European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00004.17B.0405.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche sowie die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marko V***** (zu I.) der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, (zu II.) des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und (zu III.) der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Danach hat er in M***** und anderen Orten Sandra U*****
I.) vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar
1.) am 13. September 2015, indem er sie an den Schultern packte, sie schüttelte, am Boden mit seinen Knien auf ihrer Brust und an ihren Schultern fixierte und mit dem Kopf gegen die Badezimmertür stieß, wodurch sie Hämatome an den Armen, Knöcheln, Schultern, im Bereich des Brustbeins und am Rücken sowie Prellungen zweier Finger und eine Platzwunde an der Stirn erlitt;
2.) am 21. September 2015, indem er sie an den Schultern packte und gegen die Kühlschranktür stieß, wodurch sie Hämatome an den Schultern und Armen erlitt;
II.) von 19. Oktober bis 7. November 2015 (zusammengefasst) in zumindest sechs im Urteil näher beschriebenen Angriffen mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit und durch gefährliche Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben zur Vornahme und Duldung des Beischlafs sowie einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich des Oralverkehrs, genötigt, wobei eine Tathandlung eine schwere Körperverletzung, nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung beträchtlichen Ausmaßes mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung bzw Berufsunfähigkeit zur Folge hatte;
III.) gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper „bzw ihrer sexuellen Integrität“ bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er
1.) Anfang Oktober 2015 ihr gegenüber äußerte, dass er sie abstechen werde,
2.) am 14./15. November 2015 auf ihre Nachricht „Willst du mir wieder wehtun?“ mit „Wenn es sein muss schon“ antwortete und überdies „Egal was passiert. Ich geh eh ins Gefängnis“, „Du bekommst das was du verneinst. Egal wie du denkst“ und „Schlampe, wo bist du. Du wirst büßen. Für das was du mir angetan hast. Du wirst es sehen wer ich bin gute Nacht und viel Spass“ schrieb.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf Z 5a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) will lediglich unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).
Indem die Beschwerde behauptet, es widerspreche „gänzlich der allgemeinen Lebenserfahrung“ und könne „gemeinhin als lebensfremd erachtet werden“, dass Sandra U***** bei ihrer ersten polizeilichen Vernehmung nicht auch die Vergewaltigungsvorwürfe erwähnt habe, und so die Glaubwürdigkeit des Opfers zu erschüttern trachtet, gelingt es ihr nicht, beim Obersten Gerichtshof solch qualifizierte Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden Tatsachen zu erwecken.
Als Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) moniert die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall), dass das Erstgericht als erschwerend auch „die kumulativ vorliegende Tatbegehung der Vergewaltigung durch Anwendung von Gewalt, gefährlicher Drohung und Entziehung der persönlichen Freiheit“ gewertet hat. Entgegen der Kritik des Nichtigkeitswerbers verstößt die erschwerende Berücksichtigung der Tatbegehung durch den Einsatz aller drei Nötigungsmittel nicht gegen das Doppelverwertungsverbot, weil beim alternativen Mischtatbestand der Vergewaltigung die Erfüllung mehr als nur einer der Alternativen nicht die Strafbarkeit bestimmt (RIS-Justiz RS0126145).
Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang das Fehlen von Feststellungen zu einem auch auf das Tatmittel der Entziehung der persönlichen Freiheit gerichteten Vorsatz des Angeklagten kritisiert (Z 11 zweiter Fall; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 648, 696), übergeht sie die dazu – wenn auch disloziert – getroffenen Konstatierungen (US 35, US 38 letzter Absatz iVm US 39 erster Absatz).
Weiters macht die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) geltend, das Erstgericht habe den Umstand, dass es sich um Sexualdelikte handelte, zweifach gewertet (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB), indem es aus generalpräventiven Überlegungen eine unbedingte Freiheitsstrafe verhängte, „um klar auszusprechen, dass unsere Gesellschaft sexuelle Übergriffe nicht toleriert und damit potentielle Straftäter von der Tatbegehung abhält“ (US 40). Sie übersieht dabei aber, dass die geltend gemachte Norm nicht im Verhältnis zwischen Strafbemessung im engeren Sinn einerseits und der Entscheidung über die Gewährung bedingter oder teilbedingter Strafnachsicht (§§ 43, 43a StGB) andererseits gilt (RIS-Justiz RS0090946 [T1]).
Entgegen dem weiteren Vorbringen der Sanktionsrüge (der Sache nach Z 11 erster Fall) haben die Tatrichter den Kausalzusammenhang zwischen der Persönlichkeitsstörung des Angeklagten und den Anlasstaten durch detaillierte Feststellungen zu den Auswirkungen der Persönlichkeitsstörung des Angeklagten (US 19 f) sowie durch Übernahme der als schlüssig erachteten Ausführungen der Sachverständigen Dr. B***** und Dr. H***** hinreichend deutlich und bestimmt konstatiert (US 37: „... dass der Angeklagte in den jeweiligen Tatzeitpunkten an einer schweren kombinierten Persönlichkeitsstörung litt, die narzisstische, dissoziale und emotional instabile Züge aufweist, die kausal für die Tathandlungen waren“). Indem die Beschwerde eine Unschlüssigkeit der zitierten Gutachten nicht einmal behauptet, wird der gleichfalls angesprochene Nichtigkeitsgrund der Z 5 vierter Fall (iVm Z 11 erster Fall) nicht zur Darstellung gebracht (RIS-Justiz RS0119301 [T2]).
Dem eine Undeutlichkeit der Feststellungen zur Prognosetat rügendem Vorbringen zuwider (inhaltlich Z 11 zweiter Fall) haben die Tatrichter die hohe Wahrscheinlichkeit künftiger Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen mit schweren Folgen aus den vom Gesetz genannten Erkenntnisquellen (vgl § 21 Abs 1 StGB) abgeleitet (US 19 f) und die Prognosetaten auch hinreichend beschrieben (US 20: „analoge Taten zu den gegenständlich vorgeworfenen Taten mit schweren Folgen“; US 37: „Taten mit schweren Folgen, etwa wie die ihm nun angelasteten Vergewaltigungen“; US 41: „wieder solche Taten“).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – ebenso wie die im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (vgl § 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen Schuld (angemeldet als „volle Berufung“; ON 79 S 24) – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die implizite Beschwerde ergibt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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