European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00075.17V.0425.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die im Jahr 2013 verstorbene Erblasserin hatte mit Notariatsakt vom 18. 6. 1975 ihrem Sohn eine Liegenschaft auf den Todesfall geschenkt. Das nach ihrem Tod erstellte Inventar des Gerichtskommissärs ergab eine Überschuldung des Nachlasses im Ausmaß von 68.693,49 EUR.
Das Erstgericht überließ die aus Bargeld in Höhe von 500 EUR und der mit 9.810,84 EUR bewerteten Liegenschaft bestehenden Aktiva der Verlassenschaft dem Sohn der Erblasserin aufgrund dessen Antrags auf Abschlag seiner Forderung für von ihm bezahlte Begräbniskosten gegen Bezahlung der Gebühr des Gerichtskommissärs gemäß § 154 AußStrG an Zahlungs statt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der im Kopf dieser Entscheidung genannten zwölf Nachlassgläubiger (in der Folge nur: Gläubiger) nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es begründete diesen Ausspruch damit, dass zur Frage der Behandlung einer Schenkung auf den Todesfall bei Überlassung des Nachlasses an Zahlungs statt keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der Gläubiger ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof gemäß § 71 Abs 1 AußStrG nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Eine erhebliche, für die Entscheidung auch präjudizielle Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG wird weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel dargetan:
1. Gemäß § 154 Abs 2 AußStrG ist bei der Überlassung an Zahlungs statt das Vermögen 1. zunächst in sinngemäßer Anwendung der §§ 46 und 47 IO; 2. sodann an den Sachwalter des Verstorbenen, soweit ihm für das letzte Jahr Beträge zuerkannt wurden; 3. schließlich an alle übrigen Gläubiger, jeweils im Verhältnis der Höhe ihrer unbestrittenen oder durch unbedenkliche Urkunden bescheinigten Forderungen zu verteilen.
Die Gläubiger streben die Befriedigung ihrer angemeldeten Forderung im Rang des § 154 Abs 2 Z 3 AußStrG an. Dies setzt voraus, dass die Forderung entweder unbestritten oder durch unbedenkliche Urkunden bescheinigt ist. Beide Voraussetzungen liegen nicht vor.
2. Die Gläubiger meldeten beim Erstgericht eine Forderung von 1.187,62 EUR an. Sie seien „mütterliche Cousins bzw Cousinen und deren Nachkommen“ und „somit gesetzliche Miterben“ (gemeint offenbar: neben der Erblasserin) nach einer vorverstorbenen weiteren Cousine, wie aus dem beiliegenden Stammbaum ersichtlich sei. Da sie im Verlassenschaftsverfahren nach dieser Cousine im Einantwortungsbeschluss nicht berücksichtigt worden seien, seien sie zur Geltendmachung ihres Erbrechts mittels Erbrechtsklage“ berechtigt. Entgegen der Annahme des (damaligen) Gerichtskommissärs hätten die Großeltern der Erblasserin mütterlicherseits nicht vier sondern sechs Kinder mit noch lebenden Nachkommen gehabt. Die (nunmehrige) Erblasserin leite ihr Erbrecht von ihrer Mutter ab. Diesem Stamm komme daher ebenso wie den Stämmen der Geschwister ein Sechstel des Nachlasses zu. Die Erblasserin bzw ihre Verlassenschaft habe jeweils ein Sechstel ihres Erbteils für die beiden übergangenen Stämme herauszugeben. Da ihr ein Zwölftel des Nachlasses eingeantwortet und ein Betrag von 3.562,87 EUR überwiesen worden sei, werde der Differenzbetrag von 1.187,62 EUR als Forderung der Gläubiger angemeldet.
Zur Bescheinigung der angemeldeten Forderung legten die Gläubiger den Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 20. 12. 2012, einen „Verwandtschaftsbaum“ sowie zahlreiche Personenstandsurkunden vor.
3. Das Erstgericht hat diese Forderungsanmeldung den weiteren Nachlassgläubigern nicht zugestellt, weshalb diese sich in erster Instanz nicht dazu äußern konnten. Der Sohn der Erblasserin erhob jedoch in seiner Rekursbeantwortung – insoweit als zulässige Neuerung (§ 49 Abs 1 AußStrG) – den Einwand, das Rekursvorbringen, in welchem die Gläubiger ihre erstinstanzlichen Behauptungen zur Begründung der angemeldeten Forderung im Wesentlichen wiederholten, sei unschlüssig. Das Erfordernis einer unbestrittenen Forderung ist unter diesen Umständen nicht erfüllt.
4. Das Rekursgericht vertrat überdies die Auffassung, dass sich aus den von den Gläubigern vorgelegten Urkunden die geltend gemachte Forderung „gerade nicht“ ergebe. Diese Auslegung ist unbedenklich und wirft unter den konkreten Umständen des Einzelfalls keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:
4.1 Aus welchen Gründen die Gläubiger im Einantwortungsbeschluss vom 20. 12. 2012 nicht berücksichtigt wurden und ob ihnen als übergangenen Miterben der Erblasserin das „bessere Erbrecht“ im behaupteten Umfang zusteht, das (richtig) mit Erbschaftsklage nach § 823 ABGB durchzusetzen wäre, lässt sich den vorgelegten Urkunden nicht entnehmen. Wenn das Rekursgericht die Bescheinigung von – im Vorbringen überdies gar nicht näher konkretisierten – Verwandtschaftsverhältnissen nicht als ausreichend erachtete, beruht dies auf einer vertretbaren Rechtsansicht.
4.2 Davon abgesehen entspricht der offenbar von den Gläubigern selbst erstellte „Verwandtschaftsbaum“ nicht den Erfordernissen einer „unbedenklichen“ Urkunde. Um als „unbedenklich“ zu gelten, muss es sich nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs um Schriftstücke handeln, denen besondere Glaubwürdigkeit zukommt (RIS-Justiz RS0001391). Dies setzt bei Privaturkunden insbesondere voraus, dass keine Zweifel daran bestehen, dass sie von jener Person stammen, die darin eine sie belastende Erklärung abgegeben hat (4 Ob 166/14m mwN). Das trifft auf den „Verwandtschaftsbaum“ jedenfalls nicht zu, zumal die nunmehrige Erblasserin darin nicht einmal Erwähnung findet.
4.3 Schließlich haben die Gläubiger in erster Instanz (nur) eine unzulässige Pauschalanmeldung vorgenommen. In welcher verwandtschaftlichen Beziehung jeder einzelne Gläubiger zu der vorverstorbenen Cousine konkret gestanden ist, wurde nicht vorgebracht. Erst im Rekurs wurden erstmals bestimmte Erbquoten behauptet und betraglich von 49,48 EUR bis 296,91 EUR reichende Einzelforderungen geltend gemacht. Das verspätete Vorbringen verstößt jedoch gegen das Neuerungsverbot. Dass es sich bei der Verspätung um eine entschuldbare Fehlleistung handelte, wurde weder behauptet noch dargetan (§ 49 Abs 2 AußStrG).
5. Ist die Forderung der Gläubiger weder unbestritten noch durch unbedenkliche Urkunden bescheinigt, wurde sie zu Recht nicht berücksichtigt. Bei dieser Sach- und Rechtslage käme der vom Rekursgericht als erheblich erachteten Rechtsfrage nur theoretische Bedeutung zu. Das gilt auch für die im Revisionsrekurs aufgeworfenen weiteren Fragen der Bewertung der Liegenschaft, deren Haftung für die Forderung der Gläubiger, der Legatsreduktion und der Angemessenheit der Begräbniskosten. Ihre Beantwortung könnte den Gläubigern nicht zu der von ihnen angestrebten Befriedigung der angemeldeten Forderung verhelfen.
6. Dem Rechtsmittel fehlt es daher an der für seine Zulässigkeit erforderlichen Präjudizialität (RIS-Justiz RS0088931). Es ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)