European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00120.17G.1017.000
Spruch:
Der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 28. Oktober 2015, AZ 139 Bl 40/15k, verletzt durch die Zurückweisung der Berufung als verspätet das Gesetz in § 478 Abs 2 StPO.
Der Beschluss wird in seinem Punkt 2./ aufgehoben und dem Landesgericht für Strafsachen Wien die meritorische Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde aufgetragen.
Gründe:
Im Verfahren AZ 17 U 344/14y des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien wurde die Durchführung der (fortgesetzten) Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten Djelouol C***** beschlossen (ON 20 S 2).
Gegen das ihn anklagekonform schuldig erkennende Urteil (ON 22) erhob C***** unter Hinweis auf seine zwischenzeitliche Inhaftierung fristgerecht (ON 1 S 7) Einspruch (ON 31), welchen der Bezirksrichter verwarf (ON 34). Dagegen erhob der Angeklagte rechtzeitig Beschwerde, in welcher er – ein Handeln in Notwehr reklamierend – seine Unschuld beteuerte und die „Neuverhandlung“ der Strafsache beantragte (ON 35).
Der – inhaltlich nicht ausgeführten – Beschwerde gab das Landesgericht für Strafsachen Wien mit dem im Spruch genannten Beschluss nicht Folge (Punkt 1./) und wies die (inhaltlich zur Darstellung gebrachte) Berufung gemäß § 470 Z 1 StPO als unzulässig zurück (Punkt 2./), weil deren Anmeldung nach der Ausnahmebestimmung des § 427 Abs 3 zweiter Satz StPO (spätestens) gemeinsam mit dem Einspruch gegen das Abwesenheitsurteil hätte erfolgen müssen (ON 37).
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 28. Oktober 2015, AZ 139 Bl 40/15k (ON 37 der U‑Akten), in seinem Punkt 2./ mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Rechtliche Beurteilung
Gegen ein in Abwesenheit des Angeklagten beim Bezirksgericht ergangenes Urteil kann gemäß § 478 Abs 1 StPO binnen vierzehn Tagen nach Urteilszustellung Einspruch erhoben werden und entweder schon mit diesem oder erst mit der an das Landesgericht gerichteten Beschwerde gegen dessen Verwerfung durch das Bezirksgericht das Rechtsmittel der Berufung verbunden werden (§ 478 Abs 2 StPO), das in diesen Fällen nicht gesondert angemeldet werden muss (Ratz, WK‑StPO § 478 Rz 6 f; RIS‑Justiz RS0101837 [T4]).
Das Landesgericht für Strafsachen Wien hätte daher über das inhaltlich als Berufung zu wertende Rechtsmittelvorbringen des Angeklagten in seiner Eingabe vom 10. September 2015 (ON 35) meritorisch zu entscheiden gehabt.
Weil diese Gesetzesverletzung dem Verurteilten zum Nachteil (§ 292 letzter Satz StPO) gereicht, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, den Beschluss in seinem Punkt 2./ aufzuheben und dem Landesgericht für Strafsachen Wien die inhaltliche Entscheidung über die Berufung (und die damit verbundene Beschwerde – § 498 Abs 3 StPO) aufzutragen.
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