OGH 8Ob51/18k

OGH8Ob51/18k25.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Schuldenregulierungssache der Schuldnerin U***** T*****, wegen Restschuldbefreiung, über die Revisionsrekurse der Gläubiger 1. B***** AG, *****, vertreten durch Putz & Rischka, Rechtsanwälte KG in Wien, 2. L***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Schubert, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 1. Februar 2018, GZ 4 R 253/17k‑68, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Schwaz vom 22. November 2017, GZ 24 S 17/10b‑63, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00051.18K.0625.000

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der abweisende Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

 

Begründung:

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 3. 5. 2010 das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und am 12. 8. 2010 nach Scheitern des angebotenen Zahlungsplans das Abschöpfungsverfahren eingeleitet. Innerhalb der siebenjährigen Laufzeit der Abtretungserklärung erhielten die Gläubiger eine Quote von 3,98 % ihrer angemeldeten Forderungen.

Mit Beschluss vom 6. 9. 2017 teilte das Erstgericht der Schuldnerin mit, dass die Laufzeit der Abtretungserklärung abgelaufen sei und forderte sie angesichts des Nichterreichens der 10%igen Quote auf, binnen 8 Wochen nach § 213 IO einen Antrag auf Restschuldbefreiung nach Billigkeit oder auf Verlängerung des Abschöpfungsverfahrens bei Gericht einzubringen, ansonsten werde angenommen, dass sie auf einen solchen Antrag verzichte.

Am 11. 10. 2017 beantragte die Schuldnerin, vertreten durch die Schuldnerberatung Tirol, das Abschöpfungsverfahren gemäß § 280 IO idF des IRÄG 2017 unter Restschuldbefreiung zu beenden. In eventu stellte sie (unter gleichzeitiger Abgabe einer neuerlichen Abtretungserklärung) den Antrag, das Abschöpfungsverfahren gemäß § 213 Abs 4 IO um 3 Jahre zu verlängern.

Mit Beschluss vom 13. 11. 2017 wies das Erstgericht den Antrag auf sofortige Restschuldbefreiung nach §  280 IO mit der Begründung zurück, die neue Rechtslage sei erst ab 1. 11. 2017 anzuwenden. Dieser Beschluss blieb unangefochten.

Nach Einholung von Äußerungen der Gläubiger verlängerte das Erstgericht aufgrund des Eventualantrags der Schuldnerin mit Beschluss vom 13. 11. 2017 das Abschöpfungsverfahren gemäß § 213 Abs 4 IO (aF) um drei Jahre.

Am 8. 11. 2017 stellte die Schuldnerin neuerlich den Antrag auf Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 280 IO idF des IRÄG 2017.

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit Beschluss vom 22. 11. 2017 ab, da die Voraussetzung des Ablaufs der zuletzt gültigen Abtretungserklärung noch nicht erfüllt sei.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der Schuldnerin Folge. Es erklärte das Abschöpfungsverfahren für beendet und sprach aus, dass die Schuldnerin von den im Verfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit werde.

Die auf anhängige Abschöpfungsverfahren anzuwendende Übergangsbestimmung des § 280 IO idF IRÄG 2017 sei dahin auszulegen, dass nur die ursprüngliche Abtretungserklärung abgelaufen sein müsse, um die Restschuldbefreiung ohne Rücksicht auf die erzielte Quote beantragen zu können.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil – soweit überschaubar – noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Anwendung des § 280 IO nF in einem am 1. 11. 2017 anhängigen, bereits verlängerten Abschöpfungsverfahren bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse der Gläubiger sind zulässig und auch berechtigt, weil die Entscheidung des Rekursgerichts von der neuen ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht.

1. Die für das Schuldenregulierungsverfahren maßgeblichen Änderungen der IO durch das IRÄG 2017 sind anzuwenden, wenn das Insolvenzverfahren nach dem 31. 10. 2017 eröffnet wurde oder der Antrag auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens nach diesem Datum bei Gericht eingelangt ist. Für Abschöpfungsverfahren, die bei Inkrafttreten des Gesetzes anhängig waren, gilt daher grundsätzlich die bisherige Rechtslage.

Nach § 280 IO idF IRÄG 2017 ist nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung auf Antrag des Schuldners das Abschöpfungsverfahren zu beenden, wenn die Abtretungserklärung abgelaufen ist oder seit dem 1. November 2017 fünf Jahre der Abtretungserklärung abgelaufen sind, wobei § 213 Abs 1 zweiter bis vierter Satz in der vor dem IRÄG 2017 vorgesehenen Fassung anzuwenden sind.

2. Es entspricht der nunmehr ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (RIS‑Justiz RS0131932; 8 Ob 6/18t; 8 Ob 5/18w; 8 Ob 20/18t uva), dass § 280 IO eine Beendigung unter Restschuldbefreiung erst nach dem Ende der zuletzt gültigen Abtretungserklärung ermöglicht, was in anhängigen Verfahren, die vom Gericht bereits über Antrag des Schuldners nach § 213 Abs 4 IO aF aus Billigkeitsgründen verlängert wurden, den Ablauf der verlängerten Abtretungserklärung bedeutet (RIS‑Justiz RS0131932; 8 Ob 6/18t; 8 Ob 5/18w; 8 Ob 20/18t ua).

3. Die Schuldnerin hat den Beschluss vom 13. 11. 2017, mit dem das Abschöpfungsverfahren entgegen ihrem Antrag nicht nach § 280 IO unter Restschuldbefreiung beendet, sondern verlängert wurde, unbekämpft in Rechtskraft erwachsen lassen.

Aufgrund des damit geschaffenen Verfahrensstands steht ihr aber die Möglichkeit einer Verfahrensbeendigung nach § 280 IO unter Restschuldbefreiung erst wieder nach dem Ende der laufenden Abtretungserklärung offen.

Den Rekursen der Gläubiger war daher im Ergebnis Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

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