OGH 14Os6/17i

OGH14Os6/17i28.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Februar 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christoph B***** wegen des Verbrechens nach § 3g VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 29. November 2016, GZ 15 Hv 27/16k‑28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00006.17I.0228.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christoph B***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens nach § 3g VerbotsG schuldig erkannt.

Danach hat er sich am 19. September 2015 in G***** auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt, indem er in einem voll besetzten Bus der von ihm mitbegründeten rechtsradikalen „Risikogruppierung 'F*****'“ vor den Mitgliedern dieser Gruppe in Richtung der Polizeibeamten Kurt S***** und Walter So***** zweimal durch Ausstrecken des rechten Arms den sogenannten „Hitlergruß“ darbot.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 345 Abs 1 Z 5, 8, 10a und 11 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Indem der Beschwerdeführer – gestützt auf Z 5 – eine Verletzung seines in Art 6 MRK verankerten Rechts, „verfahrensrechtliche Sicherheiten zu erhalten, um eine Willkürgefahr zu verhindern“, behauptet, weil das „österreichische Rechtssystem“ weder eine „spezielle Auswahl von Geschworenen“ noch eine Möglichkeit vorsehe, eine „Überprüfung deren Tauglichkeit“ vorzunehmen oder „wirksam unlauteren Motiven bei den Geschworenen bei ihren Entscheidungsgründen entgegenzuwirken“, deren Beweiswürdigung im Instanzenweg „nur in sehr eingeschränkten Gegebenheiten“ überprüfbar sei, weil „eine Begründung im Urteil gar nicht vorgesehen ist“, und dem Angeklagten durch eine Nichtigkeitsbeschwerde „keine angemessene Klarstellung der Gründe für seine Verurteilung“ ermöglicht werde, welche vorliegend auch aus der kursorischen Niederschrift der Geschworenen nicht hervorgingen, beruft er sich – wie er selbst einräumt – nicht auf einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag. Zudem übersieht er, dass mit dem der Sache nach erhobenen Vorwurf der Verfassungswidrigkeit angewendeter Strafgesetze kein gesetzlicher Nichtigkeitsgrund geltend gemacht wird (vgl RIS‑Justiz RS0108863; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 597).

Eine prozessordnungskonforme Ausführung der Instruktionsrüge (Z 8) verlangt den Vergleich der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit deren nach § 321 Abs 2 StPO erforderlichem Inhalt und die darauf gegründete deutliche und bestimmte

Darlegung,

welcher konkrete Belehrungsinhalt unrichtig sein oder unter dem Gesichtspunkt irreführender Unvollständigkeit fehlen soll (RIS‑Justiz RS0119549, RS0119071; Ratz , WK‑StPO § 345 Rz 65). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht, indem sie eine Irreführung der Geschworenen aus deren Niederschrift ableitet und die Ansicht vertritt, es hätte „viel stärker hervorgearbeitet werden müssen, dass selbst bei Verwendung nationalsozialistischer Symbole entscheidend die Frage ist, inwieweit diese tatsächlich propagandistisch verwendet wurden“.

Im Übrigen wurde der Begriff der Betätigung im nationalsozialistischen Sinn in der den Geschworenen erteilten

Rechtsbelehrung durch eine zutreffende Darstellung der diesbezüglichen Zielsetzungen erläutert (vgl Lässig in WK² VerbotsG § 

3g Rz 4 ff) und gleichfalls unmissverständlich klargestellt, dass das normative Tatbestandsmerkmal der nationalsozialistischen Wieder-betätigung vom Tätervorsatz umfasst sein muss (vgl die Rechtsbelehrung S 15 ff).

Indem die Tatsachenrüge (Z 10a) isoliert auf einzelne Passagen aus den Aussagen der Zeugen Kurt S***** und Walter So*****, die im Übrigen ohne jeden Zweifel bestätigten, dass der Angeklagte nach ihren Wahrnehmungen die Hand (zwei Mal) zum Hitlergruß erhob (ON 20 S 11 ff; ON 27 S 3 ff), auf die „Aktenlage“ (RIS‑Justiz RS0101034) und erneut auf die Niederschrift der Geschworenen (vgl dazu allerdings RIS‑Justiz RS0115549, RS0100809) verweist, weckt sie keine erheblichen

Bedenken an der Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen. Mit Blick auf die Konstatierung, dass die propagandistische Verwendung national-sozialistischer Symbole in einem voll besetzten Bus erfolgte, ist übrigens irrelevant, ob der Angeklagte „die beiden Polizeibeamten überhaupt wahrgenommen hat“.

Mit der substratlosen Behauptung, aus dem zweimaligen Ausstrecken des rechten Arms, ließe sich „keinesfalls ableiten“, dass der Angeklagte „propagandistisch den 'Hitlergruß' getätigt hat“, geht die Rechtsrüge (Z 11 lit a) nicht von der Gesamtheit des Wahrspruchs der Geschworenen aus und verfehlt solcherart ihren gesetzlichen Bezugspunkt (RIS‑Justiz RS0101089; vgl im Übrigen auch Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 618 mwN).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 344, 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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