European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00009.18T.0823.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Eva R***** der Verbrechen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (A./), der Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und Abs 3 Z 1, Abs 4 vierter Fall StGB (B./), der Verbrechen (richtig: des Verbrechens) des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG (C./1./), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 2 SMG (C./2./), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (C./3./) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG (C./4./) schuldig erkannt.
Danach hat sie
A./ im Zeitraum 2007 bis 31. Mai 2009 in G***** ihre am 22. September 2002 geborene Tochter Carina R***** vorsätzlich am Körper verletzt (Rötungen, Hämatome, blutige Hautaufschürfung), indem sie sie in mehrfachen Angriffen pro Woche mit der flachen Hand ins Gesicht und auf den Rücken sowie mit Gegenständen wie einem Kochlöffel und einer Fliegenklatsche schlug, mit Gegenständen wie Feuerzeugen, einem Handy und einer GZ‑Platte bewarf, sie an den Haaren zog und sie gewaltsam zwickte;
B./ im Zeitraum von 1. Juni 2009 bis Ende Dezember 2016 in G***** und S***** gegen nachgenannte unmündige Personen eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, wobei die Gewalt länger als ein Jahr ausgeübt wurde, und zwar
1./ gegen ihre am 22. September 2002 geborene Tochter Carina R*****, indem sie sie
a./ in mehrfachen Angriffen pro Woche mit der flachen Hand ins Gesicht und auf den Rücken sowie mit Gegenständen wie einem Kochlöffel und einer Fliegenklatsche schlug, mit Gegenständen wie Feuerzeugen, einem Handy und einer GZ‑Platte bewarf, sie an den Haaren von einem Hochbett zog, sie gewaltsam zwickte und eine Kommode auf sie warf, sie somit vorsätzlich am Körper teils verletzte, teils misshandelte (Rötungen, Hämatome);
b./ mehrfach durch Schläge, also mit Gewalt und durch die Androhung von Schlägen, somit durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper, zu Erzählungen von den Besuchskontakten bei Jürgen S*****, also zu Handlungen nötigte;
2./ gegen ihren am 24. Februar 2006 geborenen Sohn Nils R*****, indem sie ihn in mehrfachen Angriffen pro Monat mit der flachen Hand in das Gesicht, auf die Schultern, Arme, Brust, den Bauch, die Beine und den Rücken sowie mit Gegenständen schlug, mit Gegenständen bewarf und gegen den Körper trat, ihn somit vorsätzlich am Körper teils verletzte, teils misshandelte (Rötungen, Hämatome);
C./ zu nicht näher bekannten Zeitpunkten zwischen 2001 und Ende Dezember 2016 in G***** und S***** vorschriftswidrig Suchtgift
1./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge erzeugt, indem sie zumindest sieben Cannabispflanzen anpflanzte, kultivierte, bis zur Erntereife betreute, erntete, trocknete und daraus mindestens 500 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 7 % (35 Gramm Delta‑9‑THC in Reinsubstanz) gewann;
2./ angebaut, indem sie zumindest neun Cannabispflanzen zum Zweck der Suchtgiftgewinnung kultivierte;
3./ überlassen, indem sie 30 Gramm Delta‑9‑THC‑hältiges Cannabiskraut Sascha N***** unentgeltlich weitergab;
4./ ausschließlich zum persönlichen Gebrauch besessen, indem sie ein Gramm MDMC sowie unbekannte Mengen von MDMA‑hältigen Ecstasy‑Tabletten bis zum Konsum innehatte.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, Z 5a, „Z 9b“ und Z 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten schlägt fehl.
Mit dem der Sache nach erhobenen Einwand unvollständiger Berücksichtigung (Z 5 zweiter Fall) der Aussage der Carina R***** im Rahmen ihrer kontradiktorischen Vernehmung, wonach sie berichtet habe, mit bestimmten Gegenständen lediglich einmal beworfen und nur einmal an den Haaren gezogen worden zu sein, sodass derartige Tathandlungen zu Unrecht sowohl den Schuldspruchpunkten A./ und B./1./ unterstellt worden seien, spricht die Mängelrüge schon angesichts bloß pauschaler Individualisierung jeweils gleichartiger Verbrechensmengen keine entscheidende Tatsache an, wenn sie angesichts der jedenfalls vorliegenden Vielzahl körperlicher Übergriffe die Täterschaft in einigen wenigen Fällen in Frage stellt (RIS‑Justiz RS0116736, vgl auch RS0117436).
Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als
Tatsachenrüge nur unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).
Indem die Beschwerde aus der Verantwortung der Angeklagten und den Aussagen der neben den Tatopfern vernommenen Zeugen, bei Carina und Nils R***** keine Verletzungen, Rötungen oder Hämatome wahrgenommen bzw von diesen nichts von den nunmehr behaupteten körperlichen Übergriffen erfahren zu haben, andere – für die Nichtigkeitswerberin günstigere – Schlüsse zieht als das Erstgericht (vgl US 9 bis 11), vermag sie keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs im oben aufgezeigten Sinn zu wecken, sondern kritisiert nach Art einer Schuldberufung im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung.
Soweit die Rüge unter diesem Nichtigkeitsgrund inhaltlich die offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der zu C./1./ angenommenen Suchtgiftmenge von 500 Gramm Cannabiskraut behauptet, übersieht sie, dass sich das Urteilsgericht darauf stützte, dass noch eine der fünf von Eva R***** zugegebenermaßen befüllten Tabakdosen sichergestellt wurde und dass in diesen eine Füllmenge von jeweils 120 Gramm Platz fand (US 12 iVm ON 15 S 4).
Dass die Strafbarkeit zu A./ wegen Körperverletzung zufolge
Verjährung erloschen sei, wird von der Rechtsrüge (
Z 9 lit b) ohne Ableitung aus dem Gesetz und unter Vernachlässigung der festgestellten weiteren auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Delinquenz zu B./ (vgl § 58 Abs 2, aber auch Abs 3 StGB) bloß behauptet (RIS‑Justiz RS0116565).
Das Vorbringen der zu B./ eine Beurteilung nach § 83 Abs 1 StGB anstrebenden Subsumtionsrüge (Z 10), die Annahme fortgesetzter Gewaltausübung hätte erfordert, dass die Handlungen des Täters geeignet seien, zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit der Opfer zu führen (vgl demgegenüber im Einzelnen 13 Os 143/11w), wird nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung (RIS‑Justiz RS0116565, 15 Os 50/13m).
Unter Verweis auf die Angaben der Tatopfer bestreitet die Beschwerde den konstatierten bedingten Vorsatz der Angeklagten, gegen ihre beiden unmündigen Kinder eine längere Zeit hindurch fortgesetzt länger als ein Jahr Gewalt auszuüben (US 6). Solcherart verfehlt sie jedoch den vom Gesetz geforderten, im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Bleibt anzumerken, dass das Erstgericht zu C./1./ die konstatierte Erzeugung von 500 Gramm Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz von 35 Gramm Delta‑9‑THC, also einer die Grenzmenge übersteigenden Menge (vgl US 6), nicht nur einem, sondern zu Unrecht mehreren Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG unterstellte (vgl RIS‑Justiz RS0431856). Dieser Subsumtionsfehler stellt mit Blick auf die Berücksichtigung des jedenfalls vorliegenden Zusammentreffens mehrerer Verbrechen mit mehreren Vergehen als erschwerend im Rahmen der Strafbemessung (US 13) keinen Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO dar.
Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO). Dieses ist an den aufgezeigten Subsumtionsfehler nicht gebunden (RIS‑Justiz
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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