European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00001.18F.0213.000
Spruch:
Der Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens wird zurückgewiesen.
Begründung:
Mag. Stefan S***** wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Korneuburg vom 21. September 2016, GZ 11 U 29/16d‑14, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt.
Mit Urteil vom 4. Juli 2017, AZ 900 Bl 49/17x, wies das Landesgericht Korneuburg als Berufungsgericht seine dagegen ergriffene Berufung wegen Nichtigkeit zurück und gab jener wegen der Aussprüche über die Schuld, die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Im dagegen gerichteten Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a StPO) sieht sich der Verurteilte in „Ermangelung einer ausreichenden Begründung“ in seinem Recht auf ein faires Verfahren (Art 6 Abs 1 MRK) verletzt.
Beim nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um einen subsidiären Rechtsbehelf, auf den unter anderem die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art 35 Abs 1 MRK anzuwenden sind. Daraus folgt, dass der Oberste Gerichtshof nur nach Ausschöpfung des Rechtswegs angerufen werden kann. Diesem Erfordernis wird entsprochen, wenn von allen effektiven Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht (vertikale Erschöpfung) und in diesen die geltend gemachte Konventionsverletzung zumindest der Sache nach in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften vorgebracht wurde (vertikale Erschöpfung).
Der gegenständliche Antrag, der sich inhaltlich nur gegen die Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite im erstinstanzlichen Urteil wendet, jene des Berufungsgerichts sogar ausdrücklich als „weitgehend zutreffend“ bezeichnet, war daher schon deshalb als unzulässig zurückzuweisen, weil eine Entscheidung, die mit Rechtsmittel bekämpft werden kann, nicht Gegenstand eines Erneuerungsantrags ist (RIS‑Justiz RS0124739 [T2 und T4]).
Im Übrigen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR die Würdigung von Beweismitteln grundsätzlich den nationalen Gerichten vorbehalten. Der EGMR prüft lediglich, ob Beweisaufnahme und Beweiswürdigung in einer Weise vorgenommen wurden, die das gesamte Strafverfahren unfair erscheinen lässt (RIS‑Justiz RS0120958; vgl Grabenwarter/Pabel , EMRK 6 § 24 Rz 69). An diesem Maßstab orientiert sich auch der Oberste Gerichtshof, wenn ein ohne vorherige Befassung des EGMR gestellter Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens dahingehende Defizite behauptet.
Eine Verletzung der Begründungspflicht liegt aus dem Blickwinkel des Art 6 Abs 1 MRK nur bei willkürlichen oder grob unvernünftigen (im Sinn der Rechtsprechung des EGMR: „arbitrary or manifestly unreasonable“) Urteils‑ oder Beschlussannahmen vor. Dies ist dann der Fall, wenn die Begründung eindeutig unzureichend oder offensichtlich widersprüchlich ist oder eindeutig einen Irrtum erkennen lässt (RIS‑Justiz RS0129981; 17 Os 13/14m [17 Os 14/14h, 17 Os 32/14f, 17 Os 33/14b]; 17 Os 18/17a). Die kritisierte Ableitung von Feststellungen zur subjektiven Tatseite „aus der äußeren Vorgangsweise und dem Ablauf des Geschehens“ (vgl ON 14 S 16) ist in der Regel – zumal bei (wie hier) leugnenden Angeklagten – schon unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116882). Von einer (daraus resultierenden) Verletzung des von Art 6 Abs 1 MRK vorgegebenen Begründungsstandards kann daher keine Rede sein.
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