OGH 8Ob22/17v

OGH8Ob22/17v28.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) A* S*, und 2) H* S*, ebendort, beide vertreten durch Dr. Markus Sorger, Rechtsanwalt in Gleisdorf, gegen die beklagten Parteien 1) H* L*, und 2) D* L*, ebendort, beide vertreten durch Ing. Mag. Dr. Felix Jurak, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Ersitzung einer Dienstbarkeit (Streitwert 5.800 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 20. Oktober 2016, GZ 5 R 153/16f‑48, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Voitsberg vom 13. Juli 2016, GZ 2 C 15/14d‑41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E117750

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit 717,60 EUR (darin enthalten 119,60 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Kläger sind aufgrund des Übergabsvertrags vom 24. 11. 1978 je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer einer Liegenschaft in S* mit darauf errichtetem Wohnhaus. Die Beklagten sind je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer ebenfalls einer Liegenschaft in S*, zu der mehrere Grundstücke gehören. Das Grundstück Nr 140/2 der Kläger und das Grundstück Nr 137/1 der Beklagten grenzen unmittelbar aneinander. Zweitklägerin und Erstbeklagter haben dieselben Großeltern, die früher auf der Liegenschaft der Beklagten als Stammsitzliegenschaft wohnten. Beginnend von der gemeinsamen Grundgrenze der genannten Grundstücke erstreckt sich ein in der Natur ersichtlicher Weg, der über den Hofbereich des Einfamilienhauses der Beklagten an diesem und in der Folge am Gartenbereich und einem Wiesenbereich vorbei zum Waldrand führt. In der Folge gelangt man auf diesem Weg in die Ortschaft L*. Dieser Weg existiert zumindest seit dem Jahr 1962; der Wegverlauf hat sich nicht wesentlich verändert.

Die Kläger benützten diesen Weg schon in ihrer Kindheit und Jugend. Nach der Errichtung ihres Hauses (in den Jahren 1978/1979) und nach dem Einzug (im Jahr 1982) benutzten sie diesen Weg weiterhin regelmäßig zu diversen persönlichen Zwecken. Jenen Teilabschnitt des Weges, der sich zwischen den beiden Wohnhäusern erstreckt, benützten die Kläger auch, aber nicht ausschließlich, um die Großeltern der Zweitklägerin zu besuchen und ihr behilflich zu sein. Die Kläger benützten den Weg stets im guten Glauben, dass ihnen die Ausübung des Gehrechts zusteht; dies war für die Beklagten und ihre Rechtsvorgänger auch erkennbar. Erstmals im Mai 2013 stellten die Beklagten auf ihren Grundstücken insgesamt zwei Schilder mit der Aufschrift „Betreten des Grundstücks verboten“ auf. Ungeachtet dieser Schilder benützten die Kläger den Weg auch weiterhin. Daraufhin brachten die Beklagten an der Waldgrenze eine Toranlage an und versperrten diese mit zwei Ketten.

Die Kläger begehrten die Feststellung, dass ihnen und ihren Rechtsnachfolgern im Eigentum ihrer Liegenschaft gegenüber den Beklagten und deren Rechtsnachfolgern im Eigentum der Nachbarliegenschaft die Dienstbarkeit des Gehens auf dem über die (näher bezeichneten) Grundstücke der Beklagten in der Natur verlaufenden Weg, wie er sich gelb markiert aus der Lageskizze (Beilage ./A) ergebe, zustehe. Weiters wurde die Verurteilung der Beklagten zur Einwilligung in die bücherliche Einverleibung der Servitut begehrt. Zudem wurde ein Entfernungs- und ein Unterlassungsbegehren erhoben. Bei der Beilage ./A handle es sich um eine schematische Darstellung des Servitutswegs. Nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens aus dem Gebiet des Vermessungswesens modifizierten die Kläger das Klagebegehren dahin, dass sie sich auf den in der Natur verlaufenden, in der Plandarstellung des Sachverständigen mit grüner Farbe markierten Weg bezogen. Eine Klagsänderung liege nicht vor; jedenfalls sei eine solche zuzulassen. Sie hätten das Gehrecht an dem in Rede stehenden Weg ersessen.

Die Beklagten entgegneten, dass der Weg laut Skizze in Beilage ./A mit dem in der Natur verlaufenden Weg nicht übereinstimme. Aus diesem Grund stellten sie (hilfsweise) den Zwischenantrag auf Feststellung, dass der in der Natur vorhandene Weg nicht mit dem in der Klage beschriebenen und in Beilage ./A eingezeichneten Weg übereinstimme. Die Kläger hätten das Wegerecht nicht ersessen. Wenn überhaupt, hätten die Kläger den Weg nur zu Besuchszwecken in Anspruch genommen.

Das Erstgericht gab dem (modifizierten) Klagebegehren statt. Eine Klagsänderung liege nicht vor. Das Feststellungsbegehren habe sich von Anfang an auf die Einräumung einer Dienstbarkeit auf dem in der Natur ersichtlichen Weg bezogen. Mit der Bezugnahme auf die Vermessungspunkte laut Sachverständigengutachten sei der Wegverlauf lediglich konkretisiert worden. Ausgehend von den Feststellungen seien die Voraussetzungen für die Ersitzung des Wegerechts gegeben. Die Ausübung des Gehrechts sei über die Ersitzungszeit von 30 Jahren redlich und echt gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liege nicht vor. Über den Zwischenantrag der Beklagten auf Feststellung hätte das Erstgericht nicht entscheiden müssen, weil die allfällige Abweichung des Wegverlaufs erst durch das Sachverständigengutachten hätte geklärt werden können. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei das Erstgericht zu Recht davon ausgegangen, dass eine Klagsänderung nicht vorliege. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass die Kläger die Feststellung eines Servitutsrechts an dem in der Natur vorhandenen Weg nach L* begehrten. Tatsächlich liege nur eine Konkretisierung des Klagebegehrens bei unverändert gebliebenen rechtserzeugenden Tatsachen vor. Die Voraussetzungen für die Ersitzung des Wegerechts seien gegeben.

Über Antrag der Beklagten nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil die Frage, ob eine Modifizierung des Klagebegehrens oder eine Klagsänderung vorliege, über den Einzelfall hinausgehe und auch nicht auszuschließen sei, dass über den Zwischenantrag auf Feststellung hätte entschieden werden müssen.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision der Beklagten, die auf eine Abweisung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragten die Kläger, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1.1 Die Beklagten stehen zunächst auf dem Standpunkt, dass das Erstgericht einen Beschluss darüber hätte fassen müssen, ob die erfolgte Klagsänderung zulässig sei. Da kein Beschluss gefasst worden sei, könne das Unterbleiben dieser Entscheidung mit dem Rechtsmittel gegen die Sachentscheidung wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens bekämpft werden.

1.2 Ob über eine Klagsänderung formell mittels Beschlusses zu entscheiden gewesen wäre oder nicht, ist eine Verfahrensfrage. Hat das Berufungsgericht einen Verfahrensmangel in dieser Hinsicht verneint, so ist diese Frage grundsätzlich nicht revisibel (RIS‑Justiz RS0043172).

Das Berufungsgericht ist dem Erstgericht in der Ansicht gefolgt, dass die Modifizierung des Klagebegehrens nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens aus dem Gebiet des Vermessungswesens eine Konkretisierung des Feststellungsbegehrens und keine Klagsänderung darstelle. Da dem Berufungsgericht bei dieser Entscheidung typisch ein Beurteilungsspielraum eröffnet ist, kann diese Frage nicht Gegenstand der Revision sein (vgl dazu 4 Ob 85/12x).

Davon abgesehen ist es nicht richtig, dass nach Streitanhängigkeit eine Klagsänderung nur mehr im Fall der ausdrücklichen oder stillschweigenden Zustimmung des Beklagten zulässig sei. Vielmehr kommt in diesem Verfahrensstadium eine Genehmigung durch das Gericht nach § 235 Abs 3 ZPO in Betracht (Klicka in Fasching/Konecny 2 § 235 ZPO Rz 33). Das Berufungsgericht ist auch mit der Ansicht im Recht, dass die Voraussetzungen dafür gegeben wären.

2.1 Weiters vertreten die Beklagten die Ansicht, dass das Erstgericht über ihren Zwischenantrag auf Feststellung der Nichtübereinstimmung des in der Natur verlaufenden Weges mit dem in der Klage beschriebenen und in Beilage ./A eingezeichneten Weg hätte ausdrücklich entscheiden müssen.

2.2 Das Berufungsgericht hat dazu das Vorliegen eines Verfahrensmangels verneint, weil eine allfällige Abweichung des in der Natur verlaufenden Weges von der schematischen Darstellung in Beilage ./A erst durch den Sachverständigen zu klären gewesen sei.

Hat das Erstgericht über einen Zwischenantrag auf Feststellung nicht entschieden, so ist die erstinstanzliche Entscheidung im Sinn des § 496 Abs 1 Z 1 ZPO ergänzungsbedürftig (RIS‑Justiz RS0039510). Hält das Berufungsgericht den Zwischenantrag wegen Fehlen der (Zulässigkeits-)Voraussetzungen für unzulässig, so ist dieser zurückzuweisen. Dabei handelt es sich inhaltlich um einen Beschluss des Berufungsgerichts, gegen den der Rekurs im Sinn des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig ist (RIS‑Justiz RS0039705; 2 Ob 173/12y).

Im Anlassfall ist das Berufungsgericht erkennbar davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine inhaltliche Entscheidung über den Zwischenantrag auf Feststellung nicht vorliegen. Dass das Berufungsgericht selbst keinen (Zurückweisungs-)Beschluss über den Zwischenantrag gefasst hat, hat sich auf die Entscheidung nicht ausgewirkt. Durch das Unterbleiben eines Zurückweisungsbeschlusses wurde daher kein relevanter Verfahrensmangel begründet. Der Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Voraussetzungen für einen Zwischenantrag auf Feststellung nicht vorliegen, liegt nämlich kein Rechtsirrtum zugrunde. § 259 Abs 2 ZPO ermöglicht dem Beklagten die Stellung eines Zwischenantrags im Sinn des § 236 ZPO unter denselben Voraussetzungen wie für den Kläger. Aus Sicht des Beklagten handelt es sich dabei um ein Abwehrmittel, mit dem er die rechtskräftige und über den konkreten Rechtsstreit hinausreichende Feststellung begehren kann, dass das für den Anspruch des Klägers präjudizielle Rechtsverhältnis nicht besteht (RIS‑Justiz RS0039621). Gegenstand des Zwischenantrags ist somit das Begehren, urteilsmäßig über den Bestand oder Nichtbestand eines für die Entscheidung über das Klagebegehren oder ein Gegenrecht präjudizielles, in seiner Bedeutung über den konkreten Rechtsstreit hinausreichenden Rechts oder Rechtsverhältnisses abzusprechen. Gegenstand der Feststellung kann daher nur ein Recht oder Rechtsverhältnis, nicht aber die Feststellung einer Tatsache sein (Deixler‑Hübner in Fasching/Konecny 2 § 236 ZPO Rz 3 f).

Die hier von den Beklagten begehrte Feststellung, dass der von den Klägern in Anspruch genommene Servitutsweg laut einer zum Inhalt des Klagebegehrens gemachten Skizze vom tatsächlichen Wegverlauf in der Natur abweiche, betrifft kein Recht oder Rechtsverhältnis und kann damit nicht zum Gegenstand eines Zwischenantrags auf Feststellung gemacht werden.

3. In ihrer Rechtsrüge, mit der die Beklagten das Vorliegen der Voraussetzungen für die Ersitzung des Servitutswegs durch die Kläger bestreiten, gehen sie neuerlich nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Die Rechtsrüge ist damit nicht ordnungsgemäß ausgeführt.

Nach den Feststellungen haben die Kläger den in Rede stehenden, in der Natur vorhandenen Weg zumindest seit dem Jahr 1979 durchgehend und regelmäßig, bis Mai 2013 ohne Beanstandung, vor allem zu eigenen Zwecken und damit dem Inhalt nach als Gehrecht mit dem erforderlichen Besitzwillen im guten Glauben und für die Beklagten und deren Rechtsvorgänger erkennbar benützt. Den Teilabschnitt, der sich zwischen den Liegenschaften der Streitteile befindet, haben die Kläger zusätzlich auch für Besuche der Großeltern der Zweitklägerin verwendet. Von einer prekaristischen, nur aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen und Kontakte erfolgten Benützung des Weges und einer darauf beschränkten Duldung der Rechtsvorgänger der Beklagten kann keine Rede sein.

4. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Voraussetzungen für die Ersitzung des privatrechtlichen Wegerechts durch die Kläger vorliegen, ist insgesamt nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Beklagten liegen in diesem Zusammenhang auch keine sekundären Feststellungsmängel („zum behaupteten Ausmaß der Redlichkeit, der Echtheit und dem Besitzwillen der Kläger zur privaten Nutzung“) vor. Mit dieser Rüge versuchen die Beklagten wiederum, die Beweiswürdigung zu bekämpfen, was in der Revision aber unzulässig ist.

Insgesamt gelingt es den Beklagten nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revision war – ungeachtet des nachträglichen Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts – zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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