OGH 12Os158/16a

OGH12Os158/16a2.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mesut S***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 87 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 31. Oktober 2016, GZ 13 Hv 93/16w‑37, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gleichzeitig gefassten Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00158.16A.0302.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angelagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Mesut S***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 14. Juni 2016 in K***** Muhammet M***** dadurch, dass er ihn bei einer Geschwindigkeit von ca 40 km/h mit seinem PKW rammte, wodurch der Genannte auf die Motorhaube und anschließend auf die Straße geschleudert wurde, sowie dadurch, dass er ihm anschließend mit einem 50 cm langen und vier cm dicken Holzknüppel und mit der Faust zahlreiche Schläge gegen den Kopf versetzte, eine „schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zugefügt, wobei die Tatvollendung infolge des Eintritts einer 'einfachen' Körperverletzung in Form einer Hüftprellung, einer Kopfprellung, einer Ellbogenprellung, zahlreicher Abschürfungen am gesamten Körper und einer Mikrohämaturie (Blut im Urin) beim Versuch blieb“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf die Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Die Mängelrüge (Z 5) spricht mit der Kritik, die Konstatierungen zur Frage, wann exakt der Angeklagte den Zeugen Muhammet M***** bemerkt habe (im Urteil finde sich dazu bloß der Ausspruch: „Unmittelbar vor dem – oder beim – Anfahren bemerkte der Angeklagte, dass Muhammet M***** vor ihm um eine Hausecke bog.“ [US 3]), seien undeutlich (Z 5 erster Fall), keine entscheidende Tatsache (vgl RIS‑Justiz RS0117264) an, weil dies weder für eine rechtsrichtige Subsumtion des danach gesetzten Tatverhaltens (Rammen des auf der Straße gehenden Muhammet M***** mit dem Fahrzeug) relevant noch notwendige Bedingung (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 410) der Annahmen zur subjektiven Tatseite ist. Mit der von der Rüge aufgezeigten, von den obgenannten Urteilsfeststellungen abweichenden „Variante“, dass der Angeklagte das Fahrzeug bereits vor Bestehen einer Sicht auf das das Baukörperende passierende Opfer in Bewegung gesetzt habe und der daran anknüpfenden Spekulation, dass dies „maximal für eine fahrlässige Körperverletzung“, nicht jedoch für vorsätzliches oder gar absichtliches Vorgehen spreche, wird bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung gleich einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung bekämpft, ein Begründungsdefizit iSd Z 5 jedoch nicht deutlich und bestimmt aufgezeigt.

Bleibt im gegebenen Zusammenhang anzumerken, dass nach dem Tatsachensubstrat des Urteils (vgl insbesondere US 3 f und 7) das Erstgericht nicht von mehreren eigenständigen Taten, sondern von mehreren Angriffen im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit und demgemäß von einer einzigen Tat ausging (Ratz in WK² StGB Vor §§ 28–31 Rz 89; vgl RIS‑Justiz RS0120233). Auch unter diesem Aspekt wird mit der isolierten Bekämpfung der Ausführungshandlung des absichtlichen Rammens des Opfers mit dem Fahrzeug keine für die Schuld‑ und Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache angesprochen (RIS‑Justiz RS0127374, RS0120233 [T9]).

Gleiches gilt in Bezug auf den Beschwerdeeinwand (Z 5 zweiter Fall), das Erstgericht habe jenes Detail aus der Aussage des Zeugen Ralf Ma*****, wonach er den „Schläger“ (Holzknüppel) zu dem Zeitpunkt, als der Angeklagte auf das Opfer einschlug, nicht mehr gesehen habe (Hv‑Protokoll ON 36 S 11), unberücksichtigt gelassen. Im Übrigen hat sich das Erstgericht mit der Aussage des genannten Zeugen insgesamt hinreichend auseinandergesetzt (US 4 f), wobei die Tatrichter – dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend – nicht gehalten waren, jeden einzelnen (bei isolierter Betrachtung anders als in der – von der Beschwerde vernachlässigten – Gesamtschau wirkenden) Satz der Aussage des Zeugen einer selbstständigen Erörterung zu unterziehen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428) und ohnedies davon ausgingen, dass der Einsatz des Holzknüppels nur vom Zeugen Manuel H***** bestätigt wurde und Ralf Ma***** eine schlechte Sicht auf das Tatgeschehen hatte.

Der (für sich allein betrachtet wiederum keine entscheidende Tatsache betreffende [vgl erneut RIS‑Justiz RS0127374]) Ausspruch, wonach der Angeklagte mit dem Holzknüppel sowie der Faust mehrmals (auch) gegen den Kopf des Zeugen Muhammet M***** schlug (US 4), wurde – dem diesbezüglichen Beschwerdeeinwand (Z 5 vierter Fall) zuwider – sehr wohl mit Bezugnahme auf die für glaubwürdig befundenen Angaben der Zeugen Ralf Ma***** und Manuel H***** formal einwandfrei begründet (US 4 f). Desgleichen wird mit dem – spekulativen – Vorbringen, wonach auch das „Verletzungsbild des Muhammet M*****“ die in Rede stehenden Feststellungen des Erstgerichts nicht trage, weil im Falle von mehrfachen Schlägen (mit einem Knüppel oder der Faust) gegen den Kopf nach allgemeiner Lebenserfahrung „wohl mit massiveren Verletzungen“ (Platzwunden, Hämatomen oder ähnlichem) als bloß mit der festgestellten Kopfprellung zu rechnen sei, ein Begründungsdefizit iSd Z 5 nicht dargetan, sondern bloß erneut versucht, die tatrichterliche Beweiswürdigung in Frage zu stellen.

Mit der isolierten Bekämpfung der subjektiven Tatseite bei der Tathandlung des Herbeiführens der Kollision des Fahrzeugs mit dem Opfer spricht der Beschwerdeführer (erneut) keine entscheidende Tatsache an (RIS‑Justiz RS0127374). Der Einwand der „bloßen Scheinbegründung“ übergeht zudem die entsprechende – sehr wohl auf konkrete Verfahrensergebnisse gestützte sowie in der allgemeinen Lebenserfahrung Deckung findende – Beweiswürdigung der Tatrichter, die sich auch eingehend mit seiner diesbezüglich leugnenden (bloß fahrlässiges Verhalten einräumenden) Verantwortung auseinandersetzten und das kraftfahrtechnische Gutachten des Sachverständigen Mag. Robert B***** hinreichend berücksichtigten (US 5 bis 7). Im Übrigen ist der Schluss vom äußeren Tatgeschehen auf ein zu Grunde liegendes Wollen oder Wissen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden, vielmehr bei einem (wie hier) leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 452).

Die Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der Beweiswerterwägungen des Erstgerichts) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung – wie sie die Berufung wegen Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt – abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

Die vorliegende Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit eigenständigen Schlussfolgerungen aus isoliert betrachteten Verfahrensergebnissen (so insbesondere einer laut kraftfahrtechnischem Gutachten nicht ausschließbaren [Unfall‑]Variante), ohne solcherart aber – für eine prozessförmige Darstellung der Rüge erforderlich – die ins Treffen geführten Beweismittel in Hinsicht auf ihre Eignung, erhebliche Bedenken hervorzurufen, an der Gesamtheit der beweiswürdigenden Erwägungen des Schöffengerichts (US 5 bis 7) zu messen (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 487), auf Aktenbasis keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zur subjektiven Tatseite bei Herbeiführen der Kollision hervorzurufen. Vielmehr wird bloß einmal mehr die Beweiswürdigung nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen – Schuldberufung bekämpft.

Nichts anderes gilt für das die subjektive Tatseite beim „Vorfall nach dem Unfall“ bekämpfende Vorbringen, das – im Wesentlichen die Argumente der Mängelrüge (Z 5) wiederholend – bloß einzelne Details aus den Aussagen der Zeugen Ralf Ma***** und Manuel H***** isoliert hervorhebt und daraus für den Angeklagten günstigere Schlüsse zieht sowie „das Verletzungsbild des Zeugen M*****“ als Argument gegen das mehrfache Versetzen von Schlägen gegen den Kopf des Genannten ins Treffen führt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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