Justiz RS0122137) nichtigkeitsrelevant wäre.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung ebenso sofort zurückzuweisen wie die angemeldete und ausgeführte, im kollegialgerichtlichen Verfahren jedoch nicht vorgesehene Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§§ 285d Abs 1, 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Anordnung der Unterbringung folgt (§ 285i StPO).
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