OGH 8ObS3/17z

OGH8ObS3/17z29.11.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ulrike Hammerschmidt und Helmut Frick in der Sozialrechtssache der klagenden Partei K***** O*****, vertreten durch Mag. Dieter Kieslinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei IEF Service GmbH, Geschäftsstelle Wien, 1150 Wien, Linke Wienzeile 246, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17–19, wegen 977 EUR sA (Insolvenz-Entgelt), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Dezember 2016, GZ 7 Rs 92/16z‑14, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 11. August 2016, GZ 43 Cgs 25/16f‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:008OBS00003.17Z.1129.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 16. 4. 2013 bis 21. 11. 2014 beim späteren Insolvenzschuldner beschäftigt. Das Dienstverhältnis, das dem Kollektivvertrag für Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe (KV) unterlag, endete durch berechtigten vorzeitigen Austritt des Klägers.

Der anzuwendende Kollektivvertrag enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

XVII. Urlaub und Urlaubszuschuss

(…)

5. Der Arbeitnehmer hat einmal in jedem Kalenderjahr zum gesetzlichen Urlaubsentgelt Anspruch auf einen Urlaubszuschuss. Dieser Urlaubszuschuss beträgt ohne Rücksicht auf die Dauer des Dienstverhältnisses einen Monatsverdienst.

6. Der Urlaubszuschuss ist bei Antritt des Urlaubs fällig. Bei Teilung des Urlaubs gebührt nur der entsprechende Teil des Urlaubszuschusses. Wird ein Urlaub, auf den bereits Anspruch besteht, in einem Kalenderjahr nicht angetreten bzw verbraucht, ist der für dieses Kalenderjahr noch zustehende Urlaubszuschuss mit der Abrechnung für Dezember auszubezahlen .“

Während des Dienstverhältnisses konsumierte der Kläger vom 17. 12. 2013 bis 18. 1. 2014, vom 17. 4. bis 18. 4. 2014, am 16. 6. 2014, vom 28. 7. bis 1. 8. 2014 und vom 20. 11. bis 21. 11. 2014 insgesamt 30 Arbeitstage Urlaub.

Über das Vermögen des Dienstgebers wurde am 16. 9. 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Kläger begehrt Insolvenz-Entgelt für aliquoten Urlaubszuschuss 2014 samt Zinsen und Kosten. Der Urlaubszuschuss sei zur Gänze im gesicherten Zeitraum fällig geworden, weil der Kläger nur den im ersten Arbeitsjahr entstandenen Urlaubsanspruch konsumiert habe, wodurch eine aliquote Fälligkeit des Urlaubszuschusses im zweiten Kalenderjahr bei Urlaubsantritt nicht ausgelöst worden sei. Die Höhe des Klagebegehrens steht außer Streit.

Die Beklagte wandte ein, der Kläger habe seine arbeitsrechtlichen Ansprüche gegen den Schuldner nach Ende des Dienstverhältnisses am 23. 2. 2015 eingeklagt, weshalb der nach § 3a Abs 1 IESG gesicherte Zeitraum bis 21. 5. 2014 zurückreiche. Nach dem KV werde der Urlaubszuschuss bei Urlaubsantritt fällig. Soweit der Kläger schon vor dem 21. 5. 2014 Urlaub konsumiert habe, sei der darauf anteilig entfallende Urlaubszuschuss außerhalb des gesicherten Zeitraums fällig geworden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Den Bestimmungen des KV sei an keiner Stelle zu entnehmen, dass die Fälligkeit des Urlaubszuschusses an den Umstand geknüpft sein sollte, dass der Urlaub aus einem bestimmten Urlaubsjahr verbraucht wird. Es komme nur auf den tatsächlichen Verbrauch von Urlaub an. Der zwischen 1. 1. und 20. 5. 2014 konsumierte Urlaub des Klägers habe daher jeweils die Fälligkeit eines aliquoten Anteils des Urlaubszuschusses für dieses Kalenderjahr ausgelöst.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers keine Folge. Das Erstgericht habe den Kollektivvertrag richtig ausgelegt und zu Recht den Unterschied zwischen Urlaubsjahr und Kalenderjahr hervorgehoben. Die dagegen in der Berufung angeführten Bedenken seien nicht überzeugend. Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil die Auslegung eines Kollektivvertrags und damit eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf dem Prüfstand stehe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete, von der beklagten Partei beantwortete Revision des Klägers ist aus dem bereits vom Berufungsgericht angesprochenen Grund zwecks Klarstellung der Rechtslage zulässig. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

1. Der erkennende Senat hält die Rechtsausführungen des Berufungsgerichts für zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO), sodass sich die Begründung auf einige ergänzende Anmerkungen zum Revisionsvorbringen beschränken kann.

2. Entgegen der Ansicht des Klägers ist aus dem Umstand, dass der KV den Urlaubszuschuss als einmal in jedem Kalenderjahr gebührende Leistung definiert, für seinen Standpunkt nichts abzuleiten.

Es handelt sich beim Urlaubszuschuss um eine Sonderzahlung, einen aperiodischen Entgeltbestandteil, der ähnlich dem laufenden Entgelt durch Zeitablauf erworben wird (RIS‑Justiz RS0102516) und jedem Arbeitnehmer völlig unabhängig davon zusteht, ob er Urlaub verbraucht hat. „Zum Urlaubsentgelt“, wie es der anzuwendende KV ausdrückt, gebührt der Urlaubszuschuss daher lediglich insofern, als seine aliquote Fälligkeit innerhalb des Kalenderjahres jeweils durch einen Urlaubsantritt ausgelöst wird. Davon, dass es sich dabei um den Urlaub aus einem bestimmten Urlaubsjahr handeln müsse, ist im KV keine Rede.

Richtig ist, dass sich der Anspruch auf den Urlaubszuschuss auf das Kalenderjahr bezieht, sodass ein noch nicht schon vorher durch Urlaubsantritt fällig gewordener Restanspruch mit der Abrechnung für den Monat Dezember auszubezahlen ist. Die Revision verkennt daher das Wesen des Urlaubszuschusses als Sonderzahlung, wenn sie meint, dass der Dienstnehmer diese bei Verbrauch eines Resturlaubs im folgenden Kalenderjahr sozusagen doppelt erhalten würde.

3. Das Argument des Revisionswerbers, dass es wesentlicher Zweck des Urlaubszuschusses sei, dem Arbeitnehmer die Finanzierung der Mehrkosten zu erleichtern, die anlässlich des Erholungsurlaubs üblicherweise auftreten, bestätigt nur die Rechtsansicht des Berufungsgerichts. Die Auffassung des Klägers hätte vielmehr zur Folge, dass ein in der zweiten Jahreshälfte des Vorjahres eingetretener Arbeitnehmer, der in der ersten Hälfte des Folgekalenderjahres (in seinem ersten Urlaubsjahr) erstmals Erholungsurlaub konsumiert, bei dessen Antritt entgegen dem Zweck dieser Sonderzahlung keinen Urlaubszuschuss bekäme. Dieses Ergebnis kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass ein solcher Dienstnehmer den anteiligen Urlaubszuschuss des Vorjahres mit der Dezemberabrechnung erhalten hat. Die Argumentation der Revision vermengt dabei wieder in unzulässiger Weise den Anspruch auf das Jahresentgelt mit dem Urlaubsanspruch, der innerhalb von drei (meistens auch nicht mit dem Kalenderjahr identen) Jahren konsumiert werden kann (vgl 8 Ob 6/17s).

4. Es kommt auch dann zu keiner Überzahlung, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund der Konsumation übertragener Reste aus dem Vorjahr in einem Kalenderjahr insgesamt mehr als einen Jahresurlaub verbraucht, weil der Urlaubszuschuss immer mit dem für das laufende Kalenderjahr gebührenden Betrag limitiert ist.

Ebenso verfehlt ist aus diesem Grund die Überlegung des Revisionswerbers, dass ein Urlaubsvorgriff auch einen Anspruch auf einen Vorschuss auf den Urlaubszuschuss des nächsten Jahres begründen würde. Davon kann nach dem Kollektivvertrag keine Rede sein, weil der Urlaubszuschuss im Kalenderjahr nur einmalig gebührt und folglich nicht mehr, wenn er durch Zahlung bereits erschöpft ist. Kann dieser Arbeitnehmer im Folgekalenderjahr dann wegen des Vorgriffs weniger Urlaub konsumieren, dann hat er einen deswegen nicht ausgeschöpften restlichen Urlaubszuschuss mit der Dezemberabrechnung des Folgekalenderjahres zu erhalten.

5. Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 ASGG. Es wäre Sache des Klägers gewesen, Umstände darzulegen, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit aufgrund dieser Gesetzesstelle rechtfertigen können (RIS‑Justiz RS0085829). Dies ist hier nicht erfolgt, auch aus dem Akt ergeben sich dafür keine Anhaltspunkte.

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