European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00064.18P.0627.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung des Marvin L***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.
Danach hat er am 21. November 2017 in P***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer schizotypen Störung (US 6), beruht,
1) versucht, Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Vorführung nach § 46 SPG mittels seiner Einlieferung in das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in E*****, zu hindern, indem er beim Verbringen in den Krankenwagen mit den gefesselten Händen auf die Polizeibeamten Thomas S*****, Dietmar R*****, Johann K*****, Alexandra M*****, Daniel Ko***** und Marian T***** einschlug, den Genannten Fußtritte versetzte und danach trachtete, sie zu beißen;
2) durch die zu 1) beschriebenen Tathandlungen eine Körperverletzung (§ 83 Abs 1 StGB) an Marian T*****, sohin an einem Beamten während der Vollziehung seiner Aufgaben oder der Erfüllung seiner Pflichten, begangen, indem er diesem den linken Daumenknochen brach;
3) durch die zu 1) beschriebenen Tathandlungen Marian T***** am Körper verletzt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Körperverletzung des Genannten herbeigeführt, nämlich einen Bruch des linken Daumenknochens;
und hiedurch die Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (1) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (2) und das Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB (3) begangen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.
Mit dieser bekämpft er die Feststellungen zu seiner Krankheit, die hier nur hinsichtlich des auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhenden Zustands und dessen Einflusses auf die Anlasstat interessieren (Z 11 erster Fall iVm Z 5; 13 Os 148/08a; Ratz in WK 2 StGB Vorbem zu §§ 21 bis 25 Rz 9).
Den Inhalt der Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der Justizanstalt Göllersdorf vom 6. April 2018, wonach ein eindeutiges psychotisches Geschehen weder beobachtet, noch ausgeschlossen werden könne (ON 36 iVm ON 37 S 24), den im Übrigen auch der Sachverständige Univ.‑Doz. Dr. Peter H***** in seinem Ergänzungsgutachten berücksichtigte (ON 37 S 19 f), haben die Tatrichter dem Beschwerdevorbringen (Z 5 zweiter Fall) zuwider eingehend erörtert (US 12 ff; US 16 ff). Zudem haben sie dargelegt, weshalb sie ungeachtet dessen den Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten sowie seinem Ergänzungsgutachten (ON 14, ON 30 S 40 ff, ON 35, ON 37 S 8 ff) folgten.
Das seitens der Verteidigung mit Schriftsatz (ON 29) vorgelegte Privatgutachten bedurfte entgegen der Beschwerdeauffassung (Z 5 zweiter Fall) keiner Erörterung, weil es in der Hauptverhandlung nicht verlesen wurde und solcherart nicht vorkam (vgl RIS‑Justiz RS0118316; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 427). Hinzugefügt sei, dass Privatgutachter keine Sachverständigen im Sinn der StPO sind, aus welchem Grund ihre Schlussfolgerungen und Meinungen prozessual unbeachtlich sind ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 435).
Der in diesem Zusammenhang erhobenen Kritik an der Abweisung vom Betroffenen gestellter Beweisanträge (der Sache nach Z 4) sei erwidert:
Den Antrag auf Vernehmung des ärztlichen Leiters der Justizanstalt Göllersdorf Dr. D***** zum Beweis dafür, dass „entgegen der Ansicht des Sachverständigen keine schizopsychotische Erkrankung, sondern eine Persönlichkeitsentwicklungsstörung, wie in der Diagnose von Göllersdorf angeführt, vorliegt“ (ON 37 S 20), wies das Erstgericht schon deshalb ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab, weil Gegenstand des Zeugenbeweises nur wahrgenommene Tatsachen sein können (RIS‑Justiz RS0097573 [insbesondere T8]). Dieser Beweisantrag zielte jedoch auf die Überprüfung des Sachverständigengutachtens ab.
Auch dem Antrag auf „Einholung eines Zweitgutachtens, da sich erhebliche Bedenken und Zweifel an der gestellten Diagnose des hier tätigen Sachverständigen ergeben, da eben von der Anstalt eine andere Diagnose gestellt wurde, […] sohin das Gutachten des Sachverständigen in dieser Hinsicht mangelhaft ist“ (ON 37 S 23), wurde zu Recht nicht gefolgt. Denn ein aus Z 4 garantiertes Überprüfungsrecht besteht nur dann, wenn der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung einen in § 127 Abs 3 erster Satz StPO angeführten Mangel von Befund oder Gutachten aufzeigt und das dort beschriebene Verbesserungsverfahren erfolglos bleibt (vgl RIS‑Justiz RS0117263). Mängel der bereits vorliegenden Expertise des Sachverständigen Univ.‑Doz. Dr. Peter H***** (ON 14, ON 30 S 40 ff; ON 35, ON 37 S 8 ff) im Sinn des § 127 Abs 3 erster Satz StPO wurden jedoch nicht aufgezeigt.
Soweit der Nichtigkeitswerber sein Vorbringen (auch) in Bezug auf die vom Erstgericht angestellte Gefährlichkeitsprognose erstattet, ist zu entgegnen:
In Bezug auf die Erkenntnisquellen der Gefährlichkeitsprognose (Person und Zustand des Rechtsbrechers sowie Art der Tat [§ 21 Abs 1 StGB]) liegt Nichtigkeit aus Z 11 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO nur dann vor, wenn – was die Beschwerde nicht behauptet – das Erstgericht zu wenigstens einer dieser Erkenntnisquellen keine Feststellungen getroffen hat oder die Schlussfolgerung aus den gesetzlich angeordneten Erkenntnisquellen willkürlich erscheint (13 Os 73/06v, SSt 2006/60; RIS‑Justiz RS0113980 [insbesondere T2, T3, T7 und T9]; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 715–718). Eine Anfechtung aus Z 4 oder Z 5 des § 281 Abs 1 StPO steht in Verbindung mit dem zweiten Fall des § 281 Abs 1 Z 11 StPO hingegen nicht offen (RIS‑Justiz RS0118581 [insbesondere T17]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
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