OGH 11Os38/18z

OGH11Os38/18z22.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sifa K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Sifa K***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich Sifa K***** und Sandra S***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. Jänner 2018, GZ 31 Hv 118/17y‑84, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00038.18Z.0522.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten Sifa K***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche anderer Angeklagter sowie einen Freispruch der Sifa K***** enthält, wurde diese – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde relevant – des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (A/I) und des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (A/II) schuldig erkannt.

Danach hat sie in W*****

(A) am 1. Juni 2017

I) Lisa-Marie Sp***** mit Gewalt sowie durch gefährliche Drohung und unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich ein Mobiltelefon, ein Tablet‑PC und 20 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, indem sie ihr einen Schlag mit einer Glasflasche gegen den Kopf und mehrere Schläge in das Gesicht versetzte, sie würgte und gegen einen Kasten schleuderte, wodurch diese eine Schädelprellung samt Schwellung sowie Kratzwunden am Hals erlitt, wobei sie zudem äußerte „Sei still, sonst bringe ich dich um“;

II) „im Anschluss an die zu A/I angeführte Handlung Lisa-Marie Sp***** die persönliche Freiheit entzogen bzw sie widerrechtlich gefangen gehalten, indem sie sie in verletztem Zustand in ihrer Wohnung einsperrte, sodass sie von der Feuerwehr befreit werden musste“.

Insoweit die inhaltlich allein gegen diese Schuldsprüche A/I und II ausgeführte Rüge mit dem auf gänzliche Aufhebung des Schuldspruchs gerichteten Rechtsmittelantrag auch die Schuldsprüche A/III, C und E erfasst, blieb sie mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von angeblich Nichtigkeit bewirkenden Umständen unausgeführt (§§ 285d Abs 1, 285a Z 2 StPO).

Rechtliche Beurteilung

Auch im Übrigen ist die aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 [lit] a und 10 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde nicht berechtigt.

Das „wirtschaftliche Eigentum“ an dem vom Schuldspruch A/I nicht umfassten Schlüssel betrifft der Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) zuwider keine entscheidende Tatsache (vgl Ratz,WK‑StPO § 281 Rz 399), wobei im Übrigen die Feststellung zum Eigentum der Sifa K***** an einem PKW jener, wonach sie den zugehörigen Fahrzeugschlüssel Lisa-Marie Sp***** gewaltsam weggenommen hat (US 7 f), nicht widerspricht.

Entgegen der weiteren Kritik (Z 5 vierter Fall) haben die Tatrichter die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite auch in Betreff des auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatzes (US 8) – frei von Verstößen gegen Gesetze der Logik oder grundlegende Erfahrungswerte – gestützt auf das Geständnis der Angeklagten (US 11) zureichend begründet.

Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungs-voraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann. Von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend ist zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder Z 10 gerügten Fehlers klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz (§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO) hätte abgeleitet werden sollen (RIS‑Justiz RS0099810 [T31]; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581, 584).

Indem die Rüge mit der Behauptung (Z 9 lit a) fehlender Feststellungen „zur subjektiven Tatseite, insbesondere zur Verwendung einer Waffe“ die tatrichterlichen Konstatierungen (vgl US 8 – und zwar auch zum vorsätzlichen Einsatz einer Glasflasche zwecks Führens eines wuchtigen Schlages gegen den Kopf des Opfers; zum funktionalen Waffenbegriff vgl Eder‑Rieder in WK2 StGB § 143 Rz 18; zu Flaschen vgl RIS‑Justiz RS0093928 [T58]) ignoriert, wird sie diesen Kriterien nicht gerecht.

Ebenso wenig orientiert sich der Beschwerdeeinwand (dSn Z 10), die Freiheitsentziehung sei „durch die Begehung des Raubes iSd § 142 StGB konsumiert, da das Einschließen des Opfers in einen Raum zum Zweck eine Gegenwehr des Opfers bzw. eine Wiedererlangung der Beute auszuschließen ebenso als Gewaltanwendung iSd. § 142 StGB anzusehen ist“, an den getroffenen Feststellungen: Danach erfolgte nämlich die Wegnahme der Gegenstände durch gewaltsame Schläge auch unter Einsatz der Waffe und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (US 7), während die Angeklagte das verletzte Raubopfer erst nach (materieller) Raubvollendung einem etwa einstündigen Eingriff in das (weitere) Rechtsgut der persönlichen Freiheit aussetzte (US 8). Inwiefern Konsumtion auf Basis dieser tatrichterlichen Konstatierungen in Betracht kommen sollte, erklärt die Rüge nicht (vgl im Übrigen Eder‑Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 70; dies, SbgK § 28 Rz 59, 69 mwN; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 142 Rz 41; Fabrizy, StGB12 § 142 Rz 9; RIS‑Justiz RS0093111, RS0091310; jüngst 11 Os 137/17g), womit sie den dargestellten Anfechtungsrahmen erneut verlässt.

Mangels Festhaltens am Urteilssachverhalt (US 8) verfehlt auch die Subsumtionsrüge (Z 10), die unter Bestreitung von „Bereicherungsabsicht“ eine Unterstellung der vom Schuldspruch A/I umfassten Tat „als Nötigung iSd. § 105 StGB“ fordert, den gesetzlichen Bezugspunkt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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