OGH 8Ob1/18g

OGH8Ob1/18g27.4.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, die Hofrätin Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** B*****, vormals Inhaberin der gelöschten ***** eU, *****, vertreten durch Wurst & Ströck Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei H***** R*****, vertreten durch Mag. Manfred Pollitsch, Mag. Hannes Pichler, Rechtsanwälte in Graz, wegen 5.500 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 18. Oktober 2017, GZ 6 R 150/16x‑33, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Graz-West vom 10. Juni 2017, GZ 401 C 339/15k‑24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00001.18G.0427.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 626,64 EUR (darin 104,44 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte schloss mit der Klägerin in deren Geschäftsräumen am 15. 7. 2012 einen Partnervermittlungsvertrag ab. Das ausgefüllte und von beiden Parteien unterfertigte Vertragsformular der Klägerin enthält ua folgende, hier relevante Klausel:

Ich verpflichte mich zur Zahlung einer einmaligen Betreuungsgebühr in der Höhe von EUR 5.000,- zuzüglich 20 % USt in der Höhe von EUR 1.000,- insgesamt EUR 6.000,-. Der Betrag kann auch in 24 gleichen, monatlich aufeinander folgenden Teilbeträgen in der Höhe von EUR 250,- bezahlt werden. (…) Das Institut verpflichtet sich, mich bis zum Erfolg zu betreuen, längstens 2 Jahre.

Mit dem Beklagten wurde von der Mitarbeiterin der Klägerin ein Beratungsgespräch nach stets ähnlich ablaufendem Muster geführt, in dem erklärt wurde, dass sich die Klägerin zur Zusendung von Partnervorschlägen einmal im Monat für die Dauer von zwei Jahren verpflichte und der Kunde die einmalige Betreuungsgebühr monatlich in Raten auf Vertragsdauer zahlen könne. Es gebe die Möglichkeit, den Vertrag zu „stoppen“ und später fortzusetzen, falls innerhalb der Vertragsdauer eine Partnerschaft zustandekommen sollte. Von einer vorzeitigen oder monatlichen Kündigungsmöglichkeit wurde nicht gesprochen. Der Beklagte entschied sich für die monatliche Teilzahlung der Gebühr.

In den Monaten Juli und August 2012 erhielt er von der Klägerin vier Partnervorschläge, die ihm nicht zusagten. Im September teilte er der Klägerin mit, dass er den Vertrag kündigen wolle, was diese nicht akzeptierte. Der Beklagte stellte daraufhin seine Zahlungen ein.

Die Klägerin begehrte die Zahlung der restlichen Vertragsgebühr in Höhe von 5.500 EUR zuzüglich Nebenforderungen.

Der Beklagte wandte ein, es sei eine jederzeitige Kündbarkeit des Vertrags vereinbart gewesen. In der mangelhaften Vermittlungsleistung der Klägerin sei auch ein Grund für eine außerordentliche Kündigung vorgelegen. Der Beklagte sei durch List und Irrtum zum Vertragsabschluss bestimmt worden, ohnehin sei der dem KSchG unterliegende Vertrag wegen intransparenter Klauseln, insbesondere auch jener über das Entgelt, nichtig.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 5.250 EUR samt Nebenforderung. Das Mehrbegehren wies es wegen Verjährung ab. Das Vertragswerk der Klägerin sei weder gesetz- noch sittenwidrig, der Beklagte habe auch keine unrichtige oder irreführende Beratung nachweisen können.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab.

Der Oberste Gerichtshof habe in einem gegen die Klägerin geführten Verbandsprozess (7 Ob 217/16m) zahlreiche Klauseln ihres Standardvertragswerks geprüft, und unter anderem die eingangs wiedergegebene Entgeltvereinbarung wegen der Suggestion eines fehlenden gesetzlichen Kündigungs- bzw Rücktrittsrechts als gemäß § 6 Abs 3 KSchG intransparent beurteilt.

Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot führe dazu, dass die betroffene Vertragsbestimmung unberücksichtigt zu bleiben habe. Es bestehe damit keine vertragliche Rechtsgrundlage für das Klagebegehren.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil die Rechtsfrage, ob eine durch den Wegfall einer intransparenten Klausel entstandene Vertragslücke allenfalls durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen sei, im Schrifttum kontroversiell diskutiert werde und dazu noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der Klägerin strebt die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung an. Der Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist aus den vom Berufungsgericht dargelegten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof hat jüngst in der noch unveröffentlichten Entscheidung in der Rechtssache 9 Ob 85/17s vom 25. 4. 2018 (dieselbe Klausel und einen im Wesentlichen identen Sachverhalt betreffend) mit eingehender Begründung, auf deren Wiedergabe im Einzelnen hier zur Vermeidung von Wiederholungen verzichtet werden kann, ausgeführt:

Im vorliegenden Fall ist zunächst davon auszugehen, dass es durch den Wegfall der strittigen Klausel der dem gegenständlichen Partnervermittlungsvertrag zugrunde liegenden AGB an einer vertraglichen Rechtsgrundlage für das von der Klägerin begehrte Betreuungsentgelt fehlt. Damit wird der Partnervermittlungsvertrag aber infolge Fehlens einer der Hauptleistungspflichten aus dem Vertrag undurchführbar.

Um dem mit Art 7 der RL 93/13/EWG des Rates vom 5. 4. 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Klausel‑RL) verfolgten Ziel, das klägerische Unternehmen in Hinkunft vor der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in ihren Partnervermittlungsverträgen abzuschrecken, Rechnung zu tragen, verbietet sich grundsätzlich ein Lückenschluss durch Anwendung dispositiven Rechts (§ 1152 ABGB) oder ergänzender Vertragsauslegung zur Schaffung einer Rechtsgrundlage für das gegenständliche Entgeltbegehren der Klägerin. Das mit Art 6 Abs 1 der Klausel‑RL verfolgte Ziel, die formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so ihre Gleichheit wiederherzustellen, hat diesfalls zurückzutreten.“

Nach der Judikatur des EuGH(Rs Unicaja Banco SA und Caixabank SA, C‑482/13, C‑484/13, C‑485/13 und C‑487/13) „wäre eine Schließung der durch den Wegfall der missbräuchlichen Klausel entstandenen Vertragslücke im Verbraucherrecht nur dann zulässig, wenn sich die ersatzlose Streichung der missbräuchlichen Klausel nachteilig auf die Rechtssituation des Verbrauchers auswirken würde. Für eine derartige ausnahmsweise Annahme bietet der festgestellte Sachverhalt aber keine Anhaltspunkte. Derartiges behauptet auch die Revisionswerberin nicht. Die Klägerin hat daher gegenüber dem Beklagten keinen vertraglichen Anspruch auf das von ihr klagsweise geltend gemachte Betreuungsentgelt.“

Mit diesem vom erkennenden Senat geteilten Ergebnis wird dem mit Art 7 der Klausel‑RL verfolgten Ziel Rechnung getragen, das klagende Unternehmen in Hinkunft vor der Verwendung der missbräuchlichen Klauseln in ihren Partnervermittlungsverträgen abzuschrecken.

2. Auf den in der Revision geltend gemachten Rechtsgrund der Bereicherung hat die Klägerin ihre Forderung in erster Instanz nicht gestützt, diesem Einwand steht das Neuerungsverbot entgegen.

Für einen Anspruch nach § 1431 ABGB käme es auch nicht auf die von der Klägerin betonte Höhe ihres frustrierten Aufwands an, sondern auf den dem Beklagten verschafften geldwerten Nutzen. Worin dieser Nutzen bei vier nicht der Erwartung entsprechenden Partnervorschlägen zu sehen wäre, legt die Revision nicht dar.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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