European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00066.17W.1024.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass im Spruch des Beschlusses des Erstgerichts Punkt C. lit a und der erste Satz von Punkt C. lit b ersatzlos entfallen.
Begründung:
Der ledige Verstorbene hinterließ als gesetzliche Erbin eine Schwester, die keine Erbantrittserklärung abgab, sondern sich für sich und ihre Nachkommen des Erbrechts entschlug und keinen Anspruch gegen den Nachlass stellte. Eine formgültige letztwillige Verfügung des Verstorbenen liegt nicht vor.
Neben verschiedenen anderen Nachlassgläubigern – von denen die Stadt ***** zunächst ausdrücklich die Überlassung an Zahlungs statt beantragte, in der Folge aber erklärte (S 5 in ON 32), an der Übernahme von Liegenschaftsanteilen nicht interessiert zu sein, – gab die nunmehrige Rechtsmittelwerberin, die Republik Österreich, am 12. 12. 2012 eine „zu EZ 144 GB ***** aushaftende Forderung“ aus ausständigen Gerichtsgebühren samt Kosten im Betrag von 3.280,32 EUR im Verlassenschaftsverfahren bekannt. Einen Antrag auf Überlassung an Zahlungs statt enthält diese Forderungsanmeldung nicht.
Der Verstorbene war Eigentümer von 49/672 Anteilen an der Liegenschaft EZ 144 KG *****, bestehend aus dem Grundstück 214 Land (Feld/Wiese). In die vorläufige Vermögensaufstellung vom 31. 7. 2013 wurden diese vom Gerichtskommissär mit 0 EUR entsprechend der Einheitswertbewertung in die Aktiva aufgenommen. Auf der Liegenschaft sind exekutive Pfandrechte zugunsten der Revisionsrekurswerberin einverleibt.
Am 26. 2. 2015 gab der Gerichtskommissär dem Verlassenschaftsgericht bekannt, das Verlassenschafts‑ verfahren sei noch nicht beendet, weil die Liegenschaftsanteile noch nicht veräußert hätten werden können. Der Verlassenschaftskurator habe bekanntgegeben, sämtliche Gläubiger zu kontaktieren, um herauszufinden, ob einer von ihnen zur Übernahme der Liegenschaftsanteile an Zahlungs statt bereit sei.
Der bestellte Verlassenschaftskurator teilte dem Gerichtskommissär mit Schreiben vom 19. 8. 2015 mit, es sei bisher noch nicht möglich gewesen, den nachlasszugehörigen Liegenschaftsanteil zu veräußern. Er fürchte, der Anteil werde überhaupt nicht veräußert werden können, da bisher auch keiner der Miteigentümer den Anteil auch nur geschenkt haben hätte wollen.
Die Landwirtschaftskammer Steiermark gab am 12. 12. 2013 die Stellungnahme ab, das erwähnte Grundstück sei landwirtschaftlich genutzt und befinde sich in der Talflur des S*****bachs. Eine ackermäßige Nutzung sei möglich und so wäre ein ortsüblicher Verkehrswert mit 3 EUR pro m2 anzusetzen. Da es sich im gegenständlichen Fall um ideelles Miteigentum handle, wäre eine Abwertung von 10 % vorzunehmen. Es sei daher der 49/672-Anteil der Liegenschaft mit einem Verkehrswert von insgesamt 427 EUR zu bewerten.
Da der Verlassenschaftskurator der letzten Aufforderung des Gerichtskommissärs vom März 2016, einen Schlussbericht zu legen, bis 10. 5. 2016 nicht nachkam, erschien dem Gerichtskommissär die Veräußerung der Liegenschaftsanteile als unmöglich und erachtete dieser das Verlassenschaftsverfahren für beendet.
Das Erstgericht sprach mit Beschluss vom 13. Mai 2016 aus, die Verlassenschaft bestehe aus Aktiva von 1.960,92 EUR und Passiva von 161.839,80 EUR und sei daher mit 159.878,88 EUR überschuldet. Als Wert des nachlasszugehörigen Liegenschaftsanteils wies der Beschluss 427 EUR aus. Als Absonderungsanspruch gemäß § 48 IO am Liegenschaftsanteil wies der Beschluss ua die Forderung der Republik Österreich in Höhe von 3.280,32 EUR aus, die mit vollstreckbaren Pfandrechten über 16.221 ATS (C-LNr 2 [bester Pfandrang]), 10.803 ATS (C-LNr 4), 14.437 ATS (C‑LNr 5) und 4.190 ATS (C-LNr 6) sichergestellt sei. Weiters ordnete es die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Republik Österreich, Einbringungsstelle, in der EZ 144 KG ***** bei den ideellen 49/672 Anteilen des Verstorbenen B-LNr 7 an (Punkt C. lit a) und stellte fest, dass mit der Überlassung dieser Anteile an die im ersten Geldrang eingetragene Pfandgläubigerin bereits die gesamte Sondermasse erschöpft sei (Punkt C. lit b erster Satz).
In der Begründung führte das Erstgericht aus, es seien alle Voraussetzungen für eine Überlassung an Zahlungs statt gemäß den §§ 154, 155 AußStrG gegeben. Da eine Veräußerung des Liegenschaftsanteils durch den Verlassenschaftskurator nicht möglich gewesen sei und aus dieser Sondermasse auch nicht alle Absonderungsgläubiger befriedigt werden könnten, falle entsprechend deren grundbücherlichem Rang (C-LNr 2) der Republik Österreich der Liegenschaftsanteil zu. Beim Verkehrswert von 427 EUR könne durch diese Überlassung nicht einmal die Forderung der Republik Österreich im ersten Pfandrang von 16.221 ATS = 1.178,83 EUR zur Gänze beglichen werden. Hierdurch sei bereits die gesamte Sondermasse erschöpft, weshalb die übrigen Absonderungsansprüche nicht mehr vorrangig befriedigt werden könnten.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Republik Österreich nicht Folge. Diese wandte sich gegen die angeordnete Einverleibung ihres Eigentumsrechts am Liegenschaftsanteil. Das Rekursgericht führte aus, die Überlassung an Zahlungs statt setze einen Antrag desjenigen voraus, der die Übertragung an ihn wünsche. Dafür werde aber eine Äußerung im Sinn des § 155 Abs 1 AußStrG, die eine Forderung nenne und nicht auf einen Verzicht schließen lasse, ausreichen. Das Vorhandensein von Liegenschaften hindere die Überlassung an Zahlungs statt nicht. Die Rekurswerberin habe mit der Anmeldung ihrer bei den 49/672-Anteilen des Verstorbenen in der EZ 144 KG ***** pfandrechtlich sichergestellten Forderung einerseits ihr Absonderungsrecht hinsichtlich der Liegenschaftsanteile geltend gemacht und andererseits damit auch einem Antrag auf Überlassung an Zahlungs statt im Sinne der dargestellten Ansicht genügt.
Das Rekursgericht ließ nachträglich den Revisionsrekurs zu: Es habe sich zur Ansicht, dass für die Überlassung an Zahlungs statt gemäß § 154 AußStrG eine Forderungsanmeldung eines Nachlassgläubigers zwar grundsätzlich einen Antrag desjenigen voraussetze, der die Übertragung an ihn wünsche, dafür aber eine reine Forderungsanmeldung genüge, die nicht auf einen Verzicht schließen lasse, auf Sailer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG, § 154 Rz 7; Grün in Rechberger, AußStrG2, § 154 Rz 2 und zweitinstanzliche Judikatur des LG Linz 15 R 335/14m und des LGZ Wien 48 R 191/14i = EFSlg 144.639 bezogen. Gegen die daraus abgeleiteten „konkludenten Erklärungen“ äußere die Revisionsrekurswerberin Bedenken, denen nicht von vornherein entgegengetreten werden könne.
Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Republik Österreich mit dem Antrag auf Abänderung dahingehend, dass die Einverleibung des Eigentumsrechts der Rechtsmittelwerberin am gegenständlichen Liegenschaftsanteil nicht bewilligt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Revisionsrekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig.
Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
Schon zu § 73 Abs 1 AußStrG 1854, aus dessen Wortlaut sich die Notwendigkeit eines Antrags nicht ergibt, sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass die Überlassung des Nachlasses an Zahlungs statt nur über Antrag in Betracht kommt (SZ 8/99; 4 Ob 1511/91 = RIS-Justiz RS0007642).
Nunmehr sieht § 154 Abs 1 AußStrG 2003 (in der hier anzuwendenden Fassung vor dem ErbRÄG 2015, vgl § 207k Abs 3 AußStrG) ausdrücklich vor, dass das Gericht die Aktiven einer überschuldeten Verlassenschaft auf Antrag den Gläubigern zu überlassen hat, wenn nicht schon eine unbedingte Erbantrittserklärung oder ein Antrag auf Überlassung als erblos vorliegt und kein Verlassenschaftskonkurs eröffnet wurde.
Die Überlassung an Zahlungs statt setzt somit nach dem Gesetzeswortlaut einen Antrag desjenigen Gläubigers voraus, der die Übertragung an ihn wünscht (LGZ Wien 45 R 298/07t = EFSlg 118.974; Grün in Rechberger, AußStrG2 [2013] § 154 Rz 2; Sailer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 154 Rz 7 [Stand 1. 11. 2013, rdb.at]).
Nach Sailer und – ihm folgend – LG Linz 15 R 335/14m und LGZ Wien 48 R 191/14i (EFSlg 144.639) soll eine Äußerung im Sinn des § 155 Abs 1 AußStrG, die eine Forderung nennt und nicht auf einen Verzicht schließen lässt, für einen Antrag auf Überlassung an Zahlungs statt ausreichen.
Dieser Auffassung ist nur dann zu folgen, wenn es um die Überlassung von Vermögenswerten geht, die für den Gläubiger offensichtlich mit keinen Nachteilen verbunden sind. So wird etwa die Bekanntgabe einer Geldforderung im Verlassenschaftsverfahren als Antrag auf Überlassung von Sparguthaben oder Bargeld zu verstehen sein, nicht aber auch als Antrag auf Überlassung anderer im Nachlass befindlicher Aktiva.
Wie der vorliegende Fall nämlich zeigt – was die Rechtsmittelwerberin zutreffend aufzeigt, – kann es durchaus Gründe geben, dass ein Gläubiger zwar seine Forderung im Verfahren bekanntgibt, jedoch die Überlassung an Zahlungs statt (die gemäß § 798a ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 einen Titel zum Erwerb bildet) nicht anstrebt. Mit dem Erwerb von Sachen (im weiten Sinn des § 285 ABGB) können nämlich Lasten verbunden sein. Im Fall von Liegenschaften ist vor allem an die Eintragungsgebühr, die Grunderwerbsteuer (Verweijen, Verlassenschaftsverfahren 108; Perscha, Die Überlassung an Zahlungs statt, EF-Z 2012, 47 [48]), die Grundsteuer und Kommunalgebühren zu denken. Die Anmeldung einer Forderung kann aber etwa auch erfolgen, um dem Gläubiger die Beteiligtenstellung zu wahren (RIS-Justiz RS0116631).
Für die Überlassung an Zahlungs statt ist daher ein ausdrücklicher Antrag des Gläubigers oder der Gläubiger, dem oder denen die Aktiven einer überschuldeten Verlassenschaft überlassen werden sollen, jedenfalls dann erforderlich, wenn mit den überlassenen Vermögenswerten auch Belastungen verbunden sein können. In diesem Fall bedarf es einer Rückfrage bei dem betroffenen Gläubiger, ob er mit der Überlassung einverstanden ist.
Eine ohne (aufrechten) Antrag erfolgte Überlassung an Zahlungs statt ist ersatzlos aufzuheben (LGZ Wien 45 R 298/07t = EFSlg 118.974; Grün in Rechberger, AußStrG2 § 154 Rz 2).
Nach der Rechtsprechung sind im Verfahren nach § 73 AußStrG 1854 (bzw §§ 154 f AußStrG 2003) die in der Insolvenz jeweils geltenden Vorschriften über die Aussonderungs- und Absonderungsansprüche, über die Masseforderungen und über die Insolvenzforderungen sinngemäß anzuwenden (RIS-Justiz RS0007622). Auch im Verfahren nach §§ 154 f AußStrG sind Absonderungs‑ gläubiger vor der Überlassung an Zahlungs statt zu befriedigen (RIS-Justiz RS0007622 [T4]).
Diese Rechtsprechung bietet aber keine Grundlage dafür, eine Sache, an der ein Absonderungsrecht besteht, dem Absonderungsgläubiger ohne entsprechenden Antrag (ins Eigentum) zu übertragen. Auch in der IO ist die Überlassung einer Sache, an der ein Pfandrecht besteht, an den Pfandgläubiger nicht vorgesehen: Sind Sachen des Schuldners mit Pfandrechten belastet, so kann sie der Insolvenzverwalter gemäß § 120 Abs 1 IO jederzeit durch Bezahlung der Pfandschuld einlösen und bei unbeweglichen Sachen durch Bezahlung der Pfandschuld in das Pfandrecht eintreten. Auch Sachen, an denen Absonderungsrechte bestehen, gehören zur Insolvenzmasse und sind daher durch den Insolvenzverwalter zu verwerten (vgl Riel in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze [2001], § 120 KO Rz 1).
Da die Rechtsmittelwerberin keinen ausdrücklichen Antrag auf Überlassung an Zahlungs statt gestellt hat, war die von den Vorinstanzen verfügte Überlassung der gegenständlichen Liegenschaft an diese aufzuheben. Da der Ausspruch des Erstgerichts in Punkt C. lit b erster Satz in untrennbarem Zusammenhang mit der Überlassung steht, war auch dieser Spruchpunkt ersatzlos aufzuheben.
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