European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0080OB00133.17T.1129.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO iVm § 252 IO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Der einschreitende Gläubiger meint, im Sanierungsverfahren sei die Anberaumung einer dritten Sanierungsplantagsatzung, bei der abgestimmt werde, unzulässig. Nach zweimaliger Abstimmung hätte die Sanierungsplantagsatzung nicht mehr – zur Ermöglichung einer dritten Abstimmung – erstreckt werden dürfen. Der zugrunde liegende Beschluss des Erstgerichts enthalte in Wirklichkeit drei gesonderte Beschlüsse. Hinsichtlich der Änderung der Verfahrensbezeichnung und der Entziehung der Eigenverwaltung hätte der Beschluss des Erstgerichts jedenfalls nicht abgeändert werden dürfen.
Damit zeigt der Gläubiger keine erhebliche Rechtsfrage auf.
2.1 Gemäß § 148a Abs 1 IO kann die Sanierungsplantagsatzung erstreckt werden
1. im Fall des § 147 Abs 2 (wenn nur eine der beiden Mehrheiten erreicht wird) oder
2. wenn das Gericht die Abstimmung über den bei der Tagsatzung geänderten oder neuen zulässigen Vorschlag nicht zugelassen hat oder
3. wenn zu erwarten ist, dass die Erstreckung der Tagsatzung zur Annahme des Vorschlags führen wird.
Diese Bestimmung fasst die insolvenzspezifischen Gründe für eine Erstreckung der Sanierungsplantagsatzung zusammen. Die drei in § 148a Abs 1 IO angeführten Fälle sind voneinander unabhängig. In den Fällen der Z 1 und 2 ist es daher nicht erforderlich, dass eine Annahme des Sanierungsplans zu erwarten ist ( Riel in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 148a KO Rz 1 und 2).
2.2 Z 1 leg cit betrifft den Fall, dass bei der Abstimmung nur eine der beiden Mehrheiten (Kopf- oder Summenmehrheit) erreicht wird. In diesem Fall kann der Schuldner gemäß § 147 Abs 2 IO begehren, dass bei einer neuerlichen Tagsatzung abermals abgestimmt wird. Nach überwiegender Meinung soll in einem solchen Fall eine wiederholte Erstreckung der Tagsatzung und damit eine dritte Abstimmung unzulässig sein (siehe die Nachweise bei Riel , aaO § 148a KO Rz 9). Riel tritt dieser Ansicht mit der Begründung entgegen, dass für eine nur einmalige Erstreckung der Tagsatzung die gesetzliche Stütze fehle. Es erscheine daher zutreffender, auch wiederholte Erstreckungen als zulässig anzusehen und Missbräuchen und Verschleppungsversuchen mit Zurückweisung des Sanierungsplanantrags gemäß §§ 141, 142 IO zu begegnen.
2.3 Die Ausführungen des einschreitenden Gläubigers betreffen in Wirklichkeit diesen Erstreckungsgrund, um den es im Anlassfall allerdings nicht geht. § 148a Abs 1 Z 1 iVm § 147 Abs 2 IO betrifft die wiederholte Abstimmung über denselben, also unveränderten Sanierungsplanantrag. Die hier vom Gläubiger angesprochene „dritte Abstimmung“ in der Sanierungsplantagsatzung vom 12. 11. 2017 betrifft aber gerade nicht diesen Fall.
3.1 Der Schuldner hat – neben dem Recht auf Beantragung der Erstreckung der Sanierungsplantagsatzung nach § 148a Abs 1 Z 1 IO – zudem die Möglichkeit, den Sanierungsplanantrag vor und in der Tagsatzung in jede Richtung zu ändern oder einen neuen Vorschlag zu unterbreiten, wenn der geänderte oder neue Vorschlag nicht unzulässig ist. Z 2 leg cit sieht für diesen Fall einen eigenen Erstreckungsgrund vor. Voraussetzung für die Inanspruchnahme dieses Erstreckungsgrundes ist demnach ein neuer oder geänderter, zulässiger, günstiger oder ungünstiger Sanierungsplanantrag, über den aus Sicht des Gerichts nicht sofort abgestimmt werden kann, etwa weil – wie imAnlassfall – noch keine ausreichende Begründung des verbesserten Sanierungsplanvorschlags vorliegt.
3.2 Jedenfalls in den Fällen des § 148a Abs 1 Z 2 und Z 3 wird in der Literatur allgemein eine wiederholte Erstreckung der Sanierungsplantagsatzung für zulässig erachtet (vgl dazu Riel , aaO § 148a KO Rz 9 mwN).
3.3 Im Anlassfall hat die Schuldnerin in der zweiten Sanierungsplantagsatzung einen verbesserten Sanierungsplanvorschlag unterbreitet, über den nach der Beurteilung des Erstgerichts nicht sofort abgestimmt werden konnte. Die Erstreckung der Sanierungsplantagsatzung zur Abstimmung über den geänderten Vorschlag war daher zulässig.
Die Entscheidung des Rekursgerichts steht mit diesen Grundsätzen im Einklang. Entgegen der Ansicht des einschreitenden Gläubigers trifft es nicht zu, dass das Erstgericht die Einleitung eines komplett neuen Sanierungsverfahrens bezweckte. Aufgrund der zulässigen Erstreckung der Sanierungsplantagsatzung am 25. 8. 2017 und des Auftrags an die Schuldnerin zur Begründung des verbesserten Sanierungsplanvorschlags bis 28. 8. 2017 hätte das Erstgericht nicht – dies schon am 25. 8. 2017 – den hier zugrunde liegenden Beschluss fassen dürfen. Dieser wurde vom Rekursgericht daher zu Recht behoben.
4. Die Änderung der Bezeichnung „von Sanierungsverfahren auf Konkursverfahren“ ist in § 167 Abs 3 IO geregelt. Im gegebenen Zusammenhang kommt nur der Fall der Z 3 in Betracht, nämlich „wenn der Sanierungsplan in der Sanierungsplantagsatzung abgelehnt und die Tagsatzung nicht erstreckt wurde“. Die Änderung der Bezeichnung des Verfahrens ist an bestimmte faktische Vorgänge im Insolvenzverfahren geknüpft. Dem Insolvenzgericht verbleibt bei der Bezeichnungsänderung kein Entscheidungsspielraum. Nur aus diesem Grund ist gemäß § 167 Abs 4 IO eine gesonderte Anfechtungsmöglichkeit der Bezeichnungsänderung entbehrlich. Wurde die Bezeichnung zu Unrecht geändert, so ist gemäß Abs 4 leg cit eine Berichtigung von Amts wegen oder auf Antrag möglich (RV 612 BlgNR 24. GP 29).
Der Ausspruch über den „Abbruch des Sanierungsverfahrens“ (siehe dazu Riel in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 147 KO Rz 17) durch das Erstgericht erfolgte zu Unrecht. Aus diesem Grund durfte auch die Änderung der Bezeichnung des Verfahrens nicht erfolgen. Die Voraussetzungen nach § 167 Abs 1 Z 3 IO waren zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Erstgerichts nicht gegeben.
5. Auch für die Entziehung der Eigenverwaltung der Schuldnerin gilt, dass im Rechtsmittelverfahren der angefochtene Beschluss des Erstgerichts zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu prüfen ist. Wie der einschreitende Gläubiger selbst ausführt, war am 25. 8. 2017 die 90‑tägige Frist gemäß § 170 Abs 1 Z 3 IO noch nicht abgelaufen. Dessen ungeachtet steht auch dieser Beschlussteil in untrennbarem sachlichem Zusammenhang mit dem zu Unrecht erfolgten „Abbruch des Sanierungsverfahrens“. Das Erstgericht hat der Schuldnerin die Eigenverwaltung nicht wegen Zeitablaufs entzogen, sondern ausschließlich deshalb, weil es – dies jedoch zu Unrecht – von einer Beendigung des Sanierungsverfahrens ausgegangen ist.
6. Insgesamt gelingt es dem einschreitenden Gläubiger nicht, mit seinen Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
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