European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00014.17Y.0524.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Den Angeklagten T***** und M***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuld‑ und Freisprüche enthält, wurden Najmuldin T***** und Aref M***** jeweils des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, letzterer als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB (A./I./; B./I./) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (A./III./; B./III./), ferner der Erstgenannte des Verbrechens der Vorbereitung des Suchtgifthandels nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 3 SMG (A./II./) und der Zweitgenannte des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, teils als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB (B./II./) schuldig erkannt.
Danach hat – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden von Relevanz – Najmuldin T***** in I***** und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift
A./I./ in einer das 25‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er zumindest 18,2 Kilogramm Cannabiskraut (Reinsubstanzgehalt zumindest 1.263,3 Gramm Delta‑9‑THC) sowie geringe Mengen Ecstasy (MDMA) in einer Vielzahl überwiegend gewinnbringender Verkaufshandlungen an zahlreiche Abnehmer übergab, und zwar
1./ von Frühjahr 2014 bis Ende 2015 zumindest 2.226 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt von mindestens 5 % Delta‑9‑THC (rund 111,3 Gramm reines Delta‑9‑THC) und Ecstasy‑Tabletten an 22 im Urteil namentlich angeführte Abnehmer,
2./ von Anfang des Jahres 2016 bis 3. Mai 2016 teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Aref M***** 16 Kilogramm Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 7,2 % Delta‑9‑THC (1.152 Gramm reines Delta‑9‑THC) an 28 im Urteil genannte sowie zahlreiche weitere Abnehmer, wobei er diese Taten als Mitglied einer kriminellen Vereinigung beging, die aus ihm, Aref M***** und Ziaurahman R***** bestand;
II./ Ende April/Anfang Mai 2016 487,3 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 13,5 % Delta‑9‑THC (65 Gramm reines Delta‑9‑THC) erworben und bis zum 3. Mai 2016 mit dem Vorsatz besessen, dass es durch gewinnbringenden Verkauf in Verkehr gesetzt werde;
…
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil wenden sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten T***** und M*****.
Der Angeklagte M***** hat zwar Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet (ON 99), jedoch nur die Berufung ausgeführt (ON 118). Da er auch bei der Rechtsmittelanmeldung keine Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet hat, war die (angemeldete) Nichtigkeitsbeschwerde bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO).
Der Angeklagte T***** stützt seine gegen den Schuldspruch zu A./I./2./ gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO.
Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS‑Justiz RS0098646).
Der Kritik der Rüge zuwider waren die Angaben des Rechtsmittelwerbers über angeblich von Aref M***** gegenüber einem Mithäftling gemachte Andeutungen über ein Suchtgiftgeschäft von bis zu 60 Kilogramm Marihuana „mit dem Türken in Im*****“ (ON 79 S 627) und das „mit diesen Angaben korrespondierende Telefonüberwachungsprotokoll Nr. 237“ (ON 83 S 81) nicht gesondert erörterungsbedürftig, steht doch die Möglichkeit eines (weiteren) „Großabnehmers“ in Im***** den Konstatierungen zur Menge des von T***** in I***** verkauften Suchtgifts nicht entgegen. Im Übrigen haben die Tatrichter das angesprochene Telefonüberwachungsprotokoll in ihre Überlegungen einbezogen, daraus aber nicht die von der Beschwerde gewünschten Schlüsse gezogen (US 34).
Auch mit den Angaben des M***** (ON 79 S 683 bzw Telefonüberwachungsprotokoll Nr 277, ON 83 S 111 f), wonach er eine Verbindung zu einer weiteren Person (Rafiullah A*****) habe, mussten sich die Tatrichter nicht ausdrücklich auseinandersetzen, schließt dieser Umstand doch eine Vermittlungstätigkeit des Zweitangeklagten für den Rechtsmittelwerber nicht aus (vgl auch ON 83 S 113: „O***** [A*****] weiß das nicht“).
Schließlich besteht auch kein erörterungsbedürftiger Widerspruch zwischen den Angaben des M*****, er sei „lediglich als Vermittler von Suchtgiftgeschäften“ zwischen R***** und dem Erstangeklagten aufgetreten und dem sich aus der Telefonüberwachung ergebenden Ablauf der Suchtgiftlieferungen am 11. und 16. April 2016 (ON 83 S 117 f, 171).
Insgesamt kritisiert die Mängelrüge mit ihrem Vorbringen lediglich die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld, ohne formale Begründungsmängel im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzeigen zu können. Mit dem variierenden Aussageverhalten des Zweitangeklagten haben sich die Tatrichter zudem ausdrücklich auseinandergesetzt (US 26, 30 f).
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten T***** war daher ebenfalls bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die (implizite) Beschwerde ergibt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sei angemerkt, dass das Erstgericht zum Schuldspruch A./II./ irrig die Qualifikation nach § 28 Abs 3 SMG angenommen hat, weil nach den Urteilsfeststellungen Najmuldin T***** diese Taten gerade nicht als Mitglied der kriminellen Vereinigung begangen hat (US 16 zweiter und dritter Absatz; vgl auch US 5).
Die verfehlte Annahme eines – hier nicht strafrahmenbestimmenden (vgl § 28a Abs 4 Z 3 SMG) – Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 3 SMG bietet allerdings keinen Anlass für ein amtswegiges Vorgehen, weil der aufgezeigte Subsumtionsfehler (Z 10) per se noch keinen Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO darstellt ( Ratz , WK‑StPO § 290 Rz 22 f). Die aggravierende Wertung des Zusammentreffens von „zwei Verbrechen und mehreren Vergehen“ (US 48) wiederum bedeutet keine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO, weil davon nur das Gewicht des – zu Recht angenommenen Erschwerungsgrundes des § 33 Abs 1 Z 1 StGB betroffen ist (RIS‑Justiz RS0116878 [T2]).
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