OGH 12Os110/17v

OGH12Os110/17v18.1.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Jänner 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ettel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Muhammad N***** wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2 und Abs 4 erster Fall FPG idF BGBl I 2013/144 über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 19. Juli 2017, GZ 25 Hv 39/17k‑21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00110.17V.0118.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Muhammad N***** des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2 und Abs 4 erster Fall FPG (zu ergänzen:) idF BGBl I 2013/144 (vgl US 10) schuldig erkannt.

Danach hat er in W*****, N***** und an anderen Orten in einverständlichem Zusammenwirken mit Nadeem M*****, Marian B*****, Waqas Bu*****, Ilie C***** und unbekannten Tätern als Mitglied einer kriminellen Vereinigung mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, die rechtswidrige Einreise einer größeren Zahl von Fremden in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union gefördert, indem er Schlepperfahrzeuge in W***** anmietete, mit welchen am 13. Juli 2015 (1./) und in der Zeit vom 1. bis 2. August 2015 (2./) jeweils neun Fremde von S*****/Ungarn nach Österreich transportiert wurden.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, Z 9 lit a und Z 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider haben die Tatrichter die Konstatierungen hinsichtlich eines Zusammenschlusses zu einer kriminellen Vereinigung (US 3) zureichend auf die Angaben des Zeugen Waqas Bu***** gestützt, denen zufolge Nadeem M***** offensiv und ohne Geheimnistuerei um Fahrer für Schlepperfahrzeuge warb (US 6). Die Rechtsmittelbehauptung, wonach diese Schlussfolgerung im Akt keine Deckung finde, macht keinen formellen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO geltend; im Übrigen trifft sie auch nicht zu (vgl ON 20 S 16).

Mit dem Hinweis auf die – vom Erstgericht allerdings als unglaubwürdig verworfene (US 6) – Aussage des Zeugen Waqas Bu***** betreffend die angeblich mangelnde Kenntnis des Angeklagten von den geplanten Schleppungen und mit der Bezugnahme auf Details betreffend die Fahrzeuganmietung versucht die Beschwerde bloß, der leugnenden Verantwortung des Angeklagten auf Basis eigenständiger Beweiswerterwägungen zum Durchbruch zu verhelfen. Derartige Kritik erschöpft sich aber in einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Der weiteren Beschwerdeargumentation zuwider steht der Umstand, dass die Zeugen Waqas Bu***** und Ilie C***** den Angeklagten entlasteten, den auf ihren Angaben beruhenden Konstatierungen zur arbeitsteiligen Vorgangsweise der Mitglieder der Schlepperorganisation, die Art des Transports und die Höhe der Schlepperentgelte (US 7), nicht entgegen.

Die vom Beschwerdeführer vermisste Begründung für die festgestellte Anmietung der Fahrzeuge durch den Angeklagten findet sich auf US 6.

Der Beschwerdeeinwand, wonach die subjektive Ausrichtung des Angeklagten nicht aus der Freundschaft mit Waqas Bu***** abgeleitet werden könne, berücksichtigt prozessordnungswidrig nicht die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370). Diesen zufolge bezog sich das Schöffengericht nämlich auch auf die Rolle des Angeklagten als Anmieter von Fahrzeugen und dessen Kontakt mit anderen Mitgliedern der gegenständlichen Schleppervereinigung (US 9).

Dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) entsprechend waren die Tatrichter nicht verpflichtet, sich mit sämtlichen Details der – insgesamt als widerlegt erachteten (US 7) – leugnenden Einlassung des Angeklagten auseinanderzusetzen. Der Einwand mangelnder Berücksichtigung (Z 5 zweiter Fall) der Angaben des Angeklagten, dass er erst im April oder Mai 2016 von den Schleppungen erfahren und mit Waqas Bu***** keine Freundschaft bestanden habe, geht daher ins Leere.

Die gesetzeskonforme Geltendmachung materieller Nichtigkeit erfordert unbedingtes Festhalten am konstatierten Sachverhalt (RIS‑Justiz RS0099810). An diesen Anfechtungsvoraussetzungen scheitert der Beschwerdeführer, indem er aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a und (nominell) Z 10 StPO die Konstatierungen zum Tat‑ und Bereicherungsvorsatz des Angeklagten bestreitet (vgl aber US 5 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Bleibt zu den Ausführungen der Generalprokuratur anzumerken, dass das Erstgericht erkennbar von einer – im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit (vgl RIS‑Justiz RS0130603 [T1]) gesetzten  – Tat des Angeklagten ausging (vgl US 3) und diese daher zu Recht nicht zwei, sondern bloß einem Verbrechen nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG idF BGBl I 2013/144 subsumiert hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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