OGH 1Ob76/17h

OGH1Ob76/17h24.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** E*****, vertreten durch Dr. Armin Exner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 9.665,83 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2017, GZ 4 R 185/16m‑14, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 11. Oktober 2016, GZ 56 Cg 76/16f‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00076.17H.0524.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 694,90 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Bei einem Verkehrsunfall in Italien wurde der Wohnanhänger des Klägers aus dem alleinigen Verschulden des Unfallgegners beschädigt, wodurch eine objektive Wertminderung von 1.000 EUR eintrat. Eine Schadensbehebung würde rund 3.900 EUR kosten; danach verbliebe eine (merkantile) Wertminderung von 580 EUR.

Im Anlassverfahren wurden dem Kläger lediglich 1.000 EUR zugesprochen. Das darüber hinausgehende Begehren auf Ersatz der fiktiven Reparaturkosten und der verbleibenden Wertminderung wurde im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass nach italienischem Recht der Ersatz der Reparaturkosten auf dem marktüblichen Preis beschränkt sei und der Reparaturaufwand fast das Vierfache des Betrags der Wertminderung erreiche. Auch habe eine Reparaturabsicht nicht festgestellt werden können. Beim vorliegenden Verhältnis zwischen objektiver Wertminderung und dem Reparaturaufwand sei es naheliegend, dass nur der Wertausgleich gemäß Art 2058 Abs 2 CC anstelle des Ersatzes der Reparaturkosten gemäß Art 2058 Abs 1 CC gebühre.

Gegenstand des Amtshaftungsverfahrens ist der Vorwurf einer unvertretbar unrichtigen Auslegung des italienischen Schadenersatzrechts, den die Vorinstanzen mit dem Argument, der Entscheidung im Anlassverfahren sei eine vertretbare Rechtsansicht zugrundegelegen, verwarfen. Die diesbezügliche italienische Rechtslage sei nicht ohne weiteres erschließbar. In der Literatur werde vertreten, dass zwar grundsätzlich nach italienischem Recht keine Begrenzung des Ersatzes von Reparaturkosten mit der objektiven Wertminderung bei Nichtdurchführung der Reparatur stattfinde, andererseits aber von Art 2058 Abs 2 CC eine Grenze gezogen werde, wenn die Wiederherstellung für den Schuldner mit einer übermäßigen Belastung verbunden ist. Es sei vertretbar, in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Reparaturkosten ein Vielfaches der objektiven Wertminderung betragen, eine übermäßige Belastung des Schädigers im Sinne des Art 2058 Abs 2 CC anzunehmen, in dessen Rahmen offensichtlich Billigkeitserwägungen eine Rolle spielten. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil die Frage des Ersatzes von die objektive Wertminderung übersteigenden fiktiven Reparaturkosten nach italienischem Recht bei Unsicherheit darüber, ob die Reparatur durchgeführt wird, nicht hinreichend geklärt sei und dieser Frage im Hinblick auf die inländische Gerichtszuständigkeit generelle Bedeutung zukomme.

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist nicht zulässig, da es in erster Linie auf die Vertretbarkeit der von den Gerichten im Anlassverfahren vertretenen Rechtsansicht ankommt und der Oberste Gerichtshof zudem zur Fortentwicklung des italienischen Schadenersatzrechts nicht berufen ist (vgl RIS‑Justiz RS0042948 [T19, T31]); dass im Anlassverfahren eine im ursprünglichen Geltungsbereich des fremden Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt worden wäre (RIS‑Justiz RS0042940), vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen.

Rechtliche Beurteilung

1. Im Allgemeinen ist die Rechtsfrage der Vertretbarkeit einer Rechtsansicht als Verschuldenselement keine solche von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO, es sei denn, es läge eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dieser Frage vor (RIS‑Justiz RS0110837), was hier nicht der Fall ist. Die Auffassung des Berufungsgerichts, den Gerichten im Anlassverfahren könne nicht der Vorwurf einer schuldhaften Fehlbeurteilung des italienischen Schadenersatzrechts gemacht werden, wenn sie davon ausgegangen sind, dass in Fällen wie dem vorliegenden der Geschädigte gemäß Art 2058 Abs 2 Codice civile (CC) auf den Ersatz der schadensbedingten Wertminderung beschränkt ist, weil die Wiederherstellung in Natur für den Schuldner mit einer unverhältnismäßigen Belastung verbunden wäre, lässt die Notwendigkeit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof nicht erkennen.

2. Der Revisionswerber setzt sich mit der Reichweite des Art 2058 Abs 2 CC gar nicht näher auseinander, sondern beruft sich in erster Linie auf die Entscheidung des italienischen Höchstgerichts Corte di Cassazione Nr 1688/2010 vom 27. 1. 2010, die sich aber nicht mit Art 2058 CC befassten, sondern sich – nach seiner eigenen Darstellung – lediglich mit der Frage auseinandersetzt, ob dem Geschädigten, der Ersatz der (fiktiven) Reparaturkosten einschließlich der Mehrwertsteuer und für den zeitweiligen Verlust der Gebrauchsmöglichkeit, und zwar auch vor Durchführung der Reparatur, zusteht. Diese Frage stellt sich aber erst dann, wenn vorher geklärt wurde, ob im konkret zu beurteilenden Einzelfall eine unverhältnismäßige Belastung des Schädigers im Sinne des Art 2058 Abs 2 CC nicht vorliegt. Wird eine solche übermäßige Belastung hingegen – wie im Anlassverfahren – bejaht, kommt ein Anspruch auf Ersatz (bzw Vorschuss) der (fiktiven) Reparaturkosten schon dem Grunde nach nicht in Betracht.

3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen, womit ihr Schriftsatz als zweckentsprechende Rechtsverteidigungsmaßnahme zu qualifizieren ist.

Stichworte