OGH 8Ob20/18a

OGH8Ob20/18a23.2.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Schuldenregulierungssache der Schuldnerin M***** G*****, über den Revisionsrekurs der Gläubigerin B***** AG, *****, vertreten durch den Kreditschutzverband von 1870, 1120 Wien, Wagenseilgasse 7, dieser vertreten durch Putz & Rischka Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 9. Jänner 2018, GZ 2 R 299/17m‑70, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Feldkirch vom 6. November 2017, GZ 16 S 21/09f‑63, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00020.18A.0223.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der abweisende Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

 

Begründung:

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 13. 8. 2009 das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und am 8. 10. 2009 nach Scheitern des angebotenen Zahlungsplans das Abschöpfungsverfahren eingeleitet. Innerhalb der siebenjährigen Laufzeit der Abtretungserklärung erhielten die Gläubiger eine Quote von 6,12 % ihrer angemeldeten Forderungen.

Mit Beschluss vom 20. 12. 2016 verlängerte das Erstgericht das Abschöpfungsverfahren über Antrag der Schuldnerin gemäß § 213 Abs 4 IO (aF) um drei Jahre. Am 2. 11. 2017 stellte die Schuldnerin den Antrag auf Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 280 IO idF des IRÄG 2017.

Das Erstgericht wies den Antrag mangels der Voraussetzungen des § 280 IO nF ab.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der Schuldnerin Folge. Es erklärte das Abschöpfungsverfahren für beendet und sprach aus, dass die Schuldnerin von den im Verfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit werde.

Die auf anhängige Abschöpfungsverfahren anzuwendende Übergangsbestimmung des § 280 IO idF IRÄG 2017 sei dahin auszulegen, dass nur die ursprüngliche Abtretungserklärung abgelaufen sein müsse, um die Restschuldbefreiung ohne Rücksicht auf die erzielte Quote beantragen zu können.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil – soweit überschaubar – noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Anwendung des § 280 IO nF in einem am 1. 11. 2017 anhängigen, bereits verlängerten Abschöpfungsverfahren bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Gläubigerin ist zulässig und auch berechtigt, weil die Rekursentscheidung im Sinne der jüngsten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs einer Korrektur bedarf.

1. Die für das Schuldenregulierungsverfahren maßgeblichen Änderungen der IO durch das IRÄG 2017 traten grundsätzlich mit 1. 11. 2017 in Kraft. Sie sind anzuwenden, wenn das Insolvenzverfahren nach dem 31. 10. 2017 eröffnet wurde oder der Antrag auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens nach diesem Datum bei Gericht eingelangt ist.

Für Abschöpfungsverfahren, die bei Inkrafttreten des Gesetzes anhängig waren, gilt nach § 280 IO idF IRÄG 2017 folgende Übergangsregelung:

Nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung ist auf Antrag des Schuldners das Abschöpfungsverfahren zu beenden, wenn die Abtretungserklärung abgelaufen ist oder seit dem 1. November 2017 fünf Jahre der Abtretungserklärung abgelaufen sind. § 213 Abs 1 zweiter bis vierter Satz in der vor dem IRÄG 2017 vorgesehenen Fassung sind anzuwenden.“

2. Der erkennende Senat hat jüngst in der Entscheidung 8 Ob 6/18t vom 26. 1. 2018 ausgesprochen, dass die herausragenden Neuerungen des IRÄG 2017 im Bereich des Abschöpfungsverfahrens, nämlich die Verkürzung des Zeitraums der Abtretungserklärung von sieben auf fünf Jahre und der Entfall des Erfordernisses einer Mindestquote, nach § 280 IO für anhängige Verfahren nur teilweise und in zeitlicher Abstufung wirksam werden. Während der Entfall der Mindestquote auch in sämtlichen anhängigen Verfahren anzuwenden ist, in denen nach dem 31. 10. 2017 über die Erteilung einer Restschuldbefreiung zu entscheiden ist, kommt die Verkürzung des Abschöpfungszeitraums auf fünf Jahre in den Altverfahren, wenn überhaupt, nur zeitverzögert und nicht in vollem Ausmaß zum Tragen.

3. In allen laufenden Verfahren, in denen die Abtretung vor dem 1. 11. 2015 wirksam wurde, bleibt es unverändert bei einer insgesamt siebenjährigen Laufzeit. Nur wenn der Abschöpfungszeitraum erst nach diesem Datum zu laufen begonnen hat, verringert sich nach § 280 IO nF die effektive Gesamtdauer sukzessive bis zum 1. 11. 2022. Ungeschmälert kommt die Verkürzung auf fünf Jahre erst jenen Schuldnern zugute, deren Abtretungszeitraum am 1. 11. 2017 oder später begonnen hat.

Auch eine vorzeitige Beendigung jener anhängigen Verfahren, die vor dem Stichtag nach § 213 Abs 4 IO aF aus Billigkeitsgründen verlängert wurden, ist nicht vorgesehen und wäre mit dem bewusst verzögerten Inkrafttreten der Verkürzung der Abschöpfungsdauer nicht vereinbar. Der Antrag nach § 280 IO setzt vielmehr voraus, dass die Abtretungserklärung auch für das verlängerte Verfahren abgelaufen ist (8 Ob 6/18t).

Dem Rekurs der Gläubigerin war daher Folge zu geben und die dem Gesetz entsprechende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

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