OGH 8Ob54/18a

OGH8Ob54/18a27.4.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Schuldenregulierungssache der Schuldnerin G***** O*****, wegen Restschuldbefreiung, über den Revisionsrekurs der Gläubigerin B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Putz & Rischka Rechtsanwälte KG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 1. Februar 2018, GZ 4 R 232/17x‑76, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 31. Oktober 2017, GZ 24 S 59/08b‑71, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00054.18A.0427.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der abweisende Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Begründung:

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 13. 10. 2008 das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und am 15. 1. 2009 nach Scheitern des angebotenen Zahlungsplans das Abschöpfungsverfahren eingeleitet. Innerhalb der siebenjährigen Laufzeit der Abtretungserklärung erhielten die Gläubiger eine Quote von 3,46 % ihrer angemeldeten Forderungen.

Mit Beschluss vom 31. 3. 2016 verlängerte das Erstgericht das Abschöpfungsverfahren über Antrag der Schuldnerin gemäß § 213 Abs 4 IO (aF) um drei Jahre.

Mit Schreiben vom 24. 10. 2017 stellte die Schuldnerin den Antrag auf Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 280 IO (idF des IRÄG 2017).

Das Erstgericht wies den Antrag mangels der Voraussetzungen des § 280 IO nF ab. Da § 280 IO nicht explizit von der „alten“ Abtretungserklärung spreche, sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die derzeit gültige Abtretungserklärung gemeint habe, weshalb die Voraussetzungen für eine positive Entscheidung (noch) nicht vorlägen.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der Schuldnerin Folge. Es erklärte das Abschöpfungsverfahren für beendet und sprach aus, dass die Schuldnerin von den im Verfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit sei. Es vertrat dabei die Rechtsansicht, für die Anwendung der neuen – für die Schuldner günstigeren – Rechtslage sei nach der Übergangsbestimmung des § 280 IO (idF IRÄG 2017) das Ablaufen der ursprünglichen (siebenjährigen) Abtretungserklärung hinreichend. Zweck der gesamten Novellierung des Privatinsolvenzrechts durch das IRÄG 2017 sei, dass nach der fünfjährigen Laufzeit einer Abtretungserklärung einem Schuldner jedenfalls die Restschuldbefreiung erteilt werden solle, um damit natürlichen Personen binnen fünf Jahren eine völlige Entschuldung zu ermöglichen. Dieser Zweck und auch eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung einzelner Schuldner könne nur durch eine Gesetzesauslegung im dargelegten Sinne erreicht werden. Für diese Gesetzesauslegung spreche auch der im zweiten Satz des § 280 IO enthaltene Verweis auf die Anwendung des § 213 Abs 1 zweiter bis vierter Satz KO (IO) in der vor dem IRÄG 2017 vorgesehenen Fassung. Der vierte Satz in § 213 Abs 1 KO (IO) sehe mit Eintritt der Rechtskraft eines Beschlusses über die Restschuldbefreiung das automatische Ende des Amtes des Treuhänders und der Wirksamkeit der Abtretungserklärung vor. Letzteres könne sich bei einem Ausspruch nach § 280 IO nur auf die verlängerte (neue) Abtretungserklärung von weiteren drei Jahren beziehen.

Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 30.000 EUR und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob bei § 280 IO nF auf den Ablauf der ursprünglichen Abtretungserklärung oder der Abtretungserklärung im verlängerten Abschöpfungsverfahren abzustellen sei.

Hiergegen richtet sich der Revisionsrekurs einer Gläubigerin, mit dem die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses begehrt wird.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

1. Die für das Schuldenregulierungsverfahren maßgeblichen Änderungen der IO durch das IRÄG 2017 traten grundsätzlich mit 1. 11. 2017 in Kraft. Sie sind anzuwenden, wenn das Insolvenzverfahren nach dem 31. 10. 2017 eröffnet wurde oder der Antrag auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens nach diesem Datum bei Gericht eingelangt ist.

Für Abschöpfungsverfahren, die bei Inkrafttreten des Gesetzes anhängig waren, gilt nach § 280 IO idF IRÄG 2017 folgende Übergangsregelung:

Nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung ist auf Antrag des Schuldners das Abschöpfungsverfahren zu beenden, wenn die Abtretungserklärung abgelaufen ist oder seit dem 1. November 2017 fünf Jahre der Abtretungserklärung abgelaufen sind. § 213 Abs 1 zweiter bis vierter Satz in der vor dem IRÄG 2017 vorgesehenen Fassung sind anzuwenden.

2. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (RIS‑Justiz RS0131932; 8 Ob 6/18t; 8 Ob 5/18w; 8 Ob 20/18t ua) ist eine vorzeitige Beendigung jener anhängigen Verfahren, die vor dem Stichtag nach § 213 Abs 4 IO aF aus Billigkeitsgründen verlängert wurden, in der Übergangsregelung des § 280 IO nicht vorgesehen. Der Antrag nach § 280 IO setzt vielmehr voraus, dass die Abtretungserklärung auch für das verlängerte Verfahren abgelaufen ist (8 Ob 6/18t; 8 Ob 5/18w; 8 Ob 20/18t ua).

3. Nichts anderes ergibt sich aus dem zweiten Satz des § 280 IO nF, der (unter anderem) auf die Anwendung des vierten Satzes des § 213 Abs 1 IO in der vor dem IRÄG 2017 vorgesehenen Fassung verweist, wonach mit Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung die Wirksamkeit der Abtretungserklärung und das Amt des Treuhänders enden. Da es in den Altverfahren, in denen der Abschöpfungszeitraum erst nach dem 1. 11. 2015 begonnen hat, sukzessive zu einer Verkürzung der siebenjährigen Laufzeit der (ursprünglichen) Abtretungserklärung kommt, ist dieser Verweis entgegen der Ansicht des Rekursgerichts keineswegs zwingend auf die für drei Jahre verlängerte (neue) Abtretungserklärung zu beziehen.

Es war daher dem Revisionsrekurs der Insolvenzgläubigerin Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

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