European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00114.17D.0919.000
Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 21. Dezember 2016, GZ 11 Hv 8/16i‑44, verletzt § 147 Abs 1 Z 1 und § 148 zweiter Fall StGB.
Es werden das genannte Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der angelasteten Taten (auch) nach § 147 Abs 1 Z 1 und § 148 zweiter Fall StGB, demgemäß auch in der zum Schuldspruch gebildeten Subsumtionseinheit sowie im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und der unter einem gefasste Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wels verwiesen.
Gründe:
Mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem und in gekürzter Form ausgefertigtem Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 21. Dezember 2016, GZ 11 Hv 8/16i‑44, wurde Charlotte D***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Danach hat sie in N***** und andernorts mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und „in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von teilweise schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen“ in wiederholten Angriffen andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, indem sie durch die Vorgabe, eine zahlungswillige und ‑fähige Vertragspartnerin zu sein, die nachgenannten Personen zur Lieferung von Baumaterial und zur Erbringung von Dienst- sowie Beherbergungsleistungen veranlasste oder dies versuchte, und zwar
1./a./ von 17. Juni bis August 2015 in vier Angriffen Halil K***** als Verfügungsberechtigten der H*****GmbH (Schaden 24.154,52 Euro);
1./b./ am 13. Juli 2015 in zwei Angriffen Verfügungsberechtigte der K********** GmbH & Co KG (Schaden 77.500 Euro, hinsichtlich welchem es in Ansehung von 57.865 Euro beim Versuch blieb);
2./ am 25. Februar 2016 Thomas S***** (Schaden 410,80 Euro);
3./ von 3. bis 13. März 2016 Verfügungs-berechtigte der M***** GmbH (Schaden 721,10 Euro).
Mit zugleich ergangenem Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO wurde vom Widerruf der D***** mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. Juli 2016, AZ 185 BE 136/16x, gewährten bedingten Entlassung abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert (ON 44 S 3).
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht das genannte Urteil im Umfang der rechtlichen Unterstellung der Taten (auch) nach § 147 Abs 1 Z 1 und § 148 zweiter Fall StGB mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Die Subsumtion betrügerischen Verhaltens nach § 147 Abs 1 Z 1 StGB setzt voraus, dass der Täter zur Täuschung zumindest eines der im Gesetz genannten Mittel benützt hat.
Die Qualifikation des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach § 148 zweiter Fall StGB verlangt nach § 70 Abs 1 StGB (in der – entsprechend dem nach §§ 1, 61 StGB anzustellenden Günstigkeitsvergleich auch auf vor dem 1. Jänner 2016 gesetztes Verhalten anzuwendenden – Fassung BGBl I 2015/112), dass der Täter die Absicht hat, sich durch die wiederkehrende Begehung von schwerem Betrug nach § 147 Abs 1 bis 2 StGB längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, das nach einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlich den Betrag von 400 Euro übersteigt (§ 70 Abs 2 StGB). Darüber hinaus muss der Täter bei der Tatbegehung entweder unter Einsatz besonderer Fähigkeiten oder Mittel handeln, die eine wiederkehrende Begehung nahelegen (§ 70 Abs 1 Z 1 StGB), zwei weitere „solche Taten“ (im Kontext des § 148 zweiter Fall StGB: schweren Betrug iSd § 147 [Abs 1 bis 2] StGB; vgl RIS‑Justiz RS0130850, RS0130965) schon im Einzelnen geplant haben (§ 70 Abs 1 Z 2 StGB), oder (innerhalb der in § 70 Abs 3 StGB genannten Zeitspanne) bereits zwei solche Taten begangen haben oder einmal wegen einer solchen Tat verurteilt worden sein (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB).
Den dargestellten Erfordernissen entsprechende Sachverhaltsannahmen sind dem Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), das beim– wie hier – in gekürzter Form ausgefertigten Urteil (§ 270 Abs 4 StPO) die Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) als Bezugspunkt für die materiell‑rechtliche Beurteilung substituiert (RIS‑Justiz RS0125764, vgl auch RS0125032), nicht zu entnehmen (ON 44 S 2).
Die aufgezeigte Gesetzesverletzung wirkte sich zum Nachteil der Verurteilten aus und der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO).
Bleibt anzumerken, dass der Beschluss gemäß § 494a StPO – mangels Delinquenz der Verurteilten während der Probezeit (§ 53 Abs 1 erster Satz StGB) – rechtlich verfehlt war (RIS‑Justiz RS0092019).
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