OGH 14Os84/17k

OGH14Os84/17k12.12.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Rechtshörers Biley als Schriftführer in der Auslieferungssache des Dmitry F*****, AZ 313 HR 62/13k des Landesgerichts für Strafsachen Wien, aus Anlass des Antrags des Betroffenen auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00084.17K.1212.000

 

Spruch:

Die Durchführung der Auslieferung wird bis zur Entscheidung über den vorliegenden Erneuerungsantrag gehemmt.

Die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Obersten Gerichtshof am 23. Jänner 2017 zu AZ 13 Os 49/16d gestellten Antrag auf Vorabentscheidung wird abgewartet.

 

Gründe:

Mit Beschluss vom 30. April 2015, GZ 313 HR 62/13k‑140, erklärte der Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien die mit Ersuchen vom 1. April 2014 von den Vereinigten Staaten von Amerika begehrte Auslieferung des Dmitry F***** zur Strafverfolgung wegen im Auslieferungsersuchen beschriebener Straftaten für unzulässig.

In Stattgebung der dagegen erhobenen Beschwerde erklärte das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 21. Februar 2017, AZ 22 Bs 291/15b, die begehrte Auslieferung unter Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes für nicht unzulässig (ON 181).

Gegen den genannten Beschluss des Oberlandesgerichts richtet sich der mit der Anregung auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung verbundene Antrag des Dmitry F***** auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO, der am 18. August 2017 beim Obersten Gerichtshof einlangte.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

1./ Aus der Kompetenznorm des § 362 Abs 5 StPO ist die Befugnis des Obersten Gerichtshofs abzuleiten, die Durchführung der Auslieferung vorläufig zu hemmen (RIS‑Justiz RS0125705 [T2]; 12 Os 126/17x, 12 Os 127/17v).

Aus Anlass des – nicht offenbar aussichtslosen (vgl § 410 Abs 3 StPO) – Antrags des Betroffenen sah sich der Oberste Gerichtshof unter Beachtung der vorliegend verbundenen Gefahr der Schaffung vollendeter Tatsachen, die das Antragsrecht vereiteln würden, veranlasst, die Durchführung der Auslieferung vorläufig zu hemmen (vgl Mayer‑Ladewig/Kulick in Mayer‑Ladewig/Nettesheim/von Raumer EMRK4 Art 34 Rz 55).

2./ Im Verfahren 13 Os 49/16d hat der verstärkte Senat des Obersten Gerichtshofs mit Beschluss vom 23. Jänner 2017 ein Ersuchen um Vorabentscheidung an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet. Die in diesem Ersuchen gestellte Rechtsfrage, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es den Obersten Gerichtshof verpflichtet, über Antrag des Betroffenen die Überprüfung einer rechtskräftigen Entscheidung eines Strafgerichts hinsichtlich behaupteter Verletzung von Unionsrecht vorzunehmen, wenn das nationale Recht (§ 363a StPO) eine solche Überprüfung nur hinsichtlich behaupteter Verletzung der EMRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle vorsieht, ist entscheidungsrelevante Vorfrage für das gegenständliche Verfahren, in dem der Erneuerungswerber seinen Antrag (auch) auf Art 49 EU‑GRC stützt.

Da der Oberste Gerichtshof auch in Rechtssachen, in denen er nicht unmittelbar Anlassfallgericht ist, von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszugehen und diese auch für andere als die unmittelbaren Anlassfälle anzuwenden hat, ist im vorliegenden Verfahren aus prozessökonomischen Gründen die Entscheidung des EuGH zu 13 Os 49/16d abzuwarten (vgl RIS‑Justiz RS0110583; 13 Os 79/16s; 12 Os 136/16s, 12 Os 137/16p).

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