European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E122753
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Der Antrag auf Einstellung des Verfahrens wird abgewiesen.
Die Anträge auf Vorlage gemäß Art 89 B‑VG, auf Vorlage gemäß Art 267 AEUV sowie auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels werden zurückgewiesen.
Begründung:
Das Erstgericht bestellte in der gegenständlichen Erwachsenenschutzsache eine Sachverständige, um Befund und Gutachten darüber zu erstatten, ob beim Betroffenen eine psychische Erkrankung oder geistige Behinderung vorliegt, welche es ihm unmöglich macht, alle oder einzelne seiner Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen, dies insbesondere betreffend die Frage der Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten.
Das Rekursgericht wies den dagegen vom Betroffenen erhobenen Rekurs mangels gesonderter Anfechtbarkeit von verfahrensleitenden Beschlüssen zurück; es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Betroffenen, verbunden mit Anträgen auf Einstellung des Verfahrens, auf Vorlage gemäß Art 89 B-VG und gemäß Art 267 AEUV sowie auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
Rechtliche Beurteilung
Alle Beschlüsse, die im Rahmen des Rekursverfahrens ergehen, auch solche auf Zurückweisung eines nicht selbständig anfechtbaren verfahrensleitenden Beschlusses, sind unter den Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG anfechtbar (RIS-Justiz RS0120565 [T16], RS0120974 [T11]). Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG vermag der außerordentliche Revisionsrekurs jedoch nicht aufzuzeigen, weshalb er nicht zulässig ist.
1. Mit 1. 7. 2018 traten die Gesetzesänderungen im Erwachsenenvertretungsrecht (früher Sachwalterschaftsrecht), die mit dem 2. Erwachsenschutz-Gesetz (2. ErwSchG, BGBl I 59/2017) erlassen wurden, in Kraft. Gemäß § 207m Abs 1, 3 AußStrG (siehe auch § 1503 Abs 9 Z 1, 4 ABGB) sind die neuen Bestimmungen auf Verfahren anzuwenden, die nach dem 30. 6. 2018 anhängig sind oder anhängig werden.
2. Nach alter Rechtslage (§ 121 Abs 5 AußStrG aF) war die Bestellung eines Sachwalters nur nach Beiziehung zumindest eines Sachverständigen zulässig. Nunmehr sieht § 120a AußStrG vor, dass das Gericht einen Sachverständigen zu bestellen hat, wenn es dies für erforderlich hält oder die betroffene Person dies beantragt.
3. Der noch nach alter Rechtslage vom Erstgericht gefasste Beschluss auf Bestellung eines Sachverständigen ist ein verfahrensleitender Beschluss. Diese verfahrensrechtliche Qualifikation blieb durch die Gesetzsänderung unberührt.
4. Ein verfahrensleitender Beschluss, mit dem ein Sachverständiger bestellt wird, war schon bisher mangels Anordnung der selbstständigen Anfechtbarkeit (vgl § 45 Satz 2 AußStrG) nicht gesondert anfechtbar (vgl RIS‑Justiz RS0120910; RS0120052; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 45 Rz 15).
An dieser Rechtslage hat sich durch das 2. ErwSchG nichts geändert: Auch wenn nunmehr die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht mehr zwingend ist, ergibt sich hinsichtlich der für die Zulässigkeit des Rechtsmittels maßgeblichen Anfechtbarkeit eines der Stoffsammlung dienenden Beschlusses keine Änderung. § 45 AußStrG ist von der Gesetzesänderung nicht betroffen und § 120a AußStrG ordnet keine abgesonderte Anfechtbarkeit solcher Beschlüsse an.
5. Die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichts entspricht dieser klaren Rechtslage. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
6. Da verfahrensleitende Beschlüsse gemäß § 43 Abs 5 AußStrG – ohne Ausnahme – sofort verbindlich sind, kommt eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für das Rechtsmittelverfahren nicht in Betracht.
7. Gemäß § 122 Abs 1 AußStrG hat das Gericht das Verfahren in jeder Lage einzustellen, wenn es zum Ergebnis gelangt, dass ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter nicht zu bestellen ist. Selbst der Oberste Gerichtshof hat eine Einstellung auszusprechen, wenn er mit der erforderlichen Sicherheit zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für eine derartige Bestellung nicht vorliegen (RIS-Justiz RS0130297 = 6 Ob 157/15d). Das 2. ErwSchG führte – mit Ausnahme des Austausches des Begriffs Sachwalter durch gerichtlicher Erwachsenenvertreter – inhaltlich keine Veränderung dieser Einstellungsbestimmung herbei.
Die für eine Einstellung des Verfahrens erforderliche Sicherheit liegt im Anlassfall aber nicht vor: Der Aktenvermerk ON 44 zeigt nämlich konkrete Anhaltspunkte, die für die Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters sprechen, ebenso in ausreichender Deutlichkeit auf wie die für die betroffene Person zu erledigenden Angelegenheiten (Vertretung vor Gerichten). Nach der Aktenlage kommt damit im derzeitigen Verfahrensstadium eine Einstellung nicht in Betracht, weil aus derzeitiger Sicht nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters nicht vorliegen.
8. Eine Partei ist nicht befugt, die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens oder eines Vorabentscheidungsverfahrens zu begehren, weshalb die diesbezüglichen Anträge zurückzuweisen sind (RIS-Justiz RS0058452).
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