OGH 1Ob211/16k

OGH1Ob211/16k10.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Unterhaltssache des mj A***** P*****, geboren am ***** 2005, über den Revisionsrekurs des Vaters Dipl.‑Ing. H***** P*****, vertreten durch die Strasser Huber Rechtsanwälte OG, Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 18. Mai 2016, GZ 21 R 83/16d‑54, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom 26. Jänner 2016, GZ 1 Pu 58/15x‑49, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00211.16K.0210.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Im Revisionsrekursverfahren geht es nur noch um die Frage, in welchem Ausmaß sich die Unterhaltsbemessungsgrundlage durch den Fahrtkostenaufwand verringert, der dem Vater durch die Fahrten von und zu seinen Arbeitsplätzen erwächst. Im Verfahren erster Instanz brachte er dazu vor, er müsse je zweimal wöchentlich mit dem Pkw nach Wien und nach Steyr fahren, was ihn monatlich insgesamt mindestens 1.000 EUR koste. Das Erstgericht stellte fest, dass der Vater Einkommen aus einem Beschäftigungsverhältnis in Steyr sowie (seit 1. 7. 2015) aus einem weiteren Beschäftigungsverhältnis in Wien bezieht. Recherchen durch Verwendung eines Berechnungsprogramms im Internet hätten monatliche Fahrtkosten von rund 300 EUR ergeben, die bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage von seinen Nettobezügen abzuziehen seien. Dagegen erhob der Vater einen (selbst verfassten und als „Rekursbeantwortung“ bezeichneten) Rekurs, in dem er ausführte, dass die vom Erstgericht ermittelten Fahrkostenaufwendungen unrealistisch und nicht nachvollziehbar seien. Seine Dienstgeber seien jedenfalls zum Dienstbeginn um 7:00 Uhr nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar, weshalb er seinen Pkw zur Erreichung des Arbeitsplatzes benötige. Die Entfernung zu seinem Arbeitsplatz in Steyr betrage 40 km, zu jenem in Wien 225 km, womit er wöchentlich eine Fahrtstrecke von 1.060 km bzw monatlich (multipliziert mit dem Faktor 4,2) von 4.452 km zurückzulegen habe. Unter Abzug eines „durchschnittlichen Fahrtaufwands“ von 200 km pro Woche (840 km pro Monat) und bei einem Aufwand von 0,42 EUR pro km verbleibe ein monatlicher Fahrtaufwand von mehr als 1.500 EUR.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluss und vertrat die Auffassung, die erstmals im Rekurs aufgestellte Behauptung, der Unterhaltspflichtige könne seine Dienstgeber zu Arbeitsbeginn mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichen und sei daher auf seinen Pkw angewiesen, stelle eine unzulässige Neuerung dar. Es sei ihm auch zuzumuten, seine Arbeitszeiten, vor allem in Wien, so einzuteilen, dass er nicht ständig mit dem Pkw fahren muss. Selbst bei Annahme gelegentlicher Fahrten zum und vom Arbeitsplatz mit dem Pkw erschienen die vom Erstgericht mit 300 EUR (monatlich) berücksichtigten (gegenüber dem Durchschnittsfall erhöhten) Arbeitsplatzfahrtkosten im Sinne des § 34 AußStrG durchaus als noch angemessen. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht letztlich mit dem Argument zu, es sei nicht ausgeschlossen, dass der Vater bereits im Verfahren erster Instanz darüber aufzuklären gewesen wäre, dass es für die Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten Fahrtkosten als Abzugspost notwendig sei, zu behaupten und nachzuweisen, warum er auf die Benützung des Pkw angewiesen sei; es könne daher ein Mangel des Rekursverfahrens wegen Vorliegens einer Überraschungsentscheidung bestehen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig, weil es auf die von diesem angesprochene Frage gar nicht ankommt und die in Anwendung des § 34 AußStrG vorgenommene Festsetzung der Höhe der vom Vater behaupteten Fahrtkosten keine im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage aufwirft.

Allgemein gilt, dass die Kosten der Fahrten zum Arbeitsplatz mit dem eigenen Pkw von der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht zur Gänze abgezogen werden können, weil sonst eine Besserstellung gegenüber anderen Arbeitnehmern erfolgen würde. Mit welchem Betrag pro gefahrenem Kilometer der tatsächliche Aufwand an Betriebsmitteln von der Bemessungsgrundlage in Abzug zu bringen ist, ist eine Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0111469). Keinesfalls können die abzugsfähigen Fahrtkosten generell mit dem amtlichen Kilometergeld gleichgesetzt werden (2 Ob 150/02a; 7 Ob 344/98h). Gerade im vorliegenden Fall kann vernünftigerweise ausgeschlossen werden, dass der Vater bei einem Bruttomonatseinkommen von 1.250 EUR aus seinem Wiener Beschäftigungsverhältnis wirklich die von ihm behaupteten Fahrtkosten von fast 1.590 EUR monatlich aufwendet.

Das Erstgericht hat als Abzugspost von der Bemessungsgrundlage ersichtlich die Treibstoffkosten für die vom Vater behaupteten Wegstrecken herangezogen. Berücksichtigt man weiters, dass darin auch jener Anteil enthalten ist, den ein durchschnittlicher Arbeitnehmer zum Erreichen seines Arbeitsplatzes aufwenden muss, sowie den Entfall von Fahrtkosten während des dem Vater zustehenden Erholungsurlaubs bzw allfälliger Krankenstände, geht der angenommene Betrag durchaus über die reinen Treibstoffkosten hinaus. Hat nun das Rekursgericht diesen Betrag in Anwendung des § 34 AußStrG als angemessen angesehen, kann darin keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung erblickt werden.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 letzter Satz AußStrG).

Stichworte