OGH 20Ds17/17f

OGH20Ds17/17f12.12.2017

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 12. Dezember 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Hofer und Dr. Haslinger als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwaltsanwärter in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 15. Mai 2017, AZ D 53/16 (DV 1/17), TZ 34, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, des Kammeranwalts der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer Mag. Kammler, des Beschuldigten und dessen Verteidigers Dr. Rifaat zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0200DS00017.17F.1212.000

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Berufung wird die Geldbuße mit 1.000 Euro festgesetzt.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis – das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält – wurde der Rechtsanwaltsanwärter ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichten-verletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt, weil er in der Hauptverhandlung am ***** vor dem Landesgericht ***** als Schöffengericht im Verfahren ***** einen in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten verteidigte, obwohl es sich um eine notwendige Verteidigung im Sinne des § 61 Abs 1 Z 1 StPO handelte, die er zu diesem Zeitpunkt nicht verrichten hätte dürfen, weil er nur über eine „kleine Legitimationsurkunde“ verfügte, was die Aufhebung des Urteils vom *****, nach sich zog.

Über den Beschuldigten wurde hierfür eine Geldbuße von 1.500 Euro verhängt und er zum teilweisen Ersatz der Verfahrenskosten, deren Festsetzung gemäß § 41 DSt einer gesonderten Beschlussfassung vorbehalten blieb, verurteilt.

In der Strafbemessung erwog der Disziplinarrat, dass aufgrund der „Nichtigkeit des Strafverfahrens“, zu welcher die verurteilte Tat geführt hatte, mit der Disziplinarstrafe eines schriftlichen Verweises nicht mehr das Auslangen gefunden werden konnte.

Ansonsten erkannte der Disziplinarrat bei der Strafbemessung keine erschwerenden Umstände und wertete das Geständnis des Disziplinarbeschuldigten und die „lange Verfahrensdauer“ als mildernd.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Strafausspruch richtete sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten. Der Kammeranwalt hat keine Gegenäußerung erstattet.

Die unter Berufung auf RIS‑Justiz RS0115711 aufgestellte Rechtsmittelbehauptung, der Disziplinarrat hätte mit der mildesten Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises das Auslangen finden müssen, zumal die Tat keiner qualifizierten Öffentlichkeit bekannt geworden sei, ist entgegenzuhalten, dass die am Verfahren ***** unmittelbar (in zwei Rechtsgängen erster Instanz) und mittelbar (Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes) beteiligt gewesenen Personen selbstverständlich eine qualifizierte Öffentlichkeit darstellten. Denn Öffentlichkeit im hier gegeben Zusammenhang ist nicht als Öffentlichkeit etwa im Sinne des § 228 StPO zu verstehen, sondern als ein dem Stand der Rechtsanwälte abträgliches Bekanntwerden eines Disziplinarvergehens über den Kreis der Rechtsanwälte hinaus.

Der Berufung ist allerdings zuzugestehen, dass der Disziplinarrat bei der Strafzumessung die Unbescholtenheit des Beschuldigten unberücksichtigt gelassen hat.

Darüber hinaus ist im Zuge der Strafbemessung als mildernd anzusehen, dass der Beschuldigte – wenngleich mit vollem Unrechtsbewusstsein – die Tat auf ausdrückliche Weisung seines Ausbildungsanwalts und arbeitsrechtlichen Vorgesetzten begangen hat.

Eine geringere Geldbuße als die aus dem Spruch ersichtliche – oder gar ein Verweis – kam indes aus spezial- und vor allem generalpräventiven Gründen nicht in Frage, um § 61 Abs 1 StPO und § 15 RAO nicht auszuhöhlen.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 54 Abs 5 DSt.

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